Depressionen Warum Meditation gegen einen Rückfall hilft

Oxford · Mit der Diagnose einer Depression steht für viele Menschen die Sorge im Raum, Antidepressiva nehmen zu müssen. Hoffnung gibt nun eine britische Studie, laut der auch eine alternative, chemiefreie Therapie helfen kann, die keine Nebenwirkungen mit sich bringt.

Spezielle Mentaltechniken schützen laut Studien ebenso gut vor einem depressiven Rückfall wie Medikamente.

Spezielle Mentaltechniken schützen laut Studien ebenso gut vor einem depressiven Rückfall wie Medikamente.

Foto: Shutterstock/fotorince

Von vier Depressiven werden trotz Therapie drei Betroffene rückfällig. Mit jedem Rückfall steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die düsteren Schatten immer häufiger auf das Leben der Patienten legen. Schwer depressiven Menschen mit Meditation statt mit Antidepressiva helfen zu können, das klingt vor diesem Hintergrund zu sanft, um wahr zu sein. Verschiedene Studien, darunter eine aktuelle aus Großbritannien allerdings kommen zu dem Ergebnis, dass eine spezielle Form der Meditation, die sich "Mindfulness-Based-Cognitive-Therapie" (MBCT) nennt, ebenso erfolgreich vor depressiven Rückfällen schützen soll, wie Antidepressiva.

Mentaltrainung versus Antidepressiva

Über zwei Jahre hinweg begleitete ein Team von Wissenschaftlern um Dr. Willem Kuyken mehr als 420 Menschen. Dabei verglichen sie die Wirkung von MBCT in Kombination mit einer Verhaltenstherapie mit einer medikamentösen Behandlung. Die Hälfte der Versuchsteilnehmer nahm Antidepressiva ein, die andere führte spezielle Formen der Meditation durch. Dazu trafen sie sich zu einigen gemeinsamen Sitzungen, in denen sie Achtsamkeitsübungen erlernten.

Diese sollten sie auch täglich zu Hause durchführen. Ergänzt wurde die pillenfreie Therapie durch kognitives Verhaltenstraining. Regelmäßig ermittelten die Forscher der Universität Oxford in Befragungen, den Gemütszustand aller Patienten.

Kern des vielversprechenden Mentaltrainings sind Atem- und Achtsamkeitsübungen und bewusste Körperwahrnehmungsübungen. Es geht zurück auf Zindel Segal, vom Centre for Addiction and Mental Health in Toronto. Er erfand und testete die an die buddhistische Meditation angelehnte Art der Therapie in einer Studie, die im Jahr 2010 erschien.

Das erreicht man durch das Mentaltraining

Ergänzt wird die Behandlungsart durch eine klassisch kognitive Verhaltenstherapie, die darauf abzielt, die Patienten darauf zu schulen, automatisch aufkommenden Gedanken zu erkennen und als zu sich selbst dazugehörend anzunehmen. Ziel dessen ist es, nicht in die für Depressionen übliche Grübelspirale zu geraten, die nur noch tiefer in die Erkrankung hineinführt, sondern das auszubremsen und das eigene Interesse auf angenehme Aktivitäten zu lenken. Auch Yoga ist Teil der zu Antidepressiva alternativ dastehenden Therapie. Es soll den Betroffenen dazu zu bringen, sich auf andere Dinge zu konzentrieren und so von den üblichen dunklen Gedanken abzulassen.

Das Ergebnis nach Ablauf der zwei Forschungsjahre zeigte: Im Hinblick auf die Rückfallquote schnitt das meditationsgestützte Verfahren sogar etwas besser ab als die medikamentöse Behandlung. Die Patienten, die darauf setzten, erlebten in 44 Prozent der Fälle eine weitere depressive Episode, die klassisch mit Antidepressiva behandelten Versuchsteilnehmer in 47 Prozent der Fälle.

Damit bestätigen sie eine Untersuchung der Psychologen Jacob Piet und Esben Hougaard aus dem Jahr 2011, die ebenfalls die positive Wirkung der geistig-entspannenden Übung herausstellten. "Viele Menschen haben diese Vorstellung, dass Meditation bedeutet zu sitzen und nichts zu tun", sagt Madhav Goyal, von der Abteilung für Allgemeine Innere Medizin an der Johns Hopkins University. Auch er untersuchte die Wirkung des mentalen Trainings und kam zu dem Schluss: "Aber das ist nicht wahr. Meditation ist ein aktives Training des Geistes, die das Bewusstsein erhöhen."

Konventionelle Therapie setzt auf Pillen

Das mag Menschen mit dieser psychischen Erkrankung neue Hoffnung geben. Denn bisher sieht die konventionelle Therapie häufig die langfristige Gabe von Antidepressiva vor. Oft empfehlen Ärzte die Medikamente auch nach der akuten Phase mindestens für die Dauer von zwei Jahren weiter einzunehmen.

Doch nicht alle Patienten empfinden das für sich als Königsweg. Viele wünschen sich unabhängig von Medikamenten zu sein, andere vertragen die Mittel nicht gut oder sie zeigen nicht die gewünschte Wirkung. Doch mögliche Alternativen waren bislang rar.

Was die Therapie so erfolgreich machen könnte

In einem von der Studie unabhängigen Kommentar schreibt der neuseeländische Psychologe Roger Mulder von der Otago-Universität in der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet", die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie sei vor allem für Menschen, die eine medikamentöse Behandlung nicht vertragen, eine "wirksame Alternative".

Seiner Meinung nach sei diese Art der Therapie so erfolgreich, weil die Menschen lernen, negative Gefühle und Gedanken nicht ewig wiederzukäuen, sondern sich ihrer bewusst zu werden und sie zu lösen. Dadurch können die Betroffenen selbst dazu beitragen, die Abwärtsspirale in die Depression hinein zu verhindern.

Nach einer Untersuchung der John Hopkins University aus dem Jahr 2014 können schon 30 Minuten Meditation täglich die Symptome von Angst und Depression verbessern. Auch Schmerzen und Stress ließen sich auf diese Weise nach einem Training von acht Wochen minimieren und verhalfen den Betroffenen zu mehr Lebensqualität zurück.

(wat)
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