50 Prozent der 60-Jährigen betroffen Mit dem Testosteron schwindet die Potenz

Hamburg/München · Einige Männer zeugen noch im hohen Alter ein Kind. Andere wiederum leiden unter spürbar nachlassender Potenz. Sie bekommen Erektionsprobleme, und mitunter kommen Prostata-Beschwerden oder Depressionen hinzu. Schuld ist die nachlassende Produktion des Sexualhormons Testosteron.

Das Testosteron-ABC
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Foto: AFP

Das mag für den Einzelnen ernüchternd sein, ist aber keineswegs ungewöhnlich: "Es gibt eine große Anzahl von Männern, die unter solchen Wechseljahrssymptomen leiden", sagt Angelina Borgaes, auf sexuelle Störungen bei Männern und Frauen spezialisierte Psychotherapeutin in Hamburg.

Für Frauen sind die Wechseljahre etwas völlig Normales. Ihr Vorrat an Eizellen geht im Alter von 40 bis 50 Jahren irgendwann zur Neige. Die Eierstöcke produzieren dann auch weniger Östrogen, und es gibt Schwankungen im Menstruationszyklus. Häufig gehen mit den hormonellen Schwankungen eine Reihe von Beschwerden wie Schwindel, Müdigkeit und Stimmungsschwankungen einher.

Bei Männern ist es das Sexualhormon Testosteron, dessen Produktion im Alter allmählich abnimmt. Der Unterschied zur Frau ist, dass sich die hormonellen Veränderungen nicht zwangsläufig physiologisch bemerkbar machen. Denn die Testosteron-Produktion wird nicht vollständig eingestellt, Erektionen und damit Geschlechtsverkehr bleiben mitunter bis ans Lebensende möglich.

"Anderen älteren Männer fällt ihr Testosteron-Mangel schlicht deshalb nicht auf, weil ihr Interesse an Sexualität abgenommen hat. Diese Männer sind dann nicht behandlungsbedürftig", sagt Thomas Eversmann, Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Endokrinologen.

Wechseljahre sind beim Mann also eher ein Kann, denn ein Muss. Genauso ist es mit den Beschwerden. Falls Erektionsprobleme oder sexuelle Unlust aber auftreten und stören - bereits bei den 60-Jährigen ist dies laut Eversmann bei etwa 50 Prozent der Fall - sollten Betroffene einen Urologen, Endokrinologen beziehungsweise Andrologen (Facharzt für Männerkrankheiten) aufsuchen. Er kann den Testosteronspiegel messen und gegebenenfalls substituierende Medikamente verabreichen.

Infrage kommen Spritzen, Gele oder Kapseln für die Wangenschleimhaut, die den Betroffenen kontinuierlich mit dem Sexualhormon versorgen. "Wichtig ist, dass die Mittel unter ärztlicher Aufsicht verabreicht und nicht zu hoch dosiert werden. Andernfalls drohen Nebenwirkungen von der Leberveränderung bis hin zu gefährlichen Herzvergrößerungen", mahnt Eversmann. Weitaus verträglicher ist es da, die Manneskraft auf natürliche Art und Weise zu stärken: 30 Minuten Ausdauersport pro Tag fördern die Testosteronbildung. "Das Gleiche gilt für regelmäßigen Geschlechtsverkehr", betont Eversmann.

Gleichwohl ist es gewiss auch nicht so, dass Glück oder Unglück des reiferen Mannes einzig und allein vom Testosteron-Spiegel abhängt. "Die Wechseljahrsproblematik bei Männern ist häufig komplexer und lässt sich mit einer Pille allein nicht lösen", betont Psychotherapeutin Borgaes.

Oft sind die Symptome sogar organisch gar nicht begründbar, und den Betroffenen macht eher das Älterwerden insgesamt zu schaffen: Etwa, dass körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nachlassen oder sich nach dem Ausscheiden aus dem Beruf Antriebslosigkeit breit macht. Andere fühlen sich plötzlich nutzlos, nachdem die Kinder das Elternhaus verlassen haben.

In solchen Fällen kann man von auch einer Midlife-Crisis sprechen. Die Übergänge zwischen dieser eher seelischen Krise und den pathologisch begründeten Wechseljahrssymptomen wie Prostata- oder Erektionsproblemen können laut Borgaes fließend sein. Besonders hart ist es für die Patienten aber zweifelsohne dann, wenn Wechseljahrsbeschwerden und Midlife-Crisis zusammenfallen. Dann ist es sinnvoll, neben dem Männer-Facharzt auch einen Psychologen aufzusuchen.

"Eine rechzeitige Therapie kann verhindern, dass sich die Probleme chronifizieren und womöglich in einer schweren Depression münden", sagt Borgaes. Zudem wird dem Patienten in intensiven Gesprächen der Übergang in den letzten Lebensabschnitt erleichtert. Und der hat durchaus auch seine guten Seiten: Karriereplanung oder Sicherung der Finanzen - solche Sorgen hat man im Alter meist hinter sich. "Man wird insgesamt ruhiger und abgeklärter", unterstreicht die Psychotherapeutin.

(afp)
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