Prostatakrebs, Darmkrebs und Lungenkrebs Die Darmkrebsvorsorge verliert ihren Schrecken

Wird die "virtuelle Darmspiegelung" bald Teil des Darmkrebsvorsorgeprogramms? Einiges deutet darauf hin, dass sie in Kürze in den USA von den Krankenkassen erstattet wird. Möglicherweise ist es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ebenfalls in Deutschland für jeden zugänglich ist. Auch neuartige Bluttests könnten in Zukunft eine Rolle spielen.

 Bild aus dem Darminneren im Rahmen einer virtuellen Darmspiegelung. Der Pfeil rechts im Bild markiert einenPolypen. Experten setzen darauf, dass die virtuelle Darmspiegelung die Akzeptanz der Darmkrebsvorsorgeerhöhen könnte.

Bild aus dem Darminneren im Rahmen einer virtuellen Darmspiegelung. Der Pfeil rechts im Bild markiert einenPolypen. Experten setzen darauf, dass die virtuelle Darmspiegelung die Akzeptanz der Darmkrebsvorsorgeerhöhen könnte.

Foto: WESSLING

Die Technologie der virtuellen Darmspiegelung nimmt der Darmkrebsvorsorge-Untersuchung ihren psychologischen Schrecken. Das wäre ein riesiger Fortschritt. Denn Darmkrebs gehört zu der Art von Tumorerkrankungen, die sehr gut früh erkannt und verhindert werden können. Dennoch ist die Akzeptanz der gegenwärtigen Vorsorgeuntersuchung in der Bevölkerung sehr gering. Pro Jahr nehmen nur 2,5 Prozent aller Versicherten die Früherkennung in Anspruch.

Das liegt unumstritten auch an der unangenehmen Vorstellung von dem Procedere der Untersuchung per Koloskopie. Allerdings ist sie in Deutschland die beste Möglichkeit, Darmpolypen zu erkennen und sofort zu entfernen. Studienergebnisse aus Boston zeigen, dass Patienten, die eine konventionelle Darmspiegelung kategorisch ablehnen, zu 80 Prozent der Durchführung einer virtuellen Darmspiegelung (CT-Kolonographie) zustimmen. Dabei werden per Computertomographie (CT) dünne Schichtaufnahmen in Bauch- und Rückenlage angefertigt. Spezielle Programme machen zwei- und dreidimensionale Bilder der inneren Darmoberfläche. Der Darm muss dafür entleert sein. Er wird zu Beginn der Untersuchung mit Kohlendioxid aufgeweitet. Darmkrebs entsteht bei 90 Prozent aller Fälle aus Polypen. Das sind kleine Wucherungen aus der Darmschleimhaut, die wie Pilze in den Darm hineinwachsen. Das Risiko, dass sich daraus Krebs entwickelt, nimmt grundsätzlich mit der Größe der Polypen zu. Durch die frühe Erkennung und Entfernung von gutartigen Vorstufen kann bereits verhindert werden, dass Krebs entsteht.

"Kaum ein anderes Organ ist so hervorragend für die Früherkennung geeignet wie der Dickdarm", bestätigt der Experte für Krebsbildgebung Professor Johannes Weßling, Chefarzt der Radiologie am Clemenshospital Münster. Trotz dieser Tatsache erkranken in Deutschland jährlich 69 000 Menschen neu an Darmkrebs; rund 30 000 — also fast die Hälfte — sterben daran. Darmkrebs entsteht meistens zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr.

Die Polypen wachsen in der Regel sehr langsam über einen Zeitraum von zehn Jahren. Die Verwandlung vom gutartigen zum bösartigen Tumor ist ein Wuchelängerer Prozess. Aus diesem Grund macht eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung ab 50 Jahren Sinn. Der deutlich seltenere und gefährlichere, rasenartig wachsende Polypentyp braucht etwa fünf bis sechs Jahre. "Innerhalb dieses Zeitfensters kann effektiv Darmkrebsvorsorge betrieben werden", sagt Weßling. Nicht aus jedem Darmpolypen entsteht Darmkrebs. Das Risiko nimmt jedoch deutlich zu, wenn der Polyp größer als zehn Millimeter ist. "Der ganz überwiegende Teil insbesondere der kleinen Polypen sind harmlose Schleimhautwucherungen", so der Radiologe.

Die Alternativen zur Darmspiegelung sind der Stuhltest auf Blut und eine neuere, spezifischere Variante, der sogenannte immunologische Hämoculttest. Tumore bluten häufiger als die normale Darmschleimhaut, dies kann der Stuhltest sichtbar machen. Allerdings bluten viele Tumoren auch nur zeitweise. Deshalb führt nur eine Wiederholung zu einer zuverlässigeren Erkennung. Der Test wird allen Versicherten in Deutschland zwischen dem 50. und 55. Lebensjahr und danach alle zwei Jahre als Alternative zur Darmspiegelung angeboten.

Eine dritte Möglichkeit der Früherkennung könnten in Zukunft "Biomarker oder DNA-Marker" im Stuhl oder im Blut sein. Derartige Tests sind in der Lage, bestimmte Substanzen im Blut, die nur von Darmkrebszellen gebildet werden, nachzuweisen. "Das könnte die Bereitschaft zur Früherkennung von Darmkrebs steigern und helfen, Personen mit einer erhöhten Darmkrebswahrscheinlichkeit zu identifizieren", erwartet Weßling. Auf politischer Ebene und im Rahmen des Krebsfrüherkennungsgesetzes hat der gemeinsame Bundesausschuss noch bis zum 30. April 2016 Zeit, eine Richtlinie für eine organisierte Darmkrebsfrüherkennung zu erstellen. "Aus Gründen der Qualitätssicherung sollten Früherkennungsprogramme für Darmkrebs primär bei den von der deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Darmkrebszentren angesiedelt sein und von hier aus organisiert werden", empfiehlt Weßling.

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