Gefährlicher Krankheitsüberträger Tigermücke kommt nach Deutschland

Riems · Mücke ist nicht gleich Mücke. Forscher des Friedrich-Loeffler-Instituts bauen ein Speziallabor zur Erforschung der Plagegeister. Schwerpunkt ist die Übertragung von exotischen Erregern etwa durch eingewanderte Mücken.

Forscher bekämpfen die Mückenplage
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Mit einer Pinzette sortiert Helge Kampen die Mücken in der Petrischale zu kleinen Häufchen. "Culex pipiens und Culiseta annulata - nichts Außergewöhnliches", sagt der Insektenforscher. Das Dutzend Mücken, das der Entomologe des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Ostsee-Insel Riems unter dem Mikroskop begutachtet, hat ein Hobby-Mückenjäger per Post in der Hoffnung auf einen seltenen Fang an das Bundesforschungsinstitut geschickt. Doch Kampen wird den Mückenjäger enttäuschen müssen - bei den Exemplaren handelt es sich um die gemeine Hausmücke und die Ringelmücke - zwei der häufigsten Mückenarten in Deutschland.

Deutschland ist mit 49 Stechmückenarten im weltweiten Vergleich sicher kein Paradies für die Plagegeister. Doch drei der zwischen Alpen und Ostsee nachgewiesenen Arten wurden erst nach 2007 in Deutschland gefunden, die asiatische Tigermücke, die asiatische Buschmücke und Culiseta longiareolata, die keinen deutschen Namen trägt.

Tigermücke aus Asien

Das beunruhigt die Forscher, denn im Gegensatz zur für den Menschen harmlosen Culiseta longiareolata gehört die asiatische Tigermücke zu den Arten, die höchst effizient zahlreiche und für den Menschen hochgefährliche Viren übertragen können, darunter die Erreger des Dengue Fiebers und des Chikungunya-Fiebers. 2007 erkrankten in Norditalien rund 200 Menschen am Chikungunya-Fieber. 2010 kam es in Südeuropa nach Jahrzehnten erstmals wieder zu einzelnen Fällen von Dengue-Fieber.

"Die Globalisierung ist für die Einschleppung dieser Erreger viel bedeutsamer als der Klimawandel", sagt Kampen. Flugzeuge, Frachtschiffe und der Autoverkehr bringen nicht nur die Mücken in kürzester Zeit nach Mitteleuropa, sondern auch Reisende, die in den Tropen mit den exotischen Erregern infiziert wurden. Trifft eine eingeschleppte infizierte Mücke dann in Deutschland auf einen Menschen oder sticht eine empfängliche einheimische Mücke einen Infizierten, können sich die vermeintlich exotischen Krankheiten auch schnell in heimischen Gefilden ausbreiten.

Weil es viele offene Fragen gibt, planen die FLI-Forscher auf Riems den Aufbau eines Speziallabors. In dem sogenannten Insektarium, einem Labor der Sicherheitsstufe 3, könnten ab Mitte 2013 Versuche erfolgen. Nicht nur an Mücken, die per Mikroinjektion mit den Erregern infiziert werden, kann dort die Vermehrung der Viren beobachtet werden. Auch an infizierten Mäusen, Hamstern, Schafen und Rindern wollen die Experten die Übertragungswege studieren.

Lockmittel Kohlendioxid

Seit einem Jahr nehmen FLI-Forscher auf der Insel Riems und des Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) Mücken verstärkt in den Blick. Verteilt über ganz Deutschland fangen sie mit fast 1000 Stechmückenfallen die Insekten, um Verteilung und Häufung der verschiedenen Arten zu ermitteln. Als Lockmittel dienen Kohlendioxid und Duftstoffe, auf die die Mücken besonders stehen.

Seit Frühjahr bekommen die Entomologen Unterstützung von Hobbyjägern, die mittlerweile in über 400 verwertbaren Einsendungen einige Hundert gut erhaltene Mückenexemplare für den Mückenatlas an die Institute gesandt haben. In die Stechmückenfallen gingen bisher 37 Arten, Hobbyjäger wiesen 12 Arten nach - alles Exemplare von heimischen Arten. Aus den gesammelten Mückendaten können später das Gefährdungspotenzial und Bekämpfungsstrategien entwickelt werden.

"Die Einschleppung von exotischen Erregern ist ein Phänomen der letzten 20 bis 30 Jahre", berichtet Kampen. Der Forschungsbedarf ist hoch. "Vielleicht", so seine Befürchtung, "benötigt man zum Ausbruch einer exotischen Krankheit gar keine Tigermücke. Vielleicht können das auch einheimische Arten." Schon jetzt weiß man, dass heimische Mücken auch in Deutschland humanpathogene - also für Menschen infektiöse - Erreger übertragen können. In den vergangenen drei Jahren wurden mit dem Sindbis- und Batai-Virus zwei für den Menschen infektiöse Erreger in einheimischen Mückenarten nachgewiesen. Zudem wurden exotische Mückenarten in Deutschland entdeckt, die Erreger von Krankheiten wie Dengue-Fieber, Gelbfieber oder Chikungunya-Fieber übertragen können.

Dennoch, die Hürde einer Übertragung sei hoch, entwarnt Kampen. Mücken und der bereits Infizierte müssten im richtigen Stadium aufeinandertreffen. "Vor allem muss die Mücke lange genug leben, damit sich der Erreger in der Mücke vermehren und an andere Menschen oder Tiere weitergegeben werden kann."

(dpa)
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