Westafrika Vielen bleibt nur Händewaschen gegen Ebola

Düsseldorf · Im Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika gibt es kaum Fortschritte. Auch Monate nach dem Ausbruch der Krankheit klagen die wenigen Ärzte, die sich der humanitären Katastrophe entgegen stellen, noch immer über eklatante Mängel in der Grundausstattung.

"In Sierra Leone dauert es vier Tage bis bei Ebola-Verdacht das Ergebnis einer Blutprobe vorliegt", berichtet der US-Mediziner J. Daniel Kelly in der Wissenschaftszeitung "Nature". Es gebe zu wenig Analytik-Labore, die zudem völlig überlastet seien. Während dieser Wartezeit blockieren Verdachtsfälle die wenigen Betten zur Behandlung von Ebola. Die wenigen mobilen Sanitätsteams, die in den Städten unterwegs sind, können keine schnellen Diagnosen stellen. So können die Opfer des Virus weder frühzeitig isoliert oder versorgt, noch deren Angehörige geschult werden.

"Die Kapazitäten für Diagnostik müssen sehr schnell ausgeweitet werden", fordert Kelly. Doch er rechnet nicht mit schneller Hilfe. Obwohl sein Anliegen einfacher zu erfüllen ist, als der Aufbau neuer Infektionsstationen mit geschultem Personal.

In den beiden am schlimmsten betroffenen Ländern, Sierra Leone und Liberia, steige die Zahl neuer Patienten viel schneller als die Kapazitäten zur Bewältigung der Fälle, berichtet die WHO-Generaldirektorin Margarete Chan. "Was für Fall- und Totenzahlen wir auch immer mitteilen, sie sind zu niedrig", sagte Chan. Nach Augenzeugenberichten sterben die Menschen in Liberia vor den Krankenhäusern oder irren mit der Infektionskrankheit auf der Suche nach Hilfe durch die Städte. Schon vor zwei Wochen hat Joanne Liu, Präsidentin der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen", den Aufbau von Feldlazaretten durch Militär aus den industrialisierten Ländern gefordert, damit die nötige Infrastruktur schneller aufgebaut werden könnte. Seltsamerweise besitzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) keine eigenen mobilen Krankenhäuser. Die jahrzehntelange Strategie der WHO mit Hilfe zur Selbsthilfe ist zumindest in Westafrika gescheitert.

Glaubt man einer Gruppe von US-Wissenschaftlern, so könnte die Ebola-Welle noch weit dramatischere Ausmaße annehmen. Bei der derzeitigen Wachstumsrate werde es bald bis zu 20 000 Infektionsfälle pro Monat geben, berechneten die Statistiker. Die Epidemie werde noch wenigstens zwölf bis 18 Monate anhalten. Die von den Forschern verwendete Formel ist zwar sehr oberflächlich, aber sie zeigt dennoch, wie dringend die Hilfe für die betroffene Region ist. Die WHO verabschiedete einen Notfallplan für 600 Millionen US-Dollar. Er könne die Epidemie in sechs bis neun Monaten stoppen, falls die internationale Staatengemeinschaft entschlossen handele, sagte ein Sprecher.

Zwar fehlt weiter eine Therapie gegen die tückische Infektionskrankheit, aber die jüngsten Zahlen aus der Krisenregion zeigen, dass eine gute Betreuung im Krankenhaus immerhin die Sterberate deutlich senken konnte. Zugleich suchen die Mediziner nach neuen Behandlungsformen. Die Debatte um den Einsatz des noch nicht am Menschen getesteten Medikaments "ZMapp" aus den USA ist längst hinfällig, denn die Vorräte sind größtenteils aufgebraucht. Die Produktion des Wirkstoffs-Gemisches aus drei Antikörpern erfolgt mit gentechnisch veränderten Tabak-Pflanzen. Sie ist zeitaufwendig, wird aber technisch beherrscht. Dieses Verfahren zur Herstellung von Medikamenten wurden vor 30 Jahren unter anderem am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln entwickelt. Den Pflanzen wurde damals eine große Zukunft als Proteinfabrik vorhergesagt. "Dass es anders gekommen ist, hat mit der gesellschaftlichen Abneigung gegen die grüne Gentechnik zu tun", sagte Rainer Fischer, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie in Aachen, der "FAZ". Das einzige bisher zugelassene Medikament ist ein Enzym gegen Morbus Gaucher, das in Israel in gentechnisch veränderten Karottenzellen produziert wird.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt den Ebola-Ärzten bei einer Krisensitzung vor einer Woche eine Therapie, die in Europa undenkbar wäre. Sie sollen den Patienten das Blut oder gereinigtes Blut-Serum der Ebola-Überlebenden geben. Die darin befindlichen Antikörper sollen den Schwerkranken im körpereigenen Kampf gegen Ebola helfen.

Immerhin scheint es in der Impfstoff-Entwicklung Fortschritte zugeben. Zwei verschiedene Impfstoffe bewirkten im Tierversuch einen vollständigen Schutz gegen Ebola. Noch in diesem Monat sollen die beiden Kandidaten die erste von drei Phasen im klinischen Test durchlaufen, die Verträglichkeit und Wirksamkeit beim Menschen dokumentieren sollen. Bis die Präparate auf den Markt kommen, wird aber mindestens ein Jahr vergehen, vermutlich sogar 18 Monate. Es bleibt zu hoffen, dass das Ebola-Virus dann noch auf den Impfstoff anspricht: Der Erreger machte während des aktuellen Ausbruchs bereits 55 Mutationen in seiner genetischen Struktur durch. Dieses Verhalten führt beim Grippe-Virus dazu, dass der Impfstoff nur eine eingeschränkte Wirksamkeit besitzt und jedes Jahr angepasst werden muss.

(RP)
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