Personalisierte Medizin Wer Gesundheit will, muss investieren

Die personalisierte Medizin wird von Kritikern als Marketinginstrument der Pharmaindustrie abgetan. Doch das ist falsch. Für Patienten kann eine individuell exakt zugeschnittene Therapie nur Vorteile haben. In Deutschland fehlt aber offenbar bisher der Wille, diese Chance beim Schopf zu packen.

Bei der Krebstherapie tappen die Ärzte öfter als ihnen lieb ist im Dunkeln. Der Grund: Nicht jeder Patient profitiert von einer Chemotherapie gleichermaßen. Warum das gleiche Krebsmedikament bei dem einen Patienten gut anschlägt und bei dem anderen nicht, ist oft unklar. Wüssten die Mediziner bereits vorher, ob ein Medikament bei einem Patienten wirkt oder nicht, wäre nicht nur den Schwerkranken ein großer Dienst erwiesen.

"Auch die Kosten für die Genesung des Patienten könnten drastisch reduziert werden. Viele unnötige Ausgaben aufgrund des Nichtansprechens auf ein Arzneimittel würden vermieden", sagt Harald Borrmann, Geschäftsführer von Roche Diagnostics Schweiz in Rotkreuz.

Wie nützlich personalisierte Medizin bereits heute schon sein kann, zeigt sich am Beispiel Brustkrebs. Jede fünfte am Mammakarzinom erkrankte Frau hat eine besonders aggressive Form, den sogenannten HER2-positiven Brustkrebs.

Inzwischen wissen die Mediziner, dass eine kleine genetische Variante des Enzyms CYP2D6 dazu führt, dass bei der einen Patientin die Therapie gute Wirkung zeigt, während sie bei der anderen viel schlechteren Erfolg hat. Vor allem für die weiteren Überlebenschancen ist das von großer Bedeutung.

Das Risiko, erneut an Brustkrebs zu erkranken, liegt bei denjenigen mit der ungünstigen genetischen Variante bei 50 Prozent und bei den anderen unter zehn Prozent. Für die Frauen mit der ungünstigen genetischen Variante steht heute eine personalisierte Therapie zur Verfügung.

Per Test können die HER2-Patientinnen identifiziert werden. Das Leben von Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs kann dadurch verlängert werden. Kommt die Therapie im frühen Stadium der Erkrankung zum Einsatz, ist sogar Heilung möglich. Für die Patienten bietet personalisierte Medizin nur Vorteile: Auch die Erfolgsaussichten der Therapie erhöhen sich — unerwünschte Nebenwirkungen können vermieden werden.

Erst wenn ein diagnostischer Test feststellt, ob das Erbgut des Patienten geeignete Biomarker aufweist, wird ihm das passende Präparat verordnet. "Hoffentlich wird es in wenigen Jahren deutlich mehr stratifizierte Arzneimittel-Therapien geben, die durch initiative Diagnosemarker und begleitendes Labormonitoring gesteuert werden", hofft Borrmann. Dafür wird noch viel Forschung und Geld nötig sein. "Wir brauchen mehr personalisierte Medizin, weil die Erforschung der Entstehung von Krankheiten eine riesige Herausforderung darstellt.

Wir müssen viel mehr in diagnostische Forschung investieren und Bereitschaft zu internationalen Kooperationen zeigen", fordert Borrmann. Um das Potenzial der personalisierten Medizin in Zukunft voll ausschöpfen zu können, sei auf Seiten der Forschung und Entwicklung ein hoher Investitionsbedarf erforderlich.

"Der volkwirtschaftliche Wille, Gesundheit zu fördern, sollte dabei das Leitmotiv sowohl in Deutschland als auch der Schweiz sein," stellt Borrmann fest. "Deutschland braucht einen anderen Spirit und muss den Patienten in den Mittelpunkt stellen. Außerdem ist ein tragfähiges Präventionsgesetz unbedingt erforderlich", fordert er.

Was ist personalisierte Medizin?

Mit personalisierter Medizin können Therapien individuell auf den Patienten ausgerichtet werden. Ziel ist es, die Effektivität der Behandlung zu steigern und unerwünschte Effekte zu verringern oder ganz zu vermeiden. Denn trotz des medizinischen Fortschritts haben viele therapeutische Maßnahmen heute noch erhebliche Nebenwirkungen. Die Folge davon ist eine hohe finanzielle Belastung für das deutsche Gesundheitssystem.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort