Gegen Burnout im Job Ein Plädoyer für die Pause

Düsseldorf · Termine über Termine, der Job und dann auch noch der ganze Weihnachtsstress. Eigentlich schreit die Seele nach Ruhe. Doch was machen wir, um die vielen Aufgaben zu bewältigen: erst mal ohne Pause durchschlauchen. Warum das gar nicht gut ist...

 Pause zu machen erhöht die Kreativität und sorgt für produktiveres Arbeiten.

Pause zu machen erhöht die Kreativität und sorgt für produktiveres Arbeiten.

Foto: Shutterstock/Kichigin

Jeden Mittag dasselbe Spiel: Der Kollege neben mir am Schreibtisch lässt den Griffel fallen und geht in Pause. Pause, denk ich — würde ich auch gerne machen. Geht aber nicht. So viel zu tun. Das muss alles noch weg. Diese Woche dann lieber mal Augen zu und durch, dann ist das Projekt abgeschlossen. Ohne Pause, das bringt nur eine Stunde mehr.

Die Abschaffung der Pause — Das sind die Folgen

Der Plan denkt sich schlüssig in meinem eigenen Kopf: Mehr arbeiten heißt mehr schaffen. Fast 22 Prozent der Erwerbstätigen sind laut der Maastricht Cohort Study von anhaltender Erschöpfung betroffen. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher nach der Befragung von 12.000 Beschäftigten. Und die Zahl der dauerhaft Ermatteten steigt sogar.

In Anbetracht dessen ist nicht zu verstehen, warum sich so viele gegen das Entspannen wehren. Es kann doch nicht so schwer sein, einfach mal auf die Pausentaste zu drücken.

"Na, schon wieder Pause? Und dann um 16 Uhr nach Hause! Das ist ein Leben", frotzelt ein Kollege im Vorbeigehen. Als ernsthaftes Problem identifizieren Experten diese Denke und beanstanden, dass die Pausenkultur abnehme. Wer pünktlich geht, hat die Sorge den Beinamen "Faulpelz" zu bekommen. Als arbeitsscheu zu gelten könnte manchen die Festeinstellung nach der Probezeit kosten oder die nächste Gehaltserhöhung. Ältere Mitarbeiter haben Angst, im Vergleich zu jungen Kollegen als weniger belastbar zu gelten, wenn sie zu viel pausieren.

Wer mehr arbeitet, schafft nicht mehr

Mein Gewissen empfiehlt mir darum zu bleiben. Auch am nächsten Tag mache ich die Pause durch und bleibe am Nachmittag noch ein Stündchen länger.

Stopp jetzt! Pausentaste. Irgendwas ist hier verkehrt. Was, das erklärt Diplom-Psychologin Andrea Lohmann-Haislah. Sie hat den Stressreport 2012 verfasst und arbeitet bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). "Viele meinen, sie würden durch die Pause Zeit verschwenden. Das Gegenteil ist der Fall. Pausen kosten zwar Zeit, aber sie schmälern die Arbeitsleistung nicht, sondern erhöhen sie sogar." Das belegen zahlreiche Studien: Wer zu lange ohne Pause durchschlaucht, wird unkonzentrierter, ungenauer und unkreativer.

Es ist ein Gesetz der Natur, dass Belastung nur mit dem Gegenpol Entspannung funktioniert. Alle Biosysteme funktionieren so — auch das Herz: In einem Moment zieht sich der Herzmuskel zusammen, um den Kreislauf mit frischem Blut zu versorgen. Im nächsten Moment ruht er für einen Moment, bis von der Lunge kommendes sauerstoffreiches Blut in den Vorhof einströmen kann, um dann wieder in die Hauptschlagader gepumpt zu werden. Ein Leben lang kontrahiert und ruht der Herzmuskel so in regelmäßigem Rhythmus. Dabei ist er ein Drittel der Zeit aktiv und ruht zwei Drittel.

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Das Pausenverschmähen und seine Folgen

Das Wechselspiel zwischen Arbeit und Entspannung funktioniert — wenn auch in anderen Intervallen — nach genau diesem Prinzip. Wer seine Pausen wegrationalisiert, der sorgt laut Lohmann-Haislah dafür, dass die Anforderungen überwiegen und die eignen Ressourcen ins Ungleichgewicht geraten. "Das führt das zu Stress. Dauern die Stresssituationen zu lange an, kann das krank machen", sagt die Autorin des Stressreports. Keine Pause zu haben, das hat also auch körperliche, psychosomatische oder psychische Folgen: Erkrankungen wie Kopfschmerzen, Rückenleiden, Herz-Kreislauferkrankungen, Depressionen oder Burnout sind vorprogrammiert.

