Krankenversicherungen im Check Was Kassenpatienten zu hören bekommen

Berlin · Dem Patientenbeauftragten der Regierung, Karl-Josef Laumann (CDU), ist bei der Vorstellung eines Jahresberichts die Hutschnur geplatzt. Über manche Praktiken der Ärzte zeigte er sich schockiert. Die Kassen will er mehr kontrollieren.

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Foto: dpa, Patrick Pleul

Viele Krankenkassen setzen Fallmanager ein, wenn ihre Versicherten über Wochen erkranken. So lange diese Fallmanager Arzttermine vermitteln oder Tipps geben, welche Krankenhäuser auf welchen Gebieten einen guten Ruf haben, können sie den Versicherten willkommen sein. Doch von April 2013 bis März 2014 meldeten sich bei der Unabhängigen Patientenberatung mehr als 1300 Versicherte, die schlechte Erfahrungen mit ihren Fallmanagern gemacht haben. "Warum wollen Sie nicht arbeiten gehen?", "Welche Medikamente nehmen Sie?", "Dann reißen Sie sich halt zusammen!" - diese und ähnliche Fragen und Aufforderungen hörten insbesondere Patienten mit psychischen Erkrankungen, erklärte der Geschäftsführer der Unabhängigen Beratung, Sebastian Schmidt-Kaehler, der in Berlin seinen Jahresbericht vorstellte.

Die Unabhängige Patientenberatung wurde 2006 gegründet und wird aus Mitteln der Krankenkassen finanziert. Bislang standen für die Arbeit von 75 Beratern in 21 Stellen und über Telefon-Hotlines in den drei Sprachen Deutsch, Türkisch und Russisch jährlich fünf Millionen Euro zur Verfügung. Durch das neue Krankenkassenfinanzierungsgesetz werden es neun Millionen Euro sein. Wegen der hohen Nachfrage hätten in der Vergangenheit nur 40 Prozent aller eingehenden Anrufe bearbeitet werden können, betonte Schmidt-Kaehler.

Einmal pro Jahr stellt die Unabhängige Patientenberatung gemeinsam mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung ihren Monitor vor. Darin ist ausgewertet, was den Kassenpatienten in Deutschland Kummer bereitet. Gestern ging es um eine Quintessenz aus 80 000 Beratungsfällen. Die meisten Gespräche drehten sich um die Ansprüche der Versicherten gegenüber den Kassen, wie beispielsweise beim Krankengeld. Da der Umgang der Kassen mit Langzeiterkrankten auch schon im vergangenen Jahr bemängelt wurde, kündigte der Patientenbeauftragte Karl-Josef Laumann (CDU) nun Gespräche mit den Kassen an. Noch in diesem Jahr will er der Öffentlichkeit Fortschritte bei dem Thema präsentieren können.

Der Spitzenverband der Krankenkassen verwies darauf, dass die Ausgaben für Krankengeld von 6,02 Milliarden Euro im Jahr 2007 auf 9,75 Milliarden Euro im Jahr 2013 gestiegen seien. Noch "bestehende Schwächen" wolle man identifizieren und beheben, sagte der Vorstand des Spitzenverbands der gesetzlichen Kassen, Gernot Kiefer.

Weitere Themen, mit denen sich die Patientenberater immer wieder befassen müssen, sind Patientenrechte, Geldforderungen von Ärzten und allgemeine Bitten um Hilfe zur Krankheits- und Lebensbewältigung. Die gestiegene Nachfrage nach Patientenberatung führt Schmidt-Kaehler nicht unbedingt auf mehr Missstände zurück. Die Patienten seien "mündiger, mutiger und selbstbewusster" geworden, sagt er. So würden mittlerweile auch immer häufiger Angebote der Ärzte oder zu hohe Kostenvoranschläge von Zahnärzten bemängelt.

"Es hat mich geschockt, dass es Ärzte gibt, die Patienten nur ins Wartezimmer lassen, wenn diese auch Igel-Leistungen nehmen", sagte Laumann. "Igel" steht für eine "individuelle Gesundheitsleistung", die von Kassenpatienten selbst gezahlt werden muss. Laumann betonte zugleich, dass die Vorwürfe zwar nicht auf alle Ärzte und Krankenkassen zuträfen, dass aber den schwarzen Schafen das Handwerk gelegt werden müsse.

Die häufigsten Klagen der Patienten, dass sie sich von dem Igel-Angebot in Arztpraxen überrumpelt fühlen, kam zu den Sonderleistungen der Glaukom-Erkennung, die Augenärzte anbieten, und zur Knochendichte-Messung, die Orthopäden können. Im Konflikt mit Ärzten und Krankenhäusern sind Patienten auch, wenn sie einen Kunstfehler vermuten. Immer wieder geht es um die Herausgabe der Krankenakte, worauf Patienten ein Anrecht haben. Auch die Frage, ob sich Patienten eine Zweitmeinung einholen dürfen und die Verweigerung von Leistungen durch Ärzte führen zu Streit.

Nicht immer sind die Fälle, in denen Patienten sich beschweren, eindeutig zu lösen. So kommt es auch vor, wie eine Patientenberaterin schilderte, dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) donnerstags beim Langzeitkranken anruft, für Freitag einen Arzttermin vereinbart und der Betroffene für Montag wieder gesundgeschrieben wird - ohne Rücksprache mit seinem eigenen Arzt. Grundsätzlich darf der MDK Krankschreibungen überprüfen und sollte dies mit Blick auf die Kosten für die Allgemeinheit auch tun. Allerdings stellen die Patientenberater infrage, dass eine solche Terminierung in Ordnung ist. In solchen Fällen raten sie zum Widerspruch.

(qua)
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