Perfekt geplant Immer mehr Frauen wollen Kaiserschnitt

Berlin (rpo). Früher war der Kaiserschnitt für jede werdende Mutter mit Angst und Schrecken verbunden, wurde nur im Notfall eingesetzt, um das Leben von Mutter und Kind zu retten. Heute entscheiden sich dagegen immer mehr Frauen für einen Kaiserschnitt. Denn damit lässt sich die Geburt perfekt planen und mit dem Beruf abstimmen.

 Die meisten Schwangeren hoffen, ihr Kind möge gesund sein. Das Geschlecht spielt keine Rolle. In Indien ist das anders: Jungs werden bevorzugt, Mädchen häufig abgetrieben.

Die meisten Schwangeren hoffen, ihr Kind möge gesund sein. Das Geschlecht spielt keine Rolle. In Indien ist das anders: Jungs werden bevorzugt, Mädchen häufig abgetrieben.

Foto: Jens Schierenbeck, gms

Der Kaiserschnitt ist heute zur häufigsten Operation avanciert. Nahezu jede dritte Schwangere in Deutschland bekommt ihr Kind auf diesem Weg. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe erwartet, dass die Zahl in Zukunft weiter steigen wird. Allerdings beklagt ihr Vorsitzender, Klaus Vetter, eine mangelnde und bisweilen unsachliche Aufklärung der Bevölkerung. "Die Geburt ist ein öffentliches Ereignis, bei dem jeder meint, mitreden zu können. Es ist ein emotional vermintes Feld", sagt Vetter. Aus seiner Sicht sollten die Schwangeren mit allen sachlichen Informationen zu verschiedenen Geburtsvarianten versorgt werden, ohne dass ein Ratschlag erteilt wird. Vielmehr sollten sie dann selbst entscheiden, wie sie ihr Kind zur Welt bringen möchten.

Die Realität sieht allerdings anders aus. "Es kommen Frauen mit der festen Überzeugung zu uns, sie bräuchten einen Kaiserschnitt. Sie lassen sich in ihrer Meinung auch gar nicht mehr beirren", erzählt die Hebamme Beate Helm-Ludwig von der Hebammenpraxis Rundherum aus Falkensee bei Berlin. Die Argumente für den Wunschkaiserschnitt sind dabei oft diffus. Einige fürchten die Schmerzen der natürlichen Geburt. Andere glauben, danach nicht mehr schön auszusehen oder Sex anders zu erleben. Hingegen hadern Frauen, die aus medizinischen Gründen einen Kaiserschnitt machen lassen müssen, mehr mit sich und setzen sich intensiver mit der Geburt auseinander, schildert Helm-Ludwig.

Bauchhöhle und Gebärmutter aufschneiden

Bei einem Kaiserschnitt werden Bauchhöhle und Gebärmutter aufgeschnitten, um das Kind aus dem Leib zu holen. Zwei bis drei Tage nach der Entbindung können Mutter und Kind in der Regel wieder nach Hause gehen. "Der Kaiserschnitt ist heute statistisch gesehen genauso sicher wie eine normale Geburt. Es gibt etwa gleich viele Todesfälle", sagt Vetter. Auf den ersten Blick gibt es daher keinen Grund, die eine oder die andere Variante zu bevorzugen.

Doch die Tücken der Operation kommen nach dem Eingriff. Das Neugeborene leidet in den ersten Tagen häufig an Atemwegsstörungen, da sich noch Fruchtwasser in der Lunge befindet, das bei einer natürlichen Geburt herausgepresst worden wäre. "Meist legt sich das aber nach kurzer Zeit", beruhigt Vetter.

Jeder Kaiserschnitt ein Risikofaktor

Schwerer wiegen seiner Einschätzung nach die Gefahren eines Kaiserschnitts für alle weiteren Geburten: "Ein Kaiserschnitt ist ein erheblicher Risikofaktor für jede folgende Schwangerschaft", warnt er. Nach der Operation bleibt eine Narbe zurück, die bei jeder weiteren Entbindung aufbrechen kann. Das einmal zerschnittene Gewebe ist nicht mehr so dehnbar. Zudem kann sich der Mutterkuchen in den Narbenkrater einnisten. Bei der Geburt kann er darin hängen bleiben. Reißt der Mutterkuchen ab, entsteht eine lebensgefährliche Situation: Die Versorgung des Kindes mit Sauerstoff und Nährstoffen ist unterbrochen. Das Kind droht nach wenigen Minuten zu ersticken. "Das sind sehr brenzlige Momente, die man bei einer Hausgeburt oder in einem kleinen Krankenhaus unter Umständen nicht rechtzeitig in den Griff bekommt", betont der Mediziner.

Im Unterschied zum Kaiserschnitt entsteht bei einer natürlichen Geburt unmittelbar eine starke emotionale Bindung zwischen Mutter und Kind, wenn die Entbindung gut verläuft. Beim Geburtsvorgang wird das Hormon Endorphin in großen Mengen ausgeschüttet. Es sorgt für eine Woge des Glücks auf beiden Seiten und schweißt die soziale Bindung zwischen Baby und Mutter enger zusammen.

Nicht immer freudige Entbindung

Dennoch endet nicht jede Entbindung so freudig. "Es ist wie bei einem Marathon: Manche sind glücklich und befreit, wenn sie ihn gut hinter sich gebracht haben. Aber es gibt eben auch Menschen, die sind völlig erledigt nach der gewaltigen Anstrengung", sagt Vetter. Bei einer komplizierten Geburt dominieren am Ende die Stresshormone im Körper der Schwangeren und des Kindes. Bevor die Geburt vollends zur Qual wird, wird deshalb oft ein Kaiserschnitt gemacht, um unnötiges Leid und Stress zu ersparen.

In einigen Situationen haben die Ärzte indes oft keine andere Wahl, als den Bauch aufzuschneiden. Etwa, wenn das Kind mit den Füßen oder dem Steiß nach unten liegt, hat es selten genug Kraft, um auf natürlichem Weg zur Welt zu kommen. Erwartet die Mutter Mehrlinge, so können diese ebenfalls oft nur mit einem Kaiserschnitt lebend zur Welt gebracht werden. Genauso wenig können sich mehr als vier Kilogramm schwere Babys durch den Geburtskanal zwängen. Sie sind schlichtweg zu groß. "Aufgrund der Überernährung werden die Babys aber im Mittel immer schwerer", so Vetter. Auch deshalb nimmt die Zahl der Kaiserschnitte zu.

(afp)
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