Düsseldorf Experten: Gegen Flugangst hilft vor allem Fliegen

Düsseldorf · Zum Ferienstart ist die Vorfreude bei vielen Reisenden getrübt. Schon simple Tricks können helfen.

 In vielen Kursen gegen Flugangst werden Simulatoren eingesetzt. Unser Bild zeigt das Cockpit eines A 320 - das ist der Typ der Unglücksmaschine.

In vielen Kursen gegen Flugangst werden Simulatoren eingesetzt. Unser Bild zeigt das Cockpit eines A 320 - das ist der Typ der Unglücksmaschine.

Foto: dpa

Für viele Menschen ist der Start in die Osterferien nicht nur überschattet von dem Absturz der Germanwings-Maschine - sie entwickeln grundsätzlich Ängste, wenn es mit dem Flugzeug in den Urlaub gehen soll. Oder eine bereits bestehende Flugangst wird so verstärkt, dass allein der Gedanke an den Ferienflieger Alpträume verursacht. Dieter Schiebel wird oft mit solchen Problemen konfrontiert. Der Flugzeugingenieur versucht in Seminaren, Menschen von ihrer Flugangst zu befreien (www.flugangst-service.de). Für diejenigen, die in den nächsten Tagen in den Flieger steigen müssen, ist das keine Hilfe. Schiebel rät aber, die Angst auf keinen Fall mit Medikamenten oder Alkohol zu verdrängen. "Lassen Sie die Angst zu, auch wenn das leicht gesagt ist", erklärt er. "Denn dann vergeht sie auch."

Wegen der zweiwöchigen Osterferien herrscht am Flughafen Düsseldorf derzeit Hochbetrieb. Zum gestrigen Start in den Urlaub registrierte der Airport rund 67 000 Passagiere sowie 600 Starts und Landungen. "Dies ist zugleich der Tag mit der höchsten Anzahl an Fluggästen in den gesamten Ferien. Zum Vergleich: An einem durchschnittlichen Tag zählt der Airport rund 60 000 Passagiere sowie 580 Starts und Landungen", sagt ein Flughafensprecher. Bis 11. April werden in Düsseldorf insgesamt 952 000 Fluggäste erwartet - zumindest ein Teil davon wird von Sorgen geplagt.

Diese Angst nicht in den Griff zu bekommen, von ihr überwältigt zu werden, das treibt davon betroffene Menschen um. Auch Rainer Plesse kennt diese Sorgen, allerdings nicht von sich selbst. Rund 45 Jahre hat er als Pilot gearbeitet und dabei etwa 25 000 Flugstunden absolviert - ohne ernsthafte Komplikationen, wie er beteuert. Ein Mensch müsste statistisch gesehen 14 000 Jahre täglich 24 Stunden lang fliegen, bevor er in einen ernsthaften Unfall verwickelt werde, rechnet der 72-Jährige vor. Plesse konfrontiert seine Seminarteilnehmer gern mit dieser Zahl, denn auch er versucht, Menschen die Angst vorm Fliegen zu nehmen. "Man muss sich dessen bewusst werden, dass diese Angst wenig mit dem Verstand, aber viel mit Gefühl zu tun hat", sagt er.

"Unrealistisch" nennt Schiebel die Angst, weil sie nicht auf tatsächlichen Umständen fußt, sondern als Kampf-/Flucht-Reflex in unseren Genen angelegt ist. Auch er hat Zahlen parat: 3,7 Milliarden Passagiere sind jedes Jahr weltweit in der Luft unterwegs; allein 200 Millionen werden in Deutschland befördert. Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls liege bei eins zu 30 Millionen. "Aber solche Zahlenspiele helfen bei einem so emotionalen Thema nur bedingt", sagt er. Was jedoch kann man tun, wenn einen die Angst im Flugzeug übermannt? Schiebel empfiehlt eine Atemtechnik: Durch die Nase rund drei Sekunden lang einatmen, durch den Mund etwa doppelt so lange ausatmen. Dies solle man mehrfach wiederholen. "Der Adrenalinspiegel darf nicht zu hoch werden, das steigert die Angst", sagt Schiebel.

Plesse rät deshalb, positive Gefühle in den Mittelpunkt zu stellen, wenn man zum Flughafen fährt. "Zum Beispiel den Grund für die Reise", sagt der Pilot. "Negative Gedanken sollte man dagegen so gut wie möglich verbannen." Einmal in der Luft, ist es laut Experten hilfreich, sich abzulenken, beispielsweise durch einen Film, Musik oder ein Hörbuch. Gerade letzteres funktioniere sehr gut, um Aufmerksamkeit zu binden. Plesse, der sein Wissen in VHS-Seminaren in Leverkusen, Köln und Gronau vermittelt (fliegentspannt.wordpress.com), empfiehlt, in Begleitung zu fliegen. Auch das wirke beruhigend.

Manchen Passagieren hilft das Wissen um die technischen Bedingungen der Fliegerei. Der Pilot Plesse hat dafür einige Leitsätze parat. Erstens: Ein Flugzeug stürzt nicht ab, auch nicht bei einem Ausfall der Triebwerke - es segelt je nach Höhe mehr als 200 Kilometer weit. In der Regel weit genug, um einen Flughafen zu erreichen. Zweitens: Turbulenzen sind unangenehm, für ein Flugzeug aber völlig ungefährlich. Drittens: Gewitter, für flugängstliche Menschen ein Horror, werden stets umflogen. Grundsätzlich belege die Nachricht, dass im Falle der Germanwings-Maschine der Copilot den Absturz offenbar willentlich herbeigeführt habe - so furchtbar das sei -, dass das Unglück keine technische Ursache hatte.

Auf keinen Fall, sagen beide Experten, solle man einen Urlaubsflug absagen oder etwa durch eine Zuganreise ersetzen. Denn das könne die Angst manifestieren. "Beim nächsten Mal steigt man dann auch nicht mehr ein", sagt Schiebel. "Das Einzige, was wirklich hilft, ist, sich der Angst auszusetzen."

(RP)
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