Im Spezialzentrum steigt die Lebenserwartung Krebskranke brauchen bessere Therapie

Berlin · Wenn Menschen mit Krebsleiden in einem Spezialzentrum behandelt werden, steigt ihre Lebenserwartung. Nach dem Krebsreport der AOK gelingt eine solche Versorgung flächendeckend nur bei Frauen mit Brustkrebs.

Das Risiko, an Krebs zu sterben, ist in Nordrhein-Westfalen ungleich verteilt. Wie der Onkologie-Report der AOK Rheinland/Hamburg zeigt, gibt es beispielsweise in Oberhausen rund 200 Sterbefälle pro 100 000 Einwohnern, in Aachen sind es nur rund 151. Auch Düsseldorf liegt mit 159 Sterbefällen pro 100 000 Einwohnern im unteren Drittel. Im Durchschnitt sterben in Nordrhein-Westfalen pro Jahr rund 169 Menschen pro 100 000 Einwohnern an einer Krebserkrankung.

Auch Duisburg, Mönchengladbach, der Kreis Kleve und Remscheid gehören zum oberen Drittel, bezogen auf die Todesursache durch Krebs. Im Mittelfeld befinden sich Viersen, der Kreis Wesel und Krefeld. Eine geringere Zahl von Krebstoten gibt es außer in der Landeshauptstadt in Neuss und im Kreis Mettmann.

Die häufigsten Krebsarten sind bei Frauen der Brustkrebs und bei Männern Tumore an der Prostata. Gefolgt von den Erkrankungen Darm- und Lungenkrebs, von denen Männer jeweils etwas stärker betroffen sind als Frauen.

Aus Sicht des Chefs der AOK Rheinland/Hamburg, Günter Wältermann, lässt sich die Therapie noch deutlich verbessern. Die Behandlung von Krebserkrankungen sei komplex und anspruchsvoll. Sie müssten daher "weitestgehend" in dafür spezialisierten und zertifizierten Zentren behandelt werden. Derzeit sei der Anteil der Patienten, die in solchen Zentren versorgt werden, zu gering.

Lediglich die Therapie von Brustkrebspatientinnen in Spezialzentren ist nach Daten der AOK mit 80 Prozent relativ hoch. Beim Darmkrebs hingegen wird nur jeder dritte Patient in einem Zentrum behandelt, beim Lungenkrebs sind es 20 Prozent und bei einer Krebserkrankung an der Bauchspeicheldrüse gerade einmal zehn Prozent. "Dieser Anteil ist sehr bedenklich und dürfte bundesweit ein Problem darstellen", sagte Wältermann.

Nach internationalen Studien sinkt die Sterblichkeit der Krebspatienten, wenn sie an ein spezialisiertes Zentrum geraten. AOK-Vorstandsmitglied Matthias Mohrmann wies darauf hin, dass beispielsweise im Fall von Eierstockkrebs die Überlebensrate durchschnittlich nach fünf Jahren bei 40 Prozent liegt, in einzelnen Kliniken aber bei bis zu 60 Prozent — ohne dass es eine Auswahl leichter erkrankter Patientinnen gebe.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sieht die Versorgung von Krebskranken dennoch auf einem guten Weg: "Wir haben mit dem Nationalen Krebsplan einen Durchbruch erzielt, der den Menschen helfen wird", sagte Bahr. Eines der Ziele sei der weitere Ausbau der Krebszentren, in denen die Patientinnen und Patienten mit hoher Qualität besser behandelt würden. Mit der flächendeckenden Einführung der klinischen Krebsregister werde sich die Behandlungsqualität entscheidend verbessern, kündigte Bahr an. "Wenn diese Register aufgebaut sind, wird für Ärzte und Patienten sicht- und vergleichbar, wo mit welchem Erfolg Krebs behandelt wird."

Zudem hat das Forschungsministerium im vergangenen Jahr ein "Translationales Krebsforschungszentrum" mit Sitz in Heidelberg ins Leben gerufen, das bis 2015 mit insgesamt 20 Millionen Euro gefördert wird. Der Begriff Translationalität steht dafür, dass Erkenntnisse aus der Forschung möglichst rasch den Menschen am Krankenbett helfen sollen.

Wältermann mahnte neben der Versorgung in Spezialzentren auch mehr Hilfe für Sterbende an. Er forderte, die Hospizversorgung müsse ausgebaut werden. Nach den Daten der AOK sterben etwa die Hälfte der Versicherten, die ihrem Krebsleiden erliegen, in einem Krankenhaus. Nur sieben Prozent sterben in einem Hospiz.

Der Präsident der Stiftung Patientenschutz begrüßte, dass die AOK sich "zu den Defiziten in der Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen" bekenne. "Rund 25 Jahre nach der Gründung des ersten Palliativdienstes in Deutschland können wir immer noch nicht von einer flächendeckenden Versorgung der Menschen am Lebensende sprechen." Es sei ein "Armutszeugnis", beklagte Brysch, dass nur 15 Prozent der Betroffenen tatsächlich Hilfe erhielten. Nach Angaben des Patientenschutz-Verbandes bedürfen etwa 60 Prozent der Sterbenden einer palliativen Versorgung. Das entspricht pro Jahr 522 000 Menschen. Tatsächlich würden aber nur insgesamt 79 000 Sterbende pro Jahr in einer Palliativstation (28 000), im Hospiz (25 000) oder durch einen ambulanten Dienst (26 000) versorgt. 443 000 Sterbende jährlich blieben ohne palliative Hilfe. "Viel zu viele Menschen werden in ihrer Not allein gelassen", sagte Brysch. "Die Krankenkassen und die Gesundheitspolitik könnten das ändern." Brysch forderte einen Aktionsplan Palliativversorgung, der sicherstelle, dass bis 2020 die Hälfte der Sterbenden tatsächlich die notwendige Hilfe erhalte.

Der AOK-Report beleuchtet das Schicksal Krebs sehr detailliert. So kommen die Statistiker auch zu dem Ergebnis, dass Lungenkrebs nicht nur in jenen Regionen stärker verbreitet ist, in denen auch der Raucheranteil hoch ist. Vielmehr spielt auch der soziale Hintergrund eine Rolle. "In Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit treten auch vermehrt Lungenkrebsfälle auf", heißt es in dem Bericht. Die höchsten Raten an Lungenkrebs im Bereich der AOK Rheinland gibt es in Duisburg, Oberhausen, Mönchengladbach, Remscheid und Aachen-Land.

Auch bei den Berufssparten zeigen sich Unterschiede, wie häufig Menschen an Karzinomen leiden. Die häufigsten Krebsfälle entstehen bei Versicherten, die in der Kraftfahrzeugherstellung arbeiten. Gastgewerbe und Callcenter sind am unteren Ende. Eine Begründung: In diesen Branchen arbeiten viele junge Leute.

(qua)
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