Neue Studie Kassen geben Milliarden für unnütze Medikamente aus

Berlin · Trotz mitunter großer gesundheitlicher Risiken geben die Krankenkassen hierzulande Milliarden für unnütze Medikamente aus. Das geht aus dem aktuellen Arzneimittelreport der Barmer GEK hervor, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Die Pharmabranche selbst wehrt sich.

So unterscheiden sich Original und Generikum
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Foto: dpa, Matthias Hiekel

Seit 2009 richtet sich der Preis neuer Medikamente verstärkt nach ihrem Nutzen. Um auf dem Markt zugelassen zu werden, werden sie umfangreich bewertet. Allerdings gilt dies nicht für Medikamente, die bereits vor diesem Datum auf den Markt gebracht wurden, und die neueren werden auch nur einmal überprüft. Genau das kritisieren aber die Macher des Barmer Arzneimittelreports. Die Kassen würden dadurch noch viele Jahre mit hohen Ausgaben belastet.

Laut dem aktuellen Report zeichnen sich bei den Krankenkassen in diesem Jahr Ausgabensteigerungen bei den Arzneimitteln ab. Schon im ersten Quartal, so der Vizechef der Krankenkasse, Rolf-Ulrich Schlenker, seien die Aufwendungen für Medikamente um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Im vergangenen Jahr seien bei der Barmer GEK die Ausgaben für Arzneimittel um 4,2 Milliarden Euro gestiegen, das seien 2,6 Prozent mehr pro Versichertem.

Studienautoren sehen Milliarden-Einsparpotenzial

Besonders kritisiert wird in dem Report, dass 20 bis 30 Prozent der Ausgaben der Kassen trotz der Neuregelung von 2009 auf sogenannte Scheininnovationen fielen. "Diese Arzneimittel sind überflüssig und teuer, und für die Patienten, die auf eine bessere Behandlung hoffen, haben sie keinen erkennbaren Mehrwert", so Schlenker.

So seien etwa bei den Blutverdünnern im vergangenen Jahr 86,8 Prozent der Ausgaben auf ein neueres Mittel entfallen, obwohl dieses sogar gesundheitliche Risiken bergen könne. "Die Todesfälle nehmen zu", sagte Studienautor Gerd Glaeseke bezüglich des Mittels. Der Umsatz mit dem Präparat habe aber innerhalb eines Jahres um mehr als 200 Prozent auf mehr als 280 Millionen Euro zugenommen. 76 Prozent der Packungen, so schreiben die Studienautoren aber auch, entfielen auf die seit Langem verfügbaren Wirkstoffe.

Die Krankenkasse stellte in der Untersuchung fest, dass 39 Prozent der Ärzte gern neue Medikamente verschrieben in dem Glauben, damit neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in ihre Therapie einfließen zu lassen. Doch ein Hauch Skepsis sei angebracht, so die Studienautoren. Würden die Ärzte zudem vermehrt auf preisgünstigere und bewährte Generika setzen, dann ließen sich drei bis vier Milliarden Euro einsparen, heißt es weiter.

Neben den Blutverdünnern wird auch die zunehmende Verschreibung von Protonenpumpenhemmern kritisiert. Diese Mittel unterdrücken die Bildung von Magensäure. In der Studie werden sie bereits als "Volksarzneimittel" bezeichnet, die für jegliche Arten von Magenbeschwerden verschrieben würden. Bei 40 Prozent lag demnach die Quote. Dabei hätten solche Mittel Risiken wie Herzrhythmusstörungen oder Krampfanfälle.

Pharmabranche: Mehr Medikamente mit Zusatznutzen

Die Pharmabranche lässt die Kritik der Kasse an den neueren Medikamenten allerdings nicht gelten. "Wieder einmal wird die Erhöhung der Generikaquote gefordert, ohne dabei Rücksicht auf die Therapiehoheit des Arztes zu nehmen", heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie. "Die Versorgungssituation sollte selbst bei einer Krankenkasse im Vordergrund stehen. Mit irgendwelchen Prozentzahlen umzuwerfen ohne deutlich machen zu können, auf welcher Basis man diese berechnet, ist ein Trauerspiel", wird Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Verbandes, zitiert.

Zudem betont der Verband, dass auch die Barmer GEK erkannt habe, dass durch den 2009 eingeführten Bewertungsprozess durchaus ein Zusatznutzen bei neueren Mitteln festgestellt wurde. Allerdings stimmten die Zahlen der Kasse hierbei nicht. Diese hatte mitgeteilt, dass bei 70 überprüften Präparaten 14 einen beträchtlichen Zusatznutzen hätten, bei 23 Prozent hätten die Prüfer nur einen geringen Mehrwert, bei sechs einen nicht bestimmbaren Mehrwert festgestellt.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie sagt dagegen, dass von den 70 überprüften Medikamenten 45 einen Zusatznutzen bescheinigt bekommen hätten. In den Fällen, in denen dies nicht so gewesen sei, habe dies zumeist etwa an rein formalen Gründen gelegen.

(das)
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