Die wichtigsten Antworten Depression - Wie Sie einen guten Therapeuten finden

Düsseldorf · Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Problemen der Deutschen. Dennoch finden viele keine oder nur unangemessene Hilfe. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Psychiaterin Dr. Roth-Sackenheim, welche Ursachen Depressionen haben, welche Alarmsignale es gibt und woran man einen guten Therapeuten erkennt.

 Dr. Christa Roth-Sackenheim ist Neurologin und Psychiaterin in Andernach und Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Psychiater (BVDP).

Dr. Christa Roth-Sackenheim ist Neurologin und Psychiaterin in Andernach und Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Psychiater (BVDP).

Foto: Dr. Christa Roth-Sackenheim

Frau Dr. Roth-Sackenheim, Depressionen sind so weit verbreitet, dass sie als Volkskrankheit gelten. Laut Studien leidet jeder fünfte Deutsche ein Mal im Leben an einer Depression. Was sind die Ursachen für eine solche Phase?

Roth-Sackenheim: Die Ursachen für Depressionen sind vielfältig, aber im Grunde sprechen wir von vier Hauptsäulen. Die erste und sehr große ist die genetische Veranlagung. Hinweise darauf sind etwa episodisches Auftreten von Depressionen, eventuell auch der Wechsel zu manischen, also überglücklichen Phasen. Und natürlich die Frage danach, ob andere Familienmitglieder ebenfalls unter Depressionen leiden oder litten beziehungsweise es bereits zu Suiziden in der Familie gekommen ist.

Und die anderen Säulen?

Roth-Sackenheim: Eine weitere sehr wichtige Säule sind schlimme Erfahrungen in der Kindheit, etwa Gewalt, sexueller Missbrauch oder auch seelische Vernachlässigung, die später zu Depressionen führen können. Natürlich, und das ist die dritte Säule, können solche Erfahrungen auch dann zu depressiven Phasen führen, wenn sie im Erwachsenenalter gemacht werden. Die vierte Hauptursache sind körperliche Hintergründe. Bestimmte Medikamente für Bluthochdruck oder Schilddrüsenerkrankungen, können beispielsweise zu Depressionen führen.

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Depressionen oft erst sehr spät erkannt werden, und zwar sowohl vom Betroffenen, als auch von Ärzten. Woran liegt das?

Roth-Sackenheim: Sehen Sie, wenn Sie Kopfschmerzen haben, dann gehen Sie zum Arzt und sagen "da tut es weh". Bei einer Depression merkt man aber zunächst einfach nur, dass man schlapp ist, sich abgespannt fühlt, vielleicht schlecht schläft. Viele denken dann erst einmal, sie bräuchten einfach Vitamine oder so etwas, denn die meisten haben ja kein Konzept davon, wie Depressionen diagnostiziert werden. Teilweise stellt das ja sogar die Fachwelt vor eine schwierige Aufgabe.

Wie meinen Sie das?

Roth-Sackenheim: Nun ja, das Problem ist, dass sich Depressionen bei jedem individuell äußern. Sehr große Unterschiede gibt es vor allem zwischen Männern und Frauen. Die meisten Menschen denken ja, bei Depressionen ist man niedergeschlagen und lustlos, aber wie Studien zeigen, ist das bei Männern ganz anders. Wenn sie depressiv sind, ziehen sie sich eher nicht zurück, sondern sie werden oftmals aggressiv, auch gegenüber Familie und Freunden. Viele greifen auch zu Alkohol. Das ist die so genannte "male depression" also "männliche Depression", nur das weiß eben kaum jemand, deswegen ist hier auch die Suizidrate viel höher als bei Frauen.

Gibt es denn so etwas wie ein allgemeines Warnsignal, an dem Menschen erkennen können, dass sie vermutlich an einer Depression leiden und Hilfe brauchen?

Roth-Sackenheim: Das sind ganz eindeutig Suizid-Gedanken. Wenn sie aufkommen, sollten man sich unbedingt Hilfe suchen. Die Schwierigkeit bei Depression ist ja, dass die Betroffenen erstmal nicht das Gefühl haben, dass ihre Wahrnehmung sich verändert. Tatsächlich nehmen sie aber Dinge anders wahr. Vor allem haben sie extrem viele Schuldgefühle, auch schon bei kleinen Dingen.

Nun hat eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung gezeigt, dass viele Menschen mit Depressionen nur unzureichend versorgt werden. Da ist zum einen von sehr langen Wartezeiten die Rede, aber auch davon, dass Patienten nicht die richtige Behandlung bekommen.

Roth-Sackenheim: Also, was die Wartezeiten angeht ist das so eine Sache. Grundsätzlich kann ich sagen, dass wir hier in Deutschland ein sehr gutes Angebot an kassenfinanzierten Therapien gegen Depressionen haben. Das andere ist, dass es natürlich Wartezeiten auf Therapieplätze gibt. Dabei muss man aber bedenken, dass es unterschiedliche Formen der Depression gibt. Und gerade bei den leichteren Formen ist es zwar sicherlich unangenehm für den Patienten, nicht direkt Hilfe zu bekommen, medizinisch gesehen droht aber keine Gefahr. Bei schweren Fällen kann ich Ihnen sagen, entstehen überhaupt keine Wartezeiten. Also wenn jemand kurz vor dem Suizid steht, sich nicht mehr wäscht und nicht mehr isst, oder arbeitsunfähig geworden ist, dann bekommt er sofort einen Platz bei einem Psychiater.

Weiter heißt es in der Studie, dass viele Betroffene nicht angemessen behandelt werden. Die größte Schwierigkeit für Betroffene ist hier ja, dass vermutlich die wenigsten erkennen können, ob eine Behandlung für sie gut ist. Woran erkennt man denn einen guten Therapeuten?

Roth-Sackenheim: Schwierig wird es, wenn ein Therapeut meint, der Patient müsse auf seine Methode passen. Wenn er also keine Therapievorschläge macht, sondern einfach sagt, "Sie sind viel zu nett, das müssen Sie ändern", oder "das liegt an Ihrer Kindheit", oder so etwas. Also, immer wenn das Gefühl aufkommt, ich bekomme nur noch erklärt, warum ich dieses Problem habe, oder der Therapeut festlegt, dass der Patient nur Psychoanalayse braucht, oder nur Verhaltenstherapie ohne darüber zu sprechen - dann würde ich einen Wechsel empfehlen.

Und was ist im Umkehrschluss ein gutes Therapieangebot?

Roth-Sackenheim: Der Therapeut sollte die Symptome mit dem Patienten besprechen, und mit ihm besprechen, welches therapeutische Verfahren sinnvoll ist. Grundsätzlich hat die so genannte interpersonelle Therapie gute Ergebnisse gezeigt. Das ist eine Form der Kurzzeittherapie, bei der gemeinsam mit dem Patienten untersucht wird, was während der depressiven Phase passiert, wie er sich verändert und dabei auch biografische Ansätze integriert. Außerdem ist die Psychoedukation, also das Aufklären über die Krankheit gerade bei Depressiven besonders wichtig, weil ein Hauptsymptom extrem große Schuldgefühle sind. Patienten müssen also verstehen lernen, dass sie nichts dafür können, und es viele andere genau so betrifft.

Sollten Psychopharmaka bei der Therapie zum Einsatz kommen?

Roth-Sackenheim: Bei schweren Depressionen sollten sie daher auf jeden Fall gegeben werden. Ob sie dann lang- oder kurzfristig genommen werden, muss in Absprache mit dem behandelnden Arzt geklärt werden.

Das Gespräch führte Susanne Hamann.

(ham)
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