Europawoche gegen den Krebs Sechs Millionen Kinder leben in verqualmten Wohnungen

Berlin (rpo). Wenn Eltern schon unbedingt zur Zigarette greifen müssen, dann ist das ihre Sache. Doch sollten sie nicht auch noch die Gesundheit ihrer Kinder mit schädigen. Experten fordern jetzt einen gesetzlichen Schutz von Kindern vor dem Passivrauchen.

Jedes zweite Kind in Deutschland lebt in einem Haushalt, in dem mindestens ein Elternteil raucht. Nach Angaben von Gesundheitsexperten wachsen damit mindestens sechs Millionen Jungen und Mädchen bis zum Alter von 13 Jahren in Raucher-Haushalten auf und werden durch den ständigen Qualm massiv geschädigt.

Sogar 60 Prozent der bis zu Sechsjährigen müssten in solchen "Räucher"-Wohnungen leben. Laut Studien habe sich erst nach drei Stunden 95 Prozent des Rauchs einer Zigarette aus der Raumluft verflüchtigt.

Die vom blauen Dunst betroffenen Kinder hätten ein großes Erkrankungsrisiko, warnte der Geschäftsführer der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven, am Dienstag in Berlin anlässlich der diesjährigen "Europawoche gegen den Krebs" vom 11. bis 17. Oktober.

Sie litten fast doppelt so häufig an Asthma, Husten, Schwindelgefühlen, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten, sagte Volker Beck von der Deutschen Krebsgesellschaft. Zudem träten bei diesen Kindern dreimal häufiger Schlafstörungen auf als bei ihren Altersgenossen in Nichtraucher-Haushalten.

Deshalb sprechen die Gesundheitsexperten in ihrer neuen Infokampagne davon, dass das Rauchen Erwachsener im Beisein von Kindern einer "Körperverletzung" gleichkomme. Die Rechtsprechung schütze Kinder zwar vor häuslicher Gewalt, jedoch nicht vor dem "Zwangsmitrauchen", kritisierte die Vizepräsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes, Marlis Herterich, die oft anzutreffende Gleichgültigkeit in der Gesellschaft.

Die Politik scheine diese "schwer wiegende Verletzung des Grundrechts auf den Schutz der Gesundheit" bei diesen Kindern weitgehend zu ignorieren. Die Erkenntnisse über das Passivrauchen hätten längst in entsprechende Gesetze und Verordnungen umgesetzt werden müssen.

Deshalb fordern der Kinderschutzbund und zahlreiche Gesundheitsorganisationen vom Gesetzgeber dringend Maßnahmen zum Schutz von Nichtrauchern. So sollten öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten und Kinderspielplätze, Schulen, Sportstätten, Gaststätten sowie Transportmittel künftig rauchfrei sein. Zugleich appellierten die Gremien an das Verantwortungsgefühl rauchender Eltern. Dazu gehöre auch, das Rauchen bei Autofahrten mit Kindern zu unterlassen, hieß es.

Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum verwies darauf, das Tabakrauch mit Abstand der "gefährlichste vermeidbare Innenraumschadstoff" sei. Dafür müsse ein Bewusstsein in der Gesellschaft entstehen.

Die Gesundheitsrisiken beginnen bereits bei rauchenden Schwangeren. So haben deren Babys ein durchschnittlich 200 Gramm niedrigeres Geburtsgewicht als Kinder von Nichtraucherinnen. Zudem gilt das Passivrauchen als Hauptursache für den "plötzlichen Kindstod". Mediziner schätzen, dass sogar etwa ein Drittel aller Fälle darauf zurückzuführen ist.

(ap)
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