Schlaflose Nächte Gegen das große Wälzen

Düsseldorf (RP). Wenn man sich nachts im Bett hin und her dreht, kann das viele Ursachen haben. Schlafmittel sollten allerdings nicht das Mittel der Wahl sein - auch Heilkräuter können wirken. Hilft dies nicht, empfiehlt sich eine Untersuchung im Schlaflabor, denn Schlafstörungen können mitunter auch Begleiterscheinungen anderer Krankheiten sein.

Der Komponist Ralph Siegel schläft weniger als vier Stunden pro Nacht. Der Mann arbeitet zuviel und raucht mitunter 80 Zigaretten am Tag. Ein klarer Fall von Stress. Und so geben auch viele der zwei Millionen Bundesbürger, die ständig zu Schlafmitteln greifen, dem Alltagschaos die Schuld für ihre Misere. Doch nennen Ärzte zahlreiche andere Krankheiten als Auslöser: Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Depressionen, Asthma, Rheuma und Gliederzucken.

Auch bestimmte Medikamente wie Beta-Blocker, Antibiotika, Aufputschmittel und Hormonpräparate (auch die Anti-Baby-Pille) können dafür sorgen, dass man sich ruhelos hin- und herwälzt. Ganz zu schweigen davon, dass viele Schlafstörungen abgehakt wären, sobald die Betroffenen mit dem Rauchen aufhörten oder weniger Alkohol und Fernsehen konsumierten.

Eine weitere wichtige Ursache von Schlafstörungen ist das nächtliche "Sägen". "Etwa 70 Prozent aller 70-Jährigen schnarchen", sagt Professor Karl Hörmann von der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Mannheim. In neun von zehn Fällen handelt es sich um Männer. Meistens rauben sie ihren Bettpartnern eher den Schlaf als sich selbst. Bei etwa zehn Prozent der Schnarcher kommt es jedoch zu Atemaussetzern, der so genannten Apnoe. Tritt sie mehr als zehn Mal pro Stunde auf, ist die Sauerstoffversorgung des Gehirns gefährdet. In der Folge können massive gesundheitliche Probleme wie Konzentrationsstörungen und Bluthochdruck auftreten. Solche Kandidaten sollten sich unbedingt im Schlaflabor untersuchen lassen.

Bei anderen Schlafstörungen setzen Betroffene und auch die Ärzte meistens auf pharmazeutische Hilfe. Allein in Deutschland werden pro Jahr über 13 Millionen Schlafmittel-Packungen (Benzodiazepine) verkauft. Diese Mittel können süchtig machen, und so werden in den letzten Jahren vermehrt risikoärmere Alternativen eingesetzt. Fast jedes zweites Schlafmittel zählt bereits zu den Pflanzenprodukten, die nicht nur in Apotheken, sondern auch in Reformhäusern, Drogerien, Supermärkten und Discountern angeboten werden.

Baldrian, Melisse & Co.

Ihre Wirkung ist jedoch zweifelhaft. So beklagen Experten, dass einige der angebotenen Phytopillen mit synthetischen Substanzen wie Antihistaminen angereichert seien, die normalerweise bei Allergien wirken und den Schlaf fördernden Effekt eher nebenbei verursachen. Zudem sind laut Stiftung Warentest in einigen Kombinationspräparaten die Mengen der Pflanzenwirkstoffe so gering, dass nicht mit einer Wirkung zu rechnen ist. Es sollten daher Produkte bevorzugt werden, die nicht mehr als vier unterschiedliche Substanzen enthalten.

Und selbst dann ist die Wirkung nicht sicher. Denn einige Heilkräuter wie etwa die Passionsblume stehen zwar im Ruf eines Beruhigungsmittels, doch die Wissenschaft konnte dies bislang nicht bestätigen. Demgegenüber liegen zu Baldrian viele Daten vor. Eine aktuelle Studie der Universität Gießen bestätigt sogar, dass die Wirkung der traditionsreichen Heilwurzel ähnlich schnell und intensiv eintritt wie bei den Benzodiazepinen - mit deutlich geringerem Risiko.

Wer sich für ein Heilkraut entscheidet, ist oft nicht sicher, wie er es am besten anwendet. So wissen nur wenige, dass die Melisse als Vollbad am besten wirkt. Nimmt man am Nachmittag ein Melissebad, fühlt man sich erst einmal fit und munter, kann aber in der darauf folgenden Nacht mit einer deutlichen Schlafverbesserung rechnen. Bernhard Uehleke von der Berliner Charité vermutet daher, "dass Melissebäder zunächst für eine zentrale Aktivierung sorgen, die dann von Körper - als Gegenreaktion - mit Ermüdung beantwortet wird". Als chancenreicher Neuling unter den Kräutern etabliert sich die Blauwarte. Sie wurde früher als Kaffee-Ersatz verwendet, und im Mittelalter glaubte man sogar, dass sie unsichtbar macht. Als Schlafmittel trat sie bislang nicht in Erscheinung. Doch fand Professor Holger Kiesewetter von der Charité bei ihr einen Effekt, der sogar ausreichte, um die angespannten Nerven hyperaktiver "Zappelphilipp"-Patienten zu beruhigen. Die Patienten berichteten, dass nicht nur die Schlafstörungen nachlassen, sondern sich auch ihre Konzentrationsfähigkeit verbessert.

Mehr Informationen rund um das Thema Schlafstörungen finden Sie unter: Beruhigende Heilkräuter (www.heilpflanzen-katalog.de); Apnoe, Schlaflabors: Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (www.dgsm.de); Nächtliches Gliederzucken: Deutsche Restless Legs Vereinigung (www.restless-legs.org)

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