Hashtag NotJustSad Twittern über das Leben mit Depressionen

Düsseldorf · Wenn man sich schlecht fühlt, redet man nicht darüber. Vorstellungen wie diese führen dazu, dass viele ihre Gefühle in sich hineinfressen. Besonders schlimm ist das für jene, die unter Depressionen leiden. Eine Bloggerin hat das Schweigen gebrochen. Unter dem Hashtag #notjustsad twittern Betroffene aus ihrem Leben.

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Foto: Shutterstock/Themalni

Niedergeschlagenheit, Lustlosigkeit, Müdigkeit - Gefühle wie diese gehören zwar für jeden irgendwie zum Alltag. Doch normalerweise geben sie keinen Anlass dazu, wichtige Dinge nicht zu erledigen, auch wenn es mal etwas Überwindung kostet. Für Menschen mit Depressionen jedoch ist das anders. Sie fechten täglich schwere Kämpfe mit sich selbst aus.

Wenn selbst sowas einfaches wie Abwaschen sich anfühlt als müsste man den Mount Everest hoch sprinten - ohne Sauerstoffgerät. #notjustsad

Viel braucht es nicht, dann tritt Erschöpfung auf. Körperliche Schwere. Innere Leere. Wie sich das genau anfühlt, teilen seit Anfang der Woche Betroffene auf Twitter. Unter dem Hashtag #notjustsad (mehr als traurig) beschreiben sie auf 140 Zeichen, wie der Alltag mit Depressionen aussieht. Geschaffen wurde er von der Bloggerin Jenna Shotgun. Sie postete Anfang der Woche folgenden Eintrag:

Depressionen zu haben heißt nicht traurig zu sein. Es heißt im schlimmsten Fall, sich komplett leer zu fühlen und nichts mehr zu spüren.

Der Tweet wurde über 150 Mal favorisiert und 55 Mal geteilt. Also schrieb Jenna weiter. Geradezu schonungslos ehrlich begann sie von sich zu erzählen. Von ihrer Geschichte, von ihrem Leben mit der Depression, von den Reaktionen der anderen. Von den Medikamenten.

Und dann ist da immer diese Angst, dass Therapie und Tabletten dich zu einem anderen Menschen machen als dem, den du kennst.

Seit Montag ist der Hashtag online. Innerhalb von 24 Stunden schaffte er es auf Platz eins der Twitter-Trends. Sekündlich laufen neue Tweets unter #notjustsad ein. Viele davon enthalten bewegende Selbstbeschreibungen.

Vor Einsamkeit ersticken aber keine Menschen ertragen. #NotJustSad

Sich morgens fertig machen, duschen, drauf einstellen, dass man arbeiten geht und dann beim Öffnen der Tür zu heulen anfangen. #notjustsad

Wenn dein Lieblingsessen nach Papier schmeckt #NotJustSad

In Deutschland leiden rund fünf Prozent an Depressionen. Oftmals wird die Erkrankungen jedoch erst sehr spät erkannt. Ein Grund dafür ist, dass es vielen Betroffenen schwer fällt sich mitzuteilen. Auch, weil die Reaktionen der Umwelt oft verharmlosend, bis hin zu abwertend sind.

"Lass dich mal nicht so gehen. Was sollen denn die sagen, denen es wirklich schlecht geht?" #NotJustSad

Zudem stehen die therapeutischen Möglichkeiten in Deutschland, immer wieder in der Diskussion. Kritisiert wird, dass es zu wenig Therapieplätze gibt, die Wartezeiten extrem lang sind, und nicht immer ist die angebotene Behandlung ausreichend. Wie groß jedoch das Bedürfnis danach ist, darüber zu sprechen, Gleichgesinnte zu finden und so auch Erleichterung zu erfahren, das zeigt die Welle, die #notjustsad ausgelöst hat deutlich. Oder mit den Worten Jenna Shotguns:

Dem Internet mehr erzählen als der eigenen Familie, weil man sich hier verstanden fühlt. #NotJustSad

(ham )
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