DAK-Gesundheitsreport Ärzte verordnen zu oft Medikamente ohne gesteigerten Nutzen

Berlin · Pharmafirmen müssen vor der Einführung eines Medikaments nachweisen, dass das neue Produkt besser ist als das alte. Jedes zweite Medikament kann diesen Zusatznutzen nicht aufweisen - wird aber dennoch häufig von Ärzten verschrieben, wie eine neue Studie ergab.

Dies geht aus einem neuen Report der Krankenkasse DAK-Gesundheit hervor. Darin kommt die Kasse außerdem zu dem Schluss, dass das 2011 beschlossene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG) sich grundsätzlich bewährt, aber deutliche Schwachstellen habe.

So zeigte der DAK-Bericht dass die Hälfte der 58 untersuchten Wirkstoffe aus dem AMNOG-Verfahren keinerlei Zusatznutzen aufweise. Zudem verzeichneten nach Ansicht der DAK gerade jene Arzneimittel "ohne Mehrwert" beträchtliche Verordnungszuwächse.

Als ein Beispiel wird in der Studie das bei Multipler Sklerose eingesetzte Medikament Fampyra angeführt, das von Acorda Therapeutics entwickelt wurde und außerhalb der USA von der Firma Biogen Idec vertrieben wird. Der Umsatz verzehnfachte sich der Studie zufolge in den beiden Jahren nach der Prüfung, obwohl kein Zusatznutzen festgestellt worden sei.

Worum es im AMNOG geht

Seit 2011 werden Arzneien direkt nach ihrer Marktzulassung vom Gemeinsamen Bundesausschuss von Kassen, Ärzten und Kliniken auf ihren Mehrwert überprüft. Der Hersteller muss dazu ein Dossier vorlegen, der Ausschuss wiederum kann dafür wissenschaftliche Expertise in Anspruch nehmen. Wird ein Zusatznutzen im Vergleich zu einer herkömmlichen Therapie nicht nachgewiesen, wird ein Festpreis festgelegt. Ist ein Mehrwert erwiesen, handeln Kassen und Hersteller einen Preis aus.

In 13 Fällen musste im Erhebungszeitraum bis zum Jahr 2013 bei den Preisverhandlungen die Schiedsstelle angerufen werden. Daraufhin zogen sieben Hersteller ihr Präparat vom deutschen Markt zurück. Zu Versorgungslücken sei es aber nicht gekommen, heißt es in der Studie.

Ein vom Markt genommener Wirkstoff lasse sich bisher weitgehend schnell und problemlos durch andere Mittel ersetzen. DAK-Chef Rebscher stellte dem Gesetz insgesamt ein gutes Zeugnis aus, da weniger Geld für "Scheininnovationen" ausgegeben werde. Wie andere Kassenvertreter forderte er aber, der innerhalb eines Jahres mit dem Unternehmen auszuhandelnde Rabatt müsse rückwirkend vom Tag der Zulassung an gelten. Die Kassen beklagen, einige Firmen setzten den Preis anfangs zu hoch an.

Dass neue Wirkstoffe ohne Zusatznutzen so häufig verschrieben werden, liegt möglicherweise an der mangelnden Information der Mediziner, mutmaßen die Kassen.

Pharmafirmen können dennoch extrem hohe Preise verlangen

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) beklagt eine einseitige Ausrichtung auf die Kostendämpfung. Und auch der CDU/CSU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn sieht in der Arzneimittelmarktreform "eine kleine Revolution". Und sagt, das Gesetz "bedeutete das Ende der Mondpreise für Medikamente."

Der Fall des Pille gegen Hepatitis C zeigt jedoch, dass die Pharmaindustrie sehr wohl noch in der Lage ist sehr hohe Preise zu verlangen, allerdings nur, wenn es sich um eine echte Innovation handelt. Nach langen Verhandlungen einigten sich die Kassen und der Hersteller Gilead im Schiedsverfahren auf einen Erstattungsbetrag von 14.500 Euro pro Packung. Eine Tablette kostet somit 488 Euro. Sovaldi, so der Name des Medikaments, kann die Krankheit allerdings tatsächlich heilen.

Das richtige Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen im Pharmabereich ist also noch lange nicht gefunden.

(ham)
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