Gesundheit Das Leben nach der inneren Uhr

Düsseldorf · Der Nobelpreis für Medizin geht an ein Wissenschaftler-Trio, das unseren Biorhythmus erforscht hat. Ihre Erkenntnisse betreffen jedes Lebewesen.

 Nicht jedem fällt es leicht, morgens sehr früh aufzustehen. Grund dafür ist die innere Uhr (Symbolbild).

Nicht jedem fällt es leicht, morgens sehr früh aufzustehen. Grund dafür ist die innere Uhr (Symbolbild).

Foto: Shutterstock.com/ lightwavemedia

Die Ehrung für die drei US-Amerikaner kommt spät. Aber immerhin können die drei Nobelpreisträger Jeffrey C. Hall (72), Michael Rosbash (73) und Michael W. Young (68) behaupten, dass ihre Arbeit wirklich jedes Tier, jede Pflanzen und jeden Menschen betrifft. Die Wissenschaftler haben den Mechanismus entschlüsselt, mit dem unser Biorhythmus gesteuert wird. Jeder kennt seine innere Uhr, die bestimmt, wann wir üblicherweise schlafen oder Hunger haben.

Dieser natürliche Rhythmus beeinflusst viele biologische Abläufe im menschlichen Körper. Er regelt die Hormonausschüttung; der Blutdruck folgt ihr ebenso wie auch die Körpertemperatur. Selbst die Energieversorgung unseres Körpers wird von der inneren Uhr mitbestimmt. Damit beispielsweise die Muskeln Glucose aus dem Blut aufnehmen können, benötigen sie Insulin. Aber die Bauchspeicheldrüse produziert dieses Hormon den Tag über in unterschiedlichen Mengen.

 So funktioniert die innere Uhr.

So funktioniert die innere Uhr.

Foto: ferl

Nachts fällt es uns deshalb schwerer, die gleiche Leistung zu erbringen wie tagsüber. Unsere biologische Uhr sieht vor, dass sich Leber, Niere und Milz nachts erholen können. Wer dieses Gleichgewicht dauerhaft aus dem Ruder bringt, muss damit rechnen, entsprechende Erkrankungen zu bekommen. Generell bedeutet es für den Körper Stress, außerhalb seines Biorhythmus zu leben. Wissenschaftler konnten nachweisen, dass bei Menschen, die jahrelang Nachtschicht machen müssen, Alterungsprozesse früher einsetzen als in einer Vergleichsgruppe.

Der natürliche Schlafrhythmus ist nicht bei allen Menschen gleich. Genetische Unterschiede sind die Ursache dafür, dass manche Menschen sich als Frühsteher wohlfühlen und andere lieber länger schlafen. Zudem passt der Bio-Rhythmus sich im begrenzten Maße unseren Lebensbedingungen an. Aber das Prinzip bleibt immer bestehen. Die biologische Uhr sorgt dafür, dass der Mensch und seine Zellen regelmäßige Ruhezeiten bekommen.

Jeffrey C. Hall und Michael Rosbash haben ihre Entdeckungen gemeinsam an der Brandeis-University, einer Privat-Universität im US-Bundesstaat Massachusetts, gemacht. Michael W. Young arbeitet noch immer an der Rockefeller-University in New York. Die Preisträger waren selbst überrascht, dass sie 20 Jahre nach ihrer Entdeckung noch mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden. "Sie machen einen Witz, oder?", antwortete Michael Rosbach, als er vom Nobelpreis-Komitee angerufen wurde. Ende der 1980er Jahr war ihre Idee sehr umstritten. Viele Forscher glaubten nicht, dass das Verhalten von Menschen und Tieren seine Ursache in den Genen haben könnte.

Erst als die beiden Forschergruppen Stück für Stück die beteiligten Gene identifizierten und klonten, setzte sich ihre Theorie durch. Interessanterweise hat die Regelung der inneren Uhr nichts mit Licht oder Dunkelheit zu tun. Die Zellen haben einen anderen Mechanismus dafür entwickelt. Die Forscher haben eine Gruppe von Genen gefunden, die sich in einem bestimmten Zeitintervall selbst regulieren. Vereinfacht formuliert produzieren die Gene zunächst Proteine, die den Stoffwechsel aktivieren. Doch gleichzeitig hemmen diese Proteine die Aktivität der Gen-Gruppe. Wenn viel Protein vorhanden ist, produzieren sie kein neues mehr. Dadurch wird der Stoffwechsel des Körpers langsam runtergeschaltet. Wenn das Protein verschwunden ist, beginnen die Gene der biologischen Uhr erneut mit der Produktion und der Stoffwechsel wird wieder hochgefahren.

Dieser Mechanismus zur Regulierung ist in so vielen Zellen unseres Körpers integriert, dass es uns sehr schwer fällt, ihn zu überlisten. Es dauert etwa 24 Stunden bis ein solcher Zyklus durchlaufen ist.

Schon die Naturforscher des 18. Jahrhunderts fragten sich, warum Blumen ihrer Blüten auch dann tagsüber öffnen, wenn sie an einen dunklen Ort gestellt wurden. Im Jahr 1936 veröffentlichte der Botaniker Erwin Bünning seine These, dass sich bestimmte Prozesse in Pflanzen im 24-Stunden-Takt wiederholen. Dazu hatte der Forscher die Blätter von Bohnenpflanzen mit einer rotierenden Walze verbunden, die deren Bewegung im Tagesrhythmus aufzeichnete. Bünning erkannte als Erster, dass diese Taktgeber in der Pflanze von einer Generation an die nächste vererbt werden.

Er versuchte den Rhythmus zu stören, in dem er seine Bohnen einem anderen Tag-Nacht-Zyklus aussetzte, aber die nächste Generation der Pflanzen nahm wieder den natürlichen Ablauf an. Das Konzept der Chronobiologie setzte sich rasch durch. Welche Tiere und Pflanzen die Wissenschaftler auch untersuchten, selbst bei primitiven Einzellern konnten sie einen Biorhythmus nachweisen. Heute weiß man, dass die verantwortlichen Gene schon zu Beginn der Evolution eingerichtet wurde. Das Leben auf diesem Planeten hat sich früh dem Tag-Nacht-Rhythmus der Erde angepasst.

(rai)
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