Zwar lässt sich eine Weile die einbrechende Leitungsfähigkeit durch mehr Anstrengung kompensieren. Doch irgendwann läuft das Fass über. "Wenn die Ruhepausen fehlen, nimmt zum Beispiel das Verletzungsrisiko ab der zehnten Stunde deutlich zu", sagt Gerhard Blasche, Psychologe und Erholungsforscher an der Universität Passau und zeigt damit eine weitere Dimension mangelnder Ruhezeit.

Produktiv kann nur der sein, der regelmäßig müßig geht, sind sich Psychologen und Hirnforscher einig. In einer experimentellen Studie konnten sie sogar sichtbar machen, wie die Durchblutung des Zentralen Nervensystems im Gehirn abnimmt, wenn auch die Leistung abnimmt. Alles schreit also nach Pause. Einhalt. Ruhe.

Merken Sie eigentlich noch was?

Nicht von ungefähr kommt darum der Rat der Experten, zu entspannen, bevor die Konzentration nachlässt und sich Fehler einschleichen. Das aber ist nicht nur eine Frage des Wollens, sagt Erholungsforscher Blasche, sondern vor allem eine des Bemerkens. Jeder kennt Situationen, in denen er hochmotiviert bei der Sache ist, einen aktiven Part bei einer Präsentation hat oder intensiv in etwas vertieft ist und nicht spürt, wie die Power schwindet. Anzeichen dafür sind ein flacher werdender Atem, ein schnellerer Puls und sich verflüchtigende Konzentration. Laut Gerhard Blasche registrieren viele die Müdigkeit allerdings erst, wenn sie unerträglich geworden ist. Daraus resultiert: Man macht die Pause zu spät.

So auch ich. Nach ein paar Wochen hat sich das Ausfallen der Erholungszeit heimlich etabliert und ist zur Normalität geworden. Hin und wieder stoppt mal jemand an meinem Schreibtisch und fragt: "Und Stress heute, oder kommst du mit in die Kantine?" Die Fragenden alleine weiterzuschicken bestärkt mich in meinem inneren Gefühl, eine arme Wurst zu sein, dafür aber in der Zwischenzeit mehr zu schaffen.

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Foto: gms

Wer zu spät pausiert, schmälert die Wirkung der Auszeit

In Wahrheit jedoch addieren sich die fehlenden Pausen auf zu einer üblen Gesamtrechnung: Wer arbeitet, bis er nicht mehr kann, steht am Ende vollkommen unter Strom. Darunter leidet auch die Wirkung der Pause. Denn, so weiß die Forschung: Je später die Unterbrechung, desto geringer ist der Erholungseffekt. Trotz Auszeit leeren sich die Akkus zusehends. Dadurch nimmt laut BAuA-Expertin die Arbeitszufriedenheit ab und die Fähigkeit, die gestellte Arbeitslast zu bewältigen. Zudem geraten unausgeruhte Menschen schneller in Stress.

Maximal produktiv bliebe man laut der Forschungsergebnisse des Psychologen und Gedächtnisforschers K. Anders Ericsson von der Florida State University, wenn man in 90 Minuten-Intervallen arbeiten und sich dann mit einem Nickerchen für kurze Zeit im Power Napping üben. Dieses Zeitintervall kristallisierte sich bei Tests von Musikern, Athleten, Schau- und Schachspielern als das produktivste Intervall heraus. Wer in diesem 90-minütigen Leistungsintervall bleibt, beugt völliger Erschöpfung vor und schafft es, am Abend und an den Wochenenden ausreichend zu regenerieren.

Machen Sie auch unbemerkt Pause?

Es versteht sich von selbst, dass man danach nicht die Uhr stellt. Aber manchmal stellt sie unser Innerstes selbst. Das sind diese Situationen, in denen wir den Platz verlassen, etwas in der Teeküche holen, einen Kurzplausch mit dem Kollegen beginnen oder eine Toiletten- oder Raucherpause einlegen. Solche Minipausen sind sehr effektiv, denn der Erholungseffekt in den ersten fünf Minuten ist am größten.

Also: Weg mit Tastatur und Akten, einen dampfenden Tee oder Kaffee holen, bewusst den aufsteigenden Duft wahrnehmen und an den letzten Kaffeeklatsch in diesem schönen Café mit der besten Freundin denken. Das entschärft einen Arbeitstag und auch den Stress in der Vorweihnachtszeit.

(wat)
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