Schwerer Schaden droht Wege aus der Schnarchhölle

Essen (RP). Wer regelmäßig schnarcht und sogar Atemaussetzer hat, droht gesundheitlich schwer Schaden zu nehmen. Neben dem Besuch im Schlaflabor ist eine endoskopische Untersuchung beim HNO-Arzt sinnvoll. Danach lassen sich gute Therapiemöglichkeiten entwickeln.

Zehn Tipps: Der gesunde Schlaf
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Foto: Shutterstock/baranq

Für sie ist es die gewohnte Plage. Er weiß von nichts. Sie sieht am Morgen zermürbt aus. Er hat das Schlafzimmer abgeholzt und guckt verärgert, weil sie wieder mault: "Du hast geschnarcht wie ein Sägewerk". Es ist seit Jahren das gleiche Geräusch. Rrrr -- tzzz -- rrrr -- tzzz.

Jede Nacht. Wenn er dazu noch "Krnck" macht, bekommt sie es mit der Angst zu tun: Er atmet nicht mehr. Etwas in seinem Hals scheint verschlossen -- bis er plötzlich, nach vielen Sekunden Atemstillstand, einen Schnaufer macht, der dem Lärm eines Walrosses vergleichbar ist. Er atmet weiter. Bald wird sich diese heftige Sequenz wiederholen.

"Dieser Patient schnarcht nicht nur, er hat ein Schlaf-Apnoe-Syndrom", sagt Professor Jürgen Lamprecht, Chefarzt für HNO-Heilkunde am Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen. Das Obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS) ist gefürchtet, und die Folgen nicht nur für die Gesundheit sind gravierend.

Mediziner schätzen, dass zahllose Verkehrsunfälle auf jene Tagesmüdigkeit zurückzuführen sind, die das OSAS hervorruft. Jedes Schnarchen ist eine Verengung der Luftwege, bei der sich der Luftstrom an einem Punkt bricht und lärmende Schwingungen hervorruft.

Es gibt Schnarcher, bei denen das völlig harmlos ist, und solche, die nachts von ihrem eigenen Schnarchen dauernd beinahe geweckt werden. Auch bei ihnen zischt das Stresshormonfeuerwerk durch die Aufwachreaktionen merklich. Diese Schnarcher leiden am so genannten "Upper Airway Resistance Syndrome".

Wie Apnoiker haben sie oft Bluthochdruck und ein höheres Risiko, Herzinfarkte oder Schlaganfälle zu erleiden. Generell gilt: "Die Patienten werden nachts von ihrem eigenen Schnarchen gestört, kriegen es aber nicht mit, weil sie das Schnarchen nicht bewusst erleben", verrät Wolfgang Wirtz, pneumologischer Oberarzt am Schlaflabor des Mönchengladbacher Kamillianer-Krankenhaus.

"Sie rutschen in ein flacheres Schlafstadium, ohne es zu merken." Bedenklich finden jedoch alle schweren Schnarcher die Nebenwirkung Impotenz, weiß Lamprecht: "Bei dieser Prognose fühlen sich Männer alarmiert."


Wo genau schnarcht der Schnarcher? Wo lärmt es in seinem Hals? Am Gaumensegel? An den Mandeln? Im Zungengrund? Wie sieht es aus, wenn der Krach im Hals, in dem 30 Muskelpaare aktiv sind, produziert wird? Um das herauszufinden, machen Lamprechts Ärzte (wie andere HNO-Ärzte auch) eine geistreiche Untersuchung: Mit einem dünnen Endoskop gleiten sie durch ein Nasenloch und fahren an der Rachenwand entlang in den Hals -- und auf dem Monitor kann der Untersucher alles in schönster Herrlichkeit sehen.

Heute steuert Oberarzt Alexander Park das Endoskop mit einer Art Joystick durch die hohlen Gassen seines Patienten Karl-Heinz Weichsner (63). Er sieht den Weichgaumen, den die Lunge beim Atmen schier in die Rachenwand einsaugt, er sieht das knatternde Segel, und er ahnt, dass der Patient als Nebenbefund einen Reflux hat: Magensaft, der im Liegen die Speiseröhre zurückläuft und auch im Hals Spuren hinterlässt. Die Endoskopie ist gründlich, die Bilder sind scharf.

Herr Weichsner findet die Untersuchung kaum beeindruckend, er ist aus diagnostischen Gründen gezwungen, sie zu verschlafen. Das ist der Trick der Propofol-Somno-Endoskopie (PSE). Lamprecht: "Der Patient bekommt ein leichtes Narkotikum, und gleich setzt sein Schnarchen ein. Das können wir in unserer Simulation gut beobachten." Und überlegen, wo die Therapie ansetzt.

Bei dem einen hilft eine vom Zahnarzt angefertigte Schiene, die den Unterkiefer vorschiebt. Dem anderen helfen Weichgaumen-Implantate in Form kleiner Kunststoffstifte; HNO-Ärzte können Gewebe per Radiofrequenztherapie verkochen und durch Vernarbung straffer machen, können lasern oder hinderliche Mandeln entfernen.

Schiefe Nasenscheidewände lassen sich chirurgisch richten, was den Luftstrom kanalisiert; ohnedies ist bei vielen Schnarchern die Nasenatmung behindert (durch vergrößerte Nasenmuscheln oder Allergien). Viele verstärken ihr Schnarchen durch den Trichter des offenen Mundes, durch den sie atmen. Darum beklagen sie morgens einen auffällig trockenen Mund.

Auch andere Rezepte können das Schnarchen mindern. Wenn übergewichtige Schnarcher abnehmen, reduziert sich auch überschüssiges Fettgewebe im Schlund. Alkohol ist reines Gift für sie. Manchen hilft es bereits, wenn sie sich einen Squash- oder Tennisball auf den Rücken pflastern -- Schnarcher und Apnoiker leiden besonders in Rückenlage. Wer regelmäßig trainiert, findet Hilfe im "Face Former", einer Art Lippen-Zungen-Gymnastikgerät.

Von Dogmatismus ist Lamprecht weit entfernt: "Wer heilt, hat recht." Doch viele Patienten, die sich vor allem in höherem Alter vom immer robusteren Schnarchen trennen wollen, kommen um einen Eingriff nicht herum. Oder um eine Überdruckmaske. Bei Patienten mit OSAS ist sie längst das Mittel der Wahl, indem der Überdruck-Luftstrom einen offenen Weg durch den Schlund schient. Die einen lieben die Maske, andere hassen sie. Es ist, wie alles, eine Frage des Leidensdrucks.

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