60 Prozent aller Bandscheiben-OPs unnötig Psychische Probleme können Vorfall auslösen

Mainz (rpo). Schwimmerin Franziska von Almsick war schon ebenso davon betroffen genauso wie Bundesfinanzminister Hans Eichel. "Jährlich werden rund 100.000 Deutsche wegen eines Bandscheibenvorfalls operiert", berichtet der Schmerztherapeut Wolfgang Sohn anlässlich des bundesweiten Tages der Rückengesundheit am 15. März in Mainz - oftmals aber ohne Notwendigkeit.

"Je größer die Versorgungsdichte an Neurochirurgen und Orthopäden ist, desto häufiger wird auch an der Bandscheibe operiert", sagt der Orthopäde Matthias Psczolla, Ärztlicher Direktor der Loreley-Klinikenn St. Goar-Obewesel. Dabei sei es die beste Therapie, eine Operation zu vermeiden. Denn bei der Hälfte aller Rückenoperationen hätten die Patienten nach ein bis zwei Jahren wieder dieselben oder sogar noch stärkere Schmerzen als vorher.

"Rund 60 Prozent aller Bandscheibenoperationen sind daher unnötig^, sagt Psczolla. Nur bei neurologischen Störungen wie Lähmungserscheinungen oder einer gestörte Ausscheidungsfunktion müsse innerhalb kurzer Zeit operiert werden. Doch berge der Eingriff zahlreiche Risiken wie Gefäß- und Nervenschäden, chronische Schmerzen oder auch eine Instabilität des Wirbelsegments.

Die beste Alternative ist nach Angaben der Experten, den Patienten so schnell wie möglich wieder mobil und schmerzfrei zu machen. "Total falsch ist eine längere Bettruhe", sagt Sohn. Maximal zwei bis drei Tage dürfe der Patient liegen. Eine nach einem festen Zeitplan durchgeführte Schmerztherapie solle es dem Kranken ermöglichen, sich wieder zu bewegen und frühzeitig mit einer Krankengymnastik zu beginnen.

Den Schmerz-Teufelskreis durchbrechen Nur so könne der Teufelskreis aus Schmerz, Verspannung und neuem stärkeren Schmerz durchbrochen werden. Denn die Schmerzen führten zu einem Fehl- und Vermeidungsverhalten, so dass der Patient sich wieder verspanne. Mit einer konsequenten Schmerztherapie werde auch verhindert, dass sich ein so genanntes Schmerzgedächtnis bilde. Dabei würden die Nervenzellen unter den ständigen Reizen empfindlicher, der Schmerz werde dann chronisch.

Die Mediziner empfehlen dringend eine interdisziplinäre Behandlung. Denn die Ursache für einen Bandscheibenvorfall liege nicht nur in Bewegungsmangel oder Haltungsschäden begründet. Auch psychische Faktoren spielten eine wichtige Rolle. "80 Prozent der Bandscheibenpatienten haben schwere bis schwerste psychosomatische Probleme wie beispielsweise den Tod eines Lebenspartners", sagt Psczolla. Psychischer Druck führe dabei zu Verspannungen und Fehlhaltungen.

Häufig betroffen sind nicht nur bestimmte Berufsgruppen wie Kraftfahrer. "Auch Raucher haben sehr viel häufiger Rückenschmerzen oder einen Bandscheibenvorfall", sagt Klaus Jung, Sportmediziner an der Universität Mainz. Warum das so sei, wisse man nicht. Vermutlich spielten durchblutungsmindernde Effekte des Rauchens eine Rolle.

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