Nach Rückruf von Novartis-Grippeimpfstoff Neue Impfstoffe sollen Engpass abwenden

Köln/Berlin · Nach dem Rückruf von Grippeimpfstoffen der Firma Novartis sind Mittel anderer Hersteller freigegeben worden.

Das sind die Gründe für Arzneimittelengpässe
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Foto: dapd, dapd

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) machte den Weg für den Vertrieb von 620.000 bereits produzierten Impfdosen frei, wie eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums am Freitagabend der Nachrichtenagentur dapd in Berlin sagte. Während Ärzte und Apotheker einen Engpass bei Impfmitteln befürchteten, versuchten Behörden zu beschwichtigen.

Eilig wurde ein Gespräch zwischen PEI, Herstellern und Krankenkassen angekündigt, um die Versorgung zu sichern.

PEI-Präsident Klaus Cichutek beruhigte verunsicherte Patienten in Interviews und sagte, Chargen der Impfstoffe Begripal und Fluad seien bereits von der Firma Novartis aus dem Verkehr gezogen worden. Es bestehe keine Gefahr, dass Patienten mit den betroffenen Seren, die erhebliche Nebenwirkungen auslösen könnten, geimpft würden.

Bei den entsprechenden Chargen kann es nach Meinung von Experten möglich sein, dass diese noch in der Ampulle ausflockten und teils schlimme allergische Reaktionen auslösen. Bisher sind keine Meldungen von Erkrankten bekannt. Nach Italien, der Schweiz und Deutschland stoppte aber auch Frankreich am Freitag teilweise die Auslieferung von Novartis-Impfstoffen. In Österreich wurde Ärzten empfohlen, andere Präparate zu spritzen.

Ursache für Partikel im Impfstoff bleibt unklar

Woher die Ausflockungen in den Impfstoffen stammten, ist noch nicht geklärt. Es gibt jedoch laut Cichutek die Vermutung, dass diese von dem neuen Antigen eines kursierenden Grippe-Virus herrührten. Novartis sprach von Eiweiß-Partikeln, die weder die Wirksamkeit beeinflussten noch die Sicherheit der Patienten gefährdeten.

Nach Angaben von Novartis wurden bereits eine Million Dosen Begripal und Fluad verabreicht - ohne, dass es unerwartete Nebenwirkungen gegeben habe. In Deutschland seien ungefähr 750.000 Impfstoffdosen zurückgerufen worden, teilte Novartis mit. Das Schweizer Unternehmen ging davon aus, dass ein Großteil bereits verabreicht wurde.

Die Lücke der zurückgerufenen Impfstoffdosen kann nun durch am Freitag freigegebene Mittel geschlossen werden. Die 620.000 bereits produzierten Dosen stammten von den Herstellern GlaxoSmithKline und Abbott, sagte die Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Damit seien nun etwa 14 Millionen Impfdosen freigegeben und teils schon verabreicht, vergangenes Jahr habe man rund 15 Millionen gebraucht.
Die aktuelle Zahl an Freigaben liegt aber unter denen der vergangenen Jahre. Das Ministerium erläuterte, die Herstellung habe diesmal später eingesetzt, weil die Weltgesundheitsorganisation WHO die Stammzusammensetzung der Impfstoffe spät bekannt gegeben habe.

Auch wenn das PEI die Befürchtungen vor einem Impfstoff-Engpass zu bremsen versuchte, warnten Ärzte- und Apothekerverbände genau davor. Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) drohten Engpässe zumindest in Teilen Deutschlands. KBV-Vorstand Regina Feldmann machte dafür Exklusivverträge verantwortlich, mit denen sich manche Krankenkassen an bestimmte Hersteller binden, um Rabatte zu erhalten.

Der Vorsitzende des Verbands der niedergelassenen Ärzte, Dirk Heinrich, wurde noch deutlicher: "Nur um Einsparungen zu erzielen, gefährden die Krankenkassen die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf fahrlässige Art und Weise."

Die pharmazeutische Industrie wies alle Schuld von sich. Ihr seien die Hände gebunden, stattdessen betrieben die Kassen mit ihren Ausschreibungen eine verfehlte Politik, teilte der Industrieverband BPI mit. Derzeit haben die Kassen die Wahl zwischen 16 zugelassenen Grippeimpfstoffen.

"Ganz, ganz schwierige" Situation in Bayern

Viele bayerische Apotheker wurden weiterhin gar nicht oder nur unzureichend mit Grippeimpfstoff beliefert. Der Sprecher des Landesapothekerverbandes (BAV), Thomas Metz, sagte auf dapd-Anfrage: "Die Situation ist ganz, ganz schwierig." Die dortigen Krankenkassen erwarten nun Lieferungen aus dem Ausland, um die Lücke zu füllen.

Wo welcher Impfstoff eingesetzt wird, ist selbst Spitzenverbänden unklar. Weder sie noch das Bundesgesundheitsministerium verfügen nach eigenen Angaben über entsprechende Listen, wie sie der Nachrichtenagentur dapd mitteilten. Die Kassen in jeder Region entscheiden sich individuell für Impfmittel.

Pharmafirmen, Krankenkassen und das zuständige PEI werden kommende Woche darüber beraten, wie sich ein Engpass bei Grippeimpfstoffen vermeiden lässt. "Wir haben das PEI gebeten, mit den Herstellern und Krankenkassen Gespräche über die Sicherstellung der Impfstoffversorgung zu führen", teilte das Gesundheitsministerium mit.

(APD)
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