Psychologie So krank macht Beziehungsstress

Düsseldorf · Ein Wort gibt das andere und schon ist Beziehungstress angesagt. Das ist nicht nur nervtötend, sondern verkürzt sogar die Lebenserwartung. Welche Krankheiten drohen, weil sie immer zickt oder er dauernd herumpoltert, lesen Sie hier.

 Stress in der Beziehung ist nicht nur nervtötend, sondern belastet die Gesundheit.

Stress in der Beziehung ist nicht nur nervtötend, sondern belastet die Gesundheit.

Foto: Shutterstock/wavebreakmedia

Es beginnt mit ein bisschen Nörgeln und steigert sich bis hin zu belehrenden Hinweisen. Später gipfelt der Partnerstreit in abwertenden Bemerkungen gegenüber dem anderen. Dass so ein Verhalten verletzt, ist klar. Was viele nicht wissen: Es macht auch krank.

Judith Benninghoff ist Psychotherapeutin in Düsseldorf. Sie hat täglich mit Paaren zu tun, bei denen die Fetzen fliegen. "Oft sind es Übergangssituationen von einer Lebensphase in eine andere. Das kann die Geburt eines Kindes sein, der Auszug eines Kindes oder die Rente", sagt Benninghoff. In solchen Situationen macht sich gern die große Leere breit, man fühlt sich nutzlos oder zu wenig beachtet — all das kann Anlass für häufigere Streitereien sein. "Ebenso aber auch belastende Arbeitssituationen. Wenn ein Partner viel reisen muss und der andere hat das Gefühl, die ganze Arbeit im privaten Umfeld bleibe an ihm hängen", so formuliert die Düsseldorfer Paartherapeutin typische Problemfelder, die in Beziehungen häufig zu Stress und Gezanke führen.

Dabei zeige sich, dass Stress in der Beziehung nicht nur nervtötend und belastend ist, sondern krank macht. So sehr sogar, dass er das Leben verkürzt. Wie eng Körper und Seele miteinander verbunden sind, hat mancher schon am eigenen Leib erfahren müssen, der sich nach Beziehungsstress mit Magenkrämpfen quälte. Neben Magen-Darm-Attacken zählen Rückenschmerzen und Depressionen zu den häufigsten Reaktionen. Schon lange weiß man aus der Psychosomatikforschung, dass Stress die Wahrscheinlichkeit für seelische Erkrankungen erhöht: "Angsterkrankungen, Depressionen und die Neigung zu Suchtverhalten treten in Folge dessen gehäuft auf", sagt die Düsseldorfer Psychotherapeutin.

Trouble in Partnerschaft kann Sterberisiko verdoppeln

Dänische Forscher haben Hinweise darauf gefunden, dass Beziehungsknatsch das Sterberisiko sogar mehr als verdoppeln kann. Sie untersuchten dazu die Wirkung von stressigen Beziehungen in Wirkung auf gesundheitliche Aspekte und werteten in einer Langzeitstudie über elf Jahre hinweg Fragebögen von beinahe 10.000 Männern und Frauen aus. Dabei zeigte sich: Besonders hoch ist das Risiko bei Männern und das vor allem dann, wenn zusätzliche Stressfaktoren wie Arbeitslosigkeit hinzukommen.

Wenig überraschend auch: Stress belastet vor allem das Herz. Eine Studie des Karolinska Instituts in Stockholm zeigte, dass vor allem Frauen, die in der Partnerschaft unter Dauerstrom stehen, ein hohes Risiko für eine Verengung der Herzkranzgefäße und für Herzinfarkte haben. Doch die Liste der körperlichen Erkrankungen, die Störungen oder Abbrüche von Beziehungen mit sich bringen können, ist laut Harald Gündel, Leiter der Klinik für Psychosomatische Medizin am Uniklinikum Ulm, länger als mancher wahr haben mag: "Chronische Schmerzerkrankungen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Muskelverspannungen zählen auch dazu."

Kurt Hahlweg, Psychologe sowie Psychotherapeut an der Technischen Universität Braunschweig, interessiert sich seit vielen Jahren für Unzufriedenheit in der Partnerschaft und hat auch ihre Auswirkungen untersucht. "Bei Paaren mit Beziehungsproblemen ist das Risiko, an einer psychischen Störung wie einer Abhängigkeitserkrankung, einer affektiven oder einer Angststörung zu erkranken, um das zwei- bis dreifache erhöht." Typische Nebenwirkungen von Beziehungskrach sei zudem hoher Blutdruck und eine stärkere Adrenalin- und Cortisol-Ausschüttung. Ist beispielsweise der Cortisol-Spiegel dauerhaft hoch, nehmen Krankheiten wie Depressionen, Burnout oder das Fatigue-Syndrom und möglicherweise sogar Krebs zu. Dabei gilt: Je schneller der Cortisol-Spiegel fällt, desto besser ist das für die Gesundheit. Sinkt er nur langsam, kann das ein Krankheitsanzeichen sein.

Wie aber ist es möglich, dass Knatsch mit der Liebsten zu handfesten Gesundheitsproblemen wie Magenschmerzen und Herzproblemen führen kann? Der Psychosomatiker Gündel erklärt es: "Ausgehend vom limbischen System — netzwerkartig aufgebauten Hirnstrukturen — werden weitere biologische Reaktionen im Hypothalamus und im Hirnstamm angestoßen. Das kann zum Beispiel das Ausschütten von Stresshormonen sein, das weitere Reaktionen in Gang setzt."

Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf Paarstress

Wie stark die gesundheitlichen Konsequenzen sind, ist nicht nur abhängig von der Häufigkeit des Gezankes, sondern auch von den Persönlichkeitsmerkmalen des Einzelnen. Hinzu kommen unterschiedliche Reaktionen auf belastende Ereignisse. Sie sind eng verknüpft mit den unterschiedlichen Erwartungshaltungen, die Männer oder Frauen an Beziehungen richten. "Frauen ist es oft wichtiger zu reden, gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen oder auszugehen", sagt Benninghoff. "Das entspricht der Erwartung von Männern gar nicht und schon ist der Stress vorprogrammiert."

Vorsicht also, wenn der Partner plötzlich schweigsam wird und in sich gekehrt scheint. Auf diese Weise zeigt sich laut Paartherapeutin Benninghoff Beziehungsstress oft äußerlich bei Männern. Aus ihrer Praxis weiß sie, dass Männer besonders oft "mit Rücken- und Nackenschmerzen oder sexueller Dysfunktion" reagieren. Frauen hingegen bekommen Magenprobleme oder Schlafstörungen. Was auffällt: Oftmals schildern die betroffenen Paare zwar ihre Unzufriedenheit und den Stress in der Beziehung, doch sehen sie meist den Zusammenhang zu den körperlichen Symptomen nicht.

Wer sich davor wappnen will, der sollte an der Kommunikation arbeiten, sagt die Düsseldorfer Therapeutin. "Sie sollte offen sein und so gestaltet werden, dass jeder sein Anliegen vortragen kann." Außerdem empfiehlt sie, sich regelmäßig zu gemeinsamen Unternehmungen zu verabreden und Paarzeit miteinander zu verbringen. "Gemeinsame Zeit ist dabei nicht, wenn einer vor dem Computer sitzt und der andere die Spülmaschine ausräumt", sagt Benninghoff.

(wat)
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