Laktose-Intoleranz Krank durch Milch

Köln (rpo). Es sind nicht immer die künstlichen Stoffe, die uns krank machen. Gut zehn Prozent der Bevölkerung vertragen sogar das nicht mehr, was ihnen die ersten Lebensmonate versüßt hat: Milchzucker.

Fünf Fragen zur Laktoseintoleranz
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Fünf Fragen zur Laktoseintoleranz

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Foto: dpa, scg lof jol wst

Diesen Erwachsenen fehlt eine ausreichende Menge des Enzyms Laktase. "Ohne das Enzym kann der Milchzucker nicht abgebaut werden", erläutert Professor Tobias Goesen von der Universität Köln. Sie werden von Milch krank. Denn nur wenn die Laktase den Milchzucker aufspaltet, entstehen Einfachzucker, die durch die Dünndarmwände ins Blut gelangen können. Geschieht das nicht, wird der Milchzucker im Dickdarm verstoffwechselt. Die Darmbakterien bilden dort dann große Mengen Milchsäure, Methangas, Essigsäure, Kohlendioxid und Wasserstoffgas. Das führt nach Angaben des Internisten Goesen zu Blähungen, Durchfall und Übelkeit.

Ursprünglich kam Laktose nur in der Milch von Säugetieren vor. Deshalb bildeten die meisten erwachsenen Menschen auch gar nicht das Enzym Laktase. Erst mit der Domestizierung von Nutztieren begannen auch Erwachsene, Milch zu trinken. So bildete sich die Fähigkeit heraus, auch im Erwachsenenalter Laktose zu verdauen. "Laktasemangel ist genetisch bedingt", erklärt Professor Michael Krawinkel von der Universität Gießen. Eine Krankheit sei das aber nicht. Auch keine Allergie, wie sie gegen das Milcheiweiß auftreten könne, betont der Ernährungswissenschaftler.

Im Gegenteil: Laktose wird von mehr Menschen auf der Welt nicht vertragen als umgekehrt. Normalerweise ist die Laktaseaktivität nach der Geburt am höchsten und sinkt bei Europäern im Erwachsenenalter auf etwa zehn Prozent ab. Bei vielen Menschen geht die Aktivität so weit zurück, dass von einer Laktoseintoleranz (LI) gesprochen werden muss.

Deshalb treten die diffusen Beschwerden in der Regel erst im Erwachsenenalter auf - ganz unvermittelt und nicht nur nach dem Genuss von Milchprodukten. Was viele nicht wissen: Heute ist Milchzucker in fast allen Fertigprodukten enthalten. Das reicht von der Margarine bis zur Tiefkühlpizza über Fleisch und Wurst, Brötchen und Brot, Eiscreme und Süßigkeiten bis hin zu Süßstofftabletten, Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten. "In der Regel nimmt jeder - meist ohne es zu ahnen - so täglich zwischen 25 und 50 Gramm Milchzucker zu sich", sagt der Kölner Fachbuchautor Thilo Schleip.

Diagnose oft falsch

Nach den Erfahrungen von Schleip, der selbst einen 15 Jahre währenden Ärzte-Marathon hinter sich hat, ist die Diagnose Laktoseintoleranz auch heute noch eher die Ausnahme. Als seine Beschwerden endlich auf den Enzymdefekt LI zurückgeführt wurden, hatte er schon viele unsinnige Untersuchungen und Verlegenheitsdiagnosen wie "psychosomatische Beschwerden" hinter sich.

Besteht erst einmal ein Verdacht, gibt es zwei einfache Tests, die eine Laktoseunverträglichkeit eindeutig belegen: den Blutzucker- und den Wasserstoffatemtest. In beiden Fällen nimmt der Patient eine bestimmte Menge Milchzucker zu sich. Beim Blutzuckertest wird dann in Abständen der Zuckeranteil im Blut gemessen. Steigt der Zuckerspiegel nicht an, gilt dies als Nachweis einer Laktoseunverträglichkeit.

Der Wasserstoffatemtest macht sich ein Abfallprodukt der Milchzuckervergärung zunutze. Zersetzen nämlich Bakterien anstelle von Laktase den Milchzucker, entsteht unter anderem Wasserstoff. Der wird dann mit der Atemluft ausgestoßen und gemessen.

Wer sich selbst testen will, dem schlägt Schleip vor, ein Glas Milch auf nüchternen Magen zu trinken. Hat das durchschlagende Wirkung, liegt eine Laktoseunverträglichkeit nahe.

Verzicht einzige Hilfe

Die einzig wirksame Behandlungsmethode ist nach Angaben des Fachbuchautors eine Eliminationsdiät. Das heißt: Weitgehender Verzicht auf den Verzehr von Milch- und milchzuckerhaltigen Produkten. Allerdings gibt es kein Nahrungsmittel, das gänzlich verboten ist, beruhigt Schleip. Je nach Grad der Unverträglichkeit ist die verzehrte Laktose-Menge ausschlaggebend für die Beschwerden.

Dazu muss man allerdings den Milchzuckergehalt einzelner Lebensmittel kennen und wissen, welche die Verträglichkeit von Laktose fördern oder verschlechtern. Auch werden hochwertige Sauermilchprodukte wie Jogurt vom Körper oft toleriert, da die Milchsäurebakterien in den Produkten Laktaseenzyme enthalten, die unbeschadet den Magen passieren und im Dünndarm noch erhebliche Mengen an Milchzucker abbauen können. Zudem werden Käsesorten wie Emmentaler und Appenzeller meist gut vertragen, weil der Milchzucker während des langen Reifeprozesses weitgehend abgebaut wird.

Um die notwendigen Einschränkungen bei der Nahrungsauswahl auf ein erträgliches Maß zu bringen, gibt es Laktase-Enzym-Präparate in Kapsel- oder Pulverform. Sie sorgen für eine bessere Verträglichkeit von milchzuckerhaltigen Speisen. So kann man auch das Essen im Restaurant oder bei Freunden genießen.

Außerdem sollten Laktose-Intolerante auf eine ausreichende Versorgung mit Kalzium achten, rät Schleip. Der Verzicht auf Milchprodukte könne schnell zu einer Unterversorgung mit dem lebenswichtigen Mineral führen, denn Milch ist hier zu Lande der größte Kalziumlieferant. Das Risiko zum Beispiel für Osteoporose (Knochenschwund) ist bei den "Pseudoallergikern" demzufolge erhöht. Abhilfe schaffen können Kalzium-Präparate als Nahrungsergänzung oder spezielle laktosefreie Milchprodukte.

(afp)
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