Gendiagnostik Kommen Lebensversicherer in Schieflage?

Gut gemeint, ist nicht gut gemacht – das Gendiagnostikgesetz will die Versicherten vor Diskriminierung schützen. Tatsächlich kann es zur Folge haben, dass viele der Lebensversicherer in Deutschland in den nächsten Jahre in eine finanzielle Schieflage geraten. Damit wäre keinem gedient.

Gut gemeint, ist nicht gut gemacht — das Gendiagnostikgesetz will die Versicherten vor Diskriminierung schützen. Tatsächlich kann es zur Folge haben, dass viele der Lebensversicherer in Deutschland in den nächsten Jahre in eine finanzielle Schieflage geraten. Damit wäre keinem gedient.

Das im Jahre 2010 in Kraft getretene Gendiagnostikgesetz schützt die Rechte der Versicherten. Darin ist geregelt, dass keinem Patienten aufgrund eines Gentests, der ein mögliches Krankheitsrisiko voraussagt, der Abschluss einer Lebensversicherung verweigert werden darf. Den Versicherungsunternehmen wird das Verbot erteilt, genetische Informationen zur individuellen Risikoabschätzung zu verwenden.

Eine Ausnahme bilden Lebensversicherungen und Berufsunfähigkeitsversicherungen mit besonders hohen Summen.

Private Lebens- und Krankenversicherer haben bisher immer die Möglichkeit gehabt, die individuelle Versicherungsprämie eines Kunden seinem Krankheitsrisiko entsprechend festzulegen. Antragssteller sind deshalb verpflichtet, Angaben zur Gesundheit wahrheitsgemäß zu tätigen. Die Versicherungswirtschaft spricht von einem "Informationsgleichgewicht zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer".

Wer nun durch einen Gentest weiß, dass er ein erhöhtes Risiko für beispielsweise eine Krebserkrankung hat, darf dem Versicherer dieses Wissen nach dem Gendiagnostikgesetz vor Vertragsabschluss verheimlichen. Menschen mit erhöhtem Risiko könnten sich nach einem Gentest gezielt absichern, befürchtet jedoch die Versicherungsbranche. "Wir haben zur Zeit rund 100 Lebensversicherer in Deutschland.

Ein Teil von ihnen kann durch solche und weitere Reglementierungen, die die bisherigen Berechnungsgrundlagen beeinflussen, in Schieflage kommen", befürchtet Privatdozent Dr. Stephan Becher vom französischen Rückversicherer SCOR mit Sitz in Köln. "Der prädiktive Gentest wirkt sich in Zukunft ganz erheblich auf die Prognose von Krankheit und Gesundheit aus", ist Becher überzeugt.

Hinzu komme, dass die aktuelle Niedrigzinsphase für die Versicherungen das Problem noch verschärfe. "Wenn es nun zu einer Verschärfung der gesetzlich legitimierten Informations- Asymmetrie kommt, dann ist das Geschäftsmodell der privaten Lebensversicherer gefährdet. Die Konsequenzen sind nicht absehbar", warnt der Experte des Rückversicherers.

Im schlimmsten Fall könnten einige Lebensversicherer die Basis ihres Geschäftsmodells und damit ihre wirtschaftliche Grundlage verlieren. Für die Versicherten könnte das ganz konkret enorme Einschnitte bei der Auszahlung ihrer Lebensversicherung bedeuten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort