Pflegebedürftige Eltern Was Familien bedenken sollten

Bonn · Wenn die Eltern pflegebedürftig werden, bedeutet das für die ganze Familie eine große Herausforderung. Das gilt vor allem für Familien, in denen nicht alle nah beieinander wohnen. Ganz wichtig ist dann das Gespräch miteinander.

Die Pflegestufen im Überblick
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Foto: dapd

Wenn eines Tages der Zeitpunkt gekommen ist, dass die Eltern pflegebedürftig sind, ist das für die ganze Familie belastend - sowohl emotional als auch organisatorisch. Erschwerend hinzu kommt, dass viele Familien nicht in der Nähe zueinander wohnen. Neben den Fragen nach einer geeigneten Einrichtung muss dann auch geklärt werden, wo die Eltern künftig wohnen werden - nah bei den Kindern? Oder in ihrem gewohnten Umfeld? Dabei kommt es natürlich immer auf den Einzelfall an. Aber mit ein paar Anregungen von Experten lassen sich die wichtigsten Fragen etwas leichter klären.

"So lange derjenige noch Wünsche äußern kann, sollte es nach dem Willen des Betroffenen gehen", sagt Christine Sowinski vom Kuratorium Deutsche Altershilfe. So sieht es auch Ralph Schliewenz vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Er ist der Meinung, dass ältere Menschen sich meist in ihrem gewohnten Umfeld besser aufgehoben fühlen - eine bekannte Umgebung und soziale Kontakte sind Argumente dafür. "Einen alten Baum verpflanzt man nicht - da ist schon was dran."

Grundsätzlich gilt: "Wichtig ist, dass es ein Ort ist, wo man jemanden hat, der einen begleitet", sagt Jeanette Kritzel, Pflegeberaterin beim Deutschen Roten Kreuz. Denn was nütze einem die schönste Einrichtung, wenn niemand zu Besuch kommt und man im Alltag auf sich alleine gestellt ist? Über weite Entfernungen wie zum Beispiel die von München nach Bremen seien etwa vier Besuche im Jahr realistisch. Natürlich könne man zusätzlich telefonieren oder sich schreiben, sagt Kritzel. Sie meint aber: "Die gegenseitige Bedeutung für den Alltag lässt sich über so eine Distanz kaum aufrecht erhalten." Dann wäre also wichtig, dass jemand anderes vor Ort ist, der sich auch im Alltag kümmern kann.

Grundsätzlich ist es wichtig, miteinander zu sprechen und sich auszutauschen. Sowinski empfiehlt, einen Hauptansprechpartner in der Familie zu bestimmen, an den sich dann zum Beispiel Arzt und Einrichtung wenden können. Sonst gehen unter Umständen Informationen verloren. "Der hält dann alle auf dem Laufenden und darf natürlich auch Aufgaben an die anderen abgeben." Am Anfang sollte man versuchen, alle Geschwister zu beteiligen. "Wenn jemand nicht mitzieht, sollte man denjenigen nach einer Weile auch in Ruhe lassen, sonst macht man sich nur noch mehr Stress", rät Sowinski.

Oft kochen in einer solchen Situation auch alte Konflikte wieder hoch - das Gerechtigkeitsempfinden unter Geschwistern ist oft sehr ausgeprägt, und meist will niemand das Gefühl haben, am meisten zu machen. Wenn die Situation eskaliert, empfiehlt Sowinski eine Mediation in Anspruch zu nehmen, um die Situation im Interesse der Eltern zu klären.

Derjenige ist zwar meist prädestiniert, sich zu kümmern, meint Schliewenz. "Von einer Selbstverständlichkeit darf man aber nicht ausgehen." Wer sich kümmert, sollten die Geschwister miteinander im Gespräch klären - auch, ob sich unter Umständen ein Ausgleich anbietet: "Wenn einer eher Zeit investieren kann oder durch räumliche Nähe präsenter sein kann, kann ein finanzieller Ausgleich sinnvoll sein", sagt Schliewenz. Kritzel betont: Derjenige, der es sich zutraut und der es auch möchte, sollte die Betreuung übernehmen.

In dem Fall sollten die Angehörigen sich unbedingt Hilfe holen und beraten lassen, rät Kritzel. Etwa bei der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft, in Pflegestützpunkten oder bei gemeinnützigen Trägern wie dem DRK. Laut Schliewenz sollte man sich nach spezialisierten Anbietern umsehen. Und es sei in so einem Fall noch wichtiger, den Betroffenen in seinem gewohnten Umfeld zu lassen: "Sonst verliert er vielleicht das letzte Bisschen Orientierung." Sowinski empfiehlt, bei der Wahl der Einrichtung auf ein gutes Beschäftigungsangebot zu achten. "Bei Demenz spielt Langeweile oft eine große Rolle", erklärt sie. Das müssten gar keine großen Ausflüge sein, sondern besser etwas, was in der gewohnten Umgebung stattfindet und Spaß macht.

Im besten Fall hat die Familie sich schon früh über eine solche Situation ausgetauscht und kennt dadurch die Wünsche der Betroffenen. Doch das ist längst nicht immer der Fall, weiß Kritzel. "Oft geht dann alles sehr schnell, und man hat als Angehöriger gar nicht die Zeit, sich das lange zu überlegen." Sowinski rät für einen solchen Fall: "Wenn man nichts besprochen hat, sollte man sich drei, vier Einrichtungen anschauen, dann bekommt man ein Gefühl, was infrage kommt." Sie plädiert dafür, die Eltern in diesem Fall in die Nähe eines der Kinder zu holen. "Dann sind häufige Besuche möglich."

(dpa)
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