Ein Fall für Dr. House Seltsame Gelüste: Warum eine Amerikanerin Klosteine aß

Dallas · Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, doch dass einer Amerikanerin ausgerechnet Klosteine schmecken, versetzt nicht nur die medizinische Fachwelt in Erstaunen, sondern führt bei ihr selbst zu schrecklichen gesundheitlichen Folgen.

Ein Fall für Dr. House: Seltsame Gelüste: Warum eine Amerikanerin Klosteine aß
Foto: Shutterstock/ Dundanim

Manchmal reicht es nicht aus als Arzt mit medizinischem Fachwissen ausgestattet zu sein. Geradezu detektivischen Ehrgeiz benötigten Mediziner in den USA, als sich eine Frau mit Gangschwierigkeiten und Sehproblemen an sie wendete. Sie gab an, unter starken Erschöpfungszuständen, auch Fatigue genannt, zu leiden und zeigte nach der Aufnahme in die Klinik immer stärker werdenden neurologische Probleme. Noch kurz zuvor konnte die Frau alleine laufen, nun aber ist war dies nicht mal mehr mit Hilfe möglich. Hinzu kamen Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis.

Zufällig entdeckte Multiple Sklerose

Die Mediziner führten das auf eine Multiple Sklerose (MS) zurück, die sie fünf Jahre zuvor zufällig nach einem Autounfall der Patientin diagnostiziert hatten. MRT-Aufnahmen brachten auffällige Hirnläsionen ans Tageslicht. Erste Versuche, der Frau nun medikamentös zu helfen, scheiterten jedoch. Die Mediziner teilten ihr mit, sie leide an einer therapieresistenten Form der Nervenerkrankung, die sie mit einem besonders starken Medikament versuchen würden zu therapieren.

Darauf folgten insgesamt 31 Injektionen des starken Medikaments Natalizumab. Es gilt bei einer besonders schweren Form der MS, die schubartig auftritt, als Segen. Eine der möglichen Nebenwirkung ist jedoch eine gefürchtete Virusinfektion, die eine schwere Erkrankung des zentralen Nervensystems nach sich ziehen und sogar tödlich enden kann.

Essen, was nicht zum essen bestimmt ist

Im Blut ihrer Patientin aber finden die Ärzte keine Hinweise auf eine Infektion mit dem gefährlichen Virus. Vor Rätsel stellt die Ärzte außerdem ein verhornt wirkendender Hautausschlag auf den sich die US-Neurologen um Richard Hession trotz akribischer Diagnose keinen Reim machen können. Bis einer der Ärzte mit seiner Nase auf die richtige Fährte kam: Was bei manchem im heimischen Toilettenspülbecken baumelt und einen Hauch Meeresbrise oder Frühlingswiese an den nicht immer duftenden Ort bringen soll, ließ sich die Betroffene schon seit mehreren Jahren fast täglich schmecken: Klosteine in Törtchenform, wie sie in den USA angeboten werden.

Offenbar war das ursächliche Problem eine psychiatrische Erkrankung, das sogenannte Pica-Syndrom. Menschen, die darunter leiden, sind geradezu süchtig nach ungenießbaren Dingen wie Stiften, Seife oder Styropor. Durch diese Erkrankung fehlgeleitet, kaut die Frau regelmäßig Toilettensteine, spukt sie dann aber wieder aus. Danach fühlt sie sich weniger ängstlich, sagt sie den Ärzten.

Das Gift in Klosteinen und Mottenkugeln

Wie auch Mottenkugeln enthalten manche Kloreiniger den Inhaltsstoff Paradichlorbenzol (PDCB). Dieser kann allein bei intensiver Inhalation zu Symptomen wie Atemnot, Müdigkeit, Kreislaufproblemen und chronischer Enzephalopathie — einer Gehirnschädigung führen. Wird der Wirkstoff verschluckt, berichtet die Forschung über Schwindel, Krämpfe, Müdigkeit, Bewusstseinstrübung und veränderte Hautpigmentierung.

Neben der MS diagnostizieren die Ärzte nun auch noch eine durch den Gefahrenstoff PDCB ausgelöste Enzephalopathie. Mit der Empfehlung, künftig auf den Verzehr von Toilettenreiniger zu verzichten, entlassen sie die Patientin nach Hause. Nicht allerdings, ohne ihr ein Medikament gegen ihre Angstzustände mitzugeben, die sie als Grund für den Verzehr der Toiletten-Törtchen angibt. Doch schon zwei Wochen nach der Entlassung muss die Patientin wegen ihres sich weiter verschlimmernden Zustands erneut aufgenommen werden. Die Giftbelastung im Blut ist zwar um 90 Prozent gesunken, doch hat der Giftstoff bereits so schwere Schäden angerichtet, dass die Patientin beatmet werden muss und zum Pflegefall wird.

Alternativen zu Klosteinen und Mottenabschreckern

Wenn auch der Patientin kaum mehr zu helfen ist, beschäftigt nun die Medizin die Fragestellung, ob der Giftstoff PDCB möglicherweise Multiple Sklerose auslösen oder begünstigen kann. Hierzulande ist in WC-Reinigern meist kein PDCB vorhanden. Allerdings könnten deutsche Verbraucher darüber nachdenken, statt auf Mottenkugeln auf natürliche Mottenabschrecker wie Lavendel zu setzen, um auf Nummer sicher zu gehen und sicherheitshalber auch im WC auf natürliche Frischluft zu setzen.

(wat)
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