Fotos Blick in den angstfreien Operationssaal
Ob Not-Operation oder geplant, ein solcher Eingriff bedeutet für die Betroffenen eine angsterfüllte Ausnahmesituation. Viele fühlen sich ausgeliefert, haben Angst vor dem Kontrollverlust oder davor, nie wieder zu erwachen. Mit innovativer Technik und Einfühlungsvermögen wird ihnen im angstfreien OP begegnet.
In der Klinik am Park in Lünen arbeitet man an dem Projekt "Angstfreier Operationssaal", für den unter anderem in Zusammenarbeit mit der Carl Zeiss AG eine 3-D-Videobrille entwickelt wurde, über die die Patienten an jedem beliebigen Ort mobiles Kino sehen können.
Wohltuenede Massage statt langes Warten auf die OP
Mit zu dem Konzept des "Angstfreien OPs" gehört auch ein Massagesessel, der vor einem Eingriff gekoppelt mit Musik und beruhigen Bildern- oder Lichteffekten den Patienten entspannen soll. Während die Patienten Nacken, Arme, Beine und Rücken wie in einem Wellnesshotel massiert bekommen, können sie sich auch für eine Fantasiereise entscheiden. Die entspannende Atmosphäre hilft. Die Mediziner konnten beobachten, dass sowohl der Einsatz von Beruhigungs- als auch Schlaf- und Narkosemitteln zurückging.
Durchatmen und sammeln statt Todesangst
Studien belegen, dass Patienten bei einer herkömmlichen Operation bereits vor dem Setzen der Zugänge, über die später Medikamente und Narkosemittel in die Blutbahn gebracht werden, ähnliche Empfindungen haben wie Menschen, die vor einer Folter stehen. In Lünen hat es sich das Team rund um den Chef der Anästhesie Dr. Holger Sauer zum Ziel gemacht, die Patienten mit ihren Ängsten ernst zu nehmen und einen OP zu entwerfen, der mit warmen Farben, beruhigen Düften und Bildern so positiv auf die Psyche der Betroffenen wirkt.
Meist gewählter OP-Film ist "Avatar"
Für den zukunftsweisenden OP wurden selbst Apparaturen entworfen, die den flexiblen Gebrauch der Videobrille ermöglichen und somit jede Lagerung des Patienten auch mit Filmbrille ermöglichen. Eingang finden diese Entwicklungen auch in das "Krankenhaus der Zukunft", welches das Fraunhofer-Institut in Duisburg entwickelt.
Beliebtester OP-Film ist der Science-Fiction-Streifen Avatar. Ruhige Naturfilme werden im Schnitt weniger gerne ausgewählt. Besser kommen aufregendere Filmangebote wie ein Autorennen vom Nürburgring an. Die Mediziner erklären das damit, dass sich die Patienten in einer aufgeregteren Stimmung befinden, in der man nicht mit einem ruhigen Film wie übergestülpt Ruhe erzwingen könne.
Nebenwirkungen reduziert - Platzangst verschwindet
Das Angebot wird gut angenommen. Mittlerweile wird in 50 Prozent der Fälle auf eine Vollnarkose verzichtet. Damit sinken auch Nebenwirkungen wie Verwirrheitszustände, die sich tief in das Angstgedächtnis von Patienten eingraben können. Auch die Zahl postoperativer Zwischenfälle wird damit geringer.
Zum Einsatz kommt die Methode aus Audio-, Video und Duftreizen auch vermehrt bei Orthopädischen Behandlungen. Unangenehme Geräusche wie der Einsatz einer Motorsäge bei Gelenkersatzoperationen werden durch andere, positiv geprägte Eindrücke ersetzt.
Vorteile sehen die Mediziner auch bei Eingriffen wie Schulteroperationen, die das teilweise Verhüllen des Gesichts notwendig machen. Durch die Videobrille, über die die Patienten eine rund zwei Meter entfernte Leinwand simuliert bekommt, gibt es keine Platzangst-Probleme mehr.
Amputation mit Videobrille
Selbst Amputationen finden unter der positiven Wirkung der neuen Methode nur mit einer Teilnarkose statt. Alleine die Tatsache, als Mensch ernst genommen zu werden und in einer scheinbar ausweglosen Lage noch Wahl- und Mitbestimmungsmöglichkeiten zu haben, wirkt nachhaltig und positiv auf die Psyche. Die Zukunft hält noch einiges bereit: In Lünen will man an einer Suggestionsbrille für Menschen mit Angststörungen arbeiten. Außerdem denkt man dort über interaktive Angebote für jüngere Patienten nach. Geforscht wird dort auch an dem Einsatz von Lichtimpulsen, die auf die geschlossenen Augen geschickt werden und ähnlich wirken wie eine Hypnose.
Um die Beobachtungen, die die Klinik seit Jahren macht statistisch zu erfassen und auszuwerten, sollen Kooperationen mit größeren Krankenhäusern innerhalb von NRW, weiteren Bundesländern, aber auch dem europäischen Ausland starten.