Psychische Probleme spielen wachsene Rolle Depressionen häufig Grund für frühe Rente

München · Immer mehr Arbeitnehmer gehen wegen einer psychischen Erkrankung vorzeitig in Rente. 2010 mussten sich bundesweit fast 71.000 Männer und Frauen wegen seelischer Störungen vor Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren in den Ruhestand verabschieden.

Daran erkennt man eine postpartale Depression
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Daran erkennt man eine postpartale Depression

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Foto: TK

2009 waren es noch knapp 64.500, die deshalb erstmals eine Erwerbsminderungsrente bekamen. Dies geht aus neuen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) hervor.

Depressionen oder Angststörungen haben sich nach Angaben der DRV in den vergangenen zehn Jahren zum Hauptgrund für das unfreiwillige vorzeitige Ausscheiden aus dem Berufsleben entwickelt. Sie verursachten 2010 bereits 39,3 Prozent der etwa 181.000 Fälle von verminderter Erwerbsfähigkeit. Erst an zweiter Stelle folgen Schwierigkeiten mit Skelett und Muskeln, gefolgt von Herz- und Kreislauferkrankungen.

Der Ernstfall tritt dabei immer früher ein: 1980 waren alle erwerbs- und berufsunfähigen Neurentner im Durchschnitt 56 Jahre alt. Heute sind sie laut Bericht etwas über 50, und diejenigen mit psychischen Störungen sind sogar noch jünger, nämlich im Schnitt 48,3 Jahre. Gut 43 Prozent aller Anträge auf eine Erwerbsminderungsrente werden aber abgelehnt, egal welche Krankheiten dafür angegeben wurden.

Inwieweit der Anstieg bei seelischen Leiden mit der Zunahme von Stress im Berufsleben zusammenhängt, ist laut Zeitungsbericht unklar. Die Fachleute in der Rentenversicherung sind überzeugt, dass sich vor allem die Diagnose-Gründe verschoben haben. Axel Reimann, Mitglied des Direktoriums der DRV, führt dies auf die "Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen" zurück. Über das Thema werde "offener geredet und deshalb diagnostizieren Ärzte jetzt eher psychische Ursachen von Leiden".

Hätten die Mediziner früher Rückenbeschwerden fast nur den Skelett-Erkrankungen zugerechnet, würden sie heute nach möglichen seelischen Gründen fragen und diese auch anerkennen, sagte Reimann der Zeitung. Auch die Patienten selbst hätten ihre Einstellung geändert, sagte Christiane Korsukewitz, leitende Ärztin bei der DRV Bund. "Sie sind bereit, zum Beispiel die Diagnose Depression für sich zu akzeptieren." Die Medizinerin sieht aber auch den Wandel der Arbeitswelt: "Die körperliche Belastung nimmt tendenziell ab, die psychische zu."

Der Sozialverband VdK bezeichnete die Zahlen als "alarmierend". VdK-Präsidentin Ulrike Mascher erklärte, es müsse alles getan werden, um diesen Menschen durch gezielte medizinische und berufliche Rehabilitationsmaßnahmen einen zweiten Start ins Arbeitsleben zu ermöglichen. "Das Reha-Budget darf deshalb nicht weiterhin gedeckelt oder gar gekürzt werden."

(KNA/jre)
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