Psychologie Warum wir beim Happy End immer weinen müssen

Düsseldorf/Mannheim · Wir lachen, wenn ein Film lustig ist und weinen, wenn er traurig ist. Aber zu heulen wie ein Schlosshund, obwohl der Film im Happy End mündet, das ist irgendwie komisch. Trotzdem tun es sogar Männer. Warum das so ist und wie uns Weinen sogar glücklicher machen kann, lesen Sie hier.

 Anspannung beim Filmgucken kann sich — kommt das Happy End — in Freudentränen entladen.

Anspannung beim Filmgucken kann sich — kommt das Happy End — in Freudentränen entladen.

Foto: Shutterstock/Lisa S.

"Pretty Woman", "Der Club der toten Dichter" oder die Klassikschnulze "Casablanca" — die Storys sind verschieden wie sie verschiedener nicht sein können. Und doch verbindet sie eines: Sie enden alle auf eine Weise gut.

Paradox aber ist: Geht das Licht im Kino an, verlassen wir trotz Happy End mit zerdrücktem Taschentuch in der Hand verschämt den Saal. Gründe könnte es dafür viele geben. Ist es vielleicht die Erleichterung über den guten Ausgang? Vielleicht auch die Trauer darüber, dass der Film nun zu Ende ist? Tränchen können auch aus Gründen der Rührung fließen oder als Freudentränen.

Psychoanalyse: Alles nur Illusion

Für vollkommen abwegig hielt das der ungarische Psychoanalytiker Sandor Feldmann noch in den 1950er. Er verstand die überfließenden Emotionen zum Happy End als Beweis dafür, dass der Betrachter die Illusion des Films erkenne. Seine Idee: Das glückliche Ende findet nun mal nicht im realen Leben statt — Grund genug zu weinen.

Und doch gibt es sie, die direkte Verbindung zwischen Kullertränen und Glücksempfinden, fanden Forscher um Dr. Samir Gracanin von der Universität Tilburg heraus. Sie zeigten Probanden zwei rührende Filme und beobachteten sie dabei. Beim Film "Hatchiko — Eine wunderbare Freundschaft" mit Richard Gere brachen 60 Prozent der Versuchsteilnehmer in Tränen aus und bei der KZ-Tragikkomödie "Das Leben ist schön" 45 Prozent. Die zu Tränen Gerührten gaben unmittelbar nach Filmende an, trauriger als vorher zu sein. Nur zwanzig Minuten später aber hatten sie sich bereits erholt und fühlten sich eine Stunde später sogar besser als zuvor.

Heulanfall — die Hormone sind schuld

Als mögliche Erklärung für das große Glücksempfinden nach dem Tränenausbruch nannten die Wissenschaftler die Ausschüttung des Bindungshormons Oxytocin. Dieser Neurotransmitter wird normalerweise in Folge angenehmer Reize vor allem durch Körperkontakt freigesetzt.

Einen anderen Auslöser für Tränen zum Filmende schildert Dr. Annika Gieselmann, Psychologin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: Weint im Film einer der Protagonisten kann auch das beim Zuschauer die Tränen kullern lassen. Verantwortlich sind dafür Nervenzellen im Hirn Diese bringen wie ein Resonanzsystem die Stimmung anderer Menschen auch in uns selbst zum Klingen. "Man nennt diese Nervenzellen Spiegelneuronen. Dank dieser Zellen berührt uns ein Film genauso wie eine Begebenheit im wahren Leben," sagt Gieselmann.

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Doch es gibt Filmsituationen, in denen das Erklärungsmodell nicht packt: "Denken Sie an den 'Weißen Hai'", wendet Professor Jens Eder, Medienwissenschaftler der Universität Mannheim, ein. Er meint damit gleich die Anfangsszene: Ein junges Pärchen am Strand. Sie läuft den Strand entlang, wirft nach und nach mehr Kleidungsstücke ab und springt vergnügt ins Wasser. "Doch statt der Freude die das Mädchen offensichtlich empfindet, fühlt der Zuschauer etwas ganz anderes", sagt Eder. Denn der Betrachter weiß um den weißen Hai, die Todesgefahr.

Das sind die Tricks der Filmemacher

Welche Tricks Filmemacher nutzen, um bei Filmfreunden bestimmte Emotionen zu wecken, hat er genau untersucht. Gerade arbeitet er an einem Buch, in dem er genau die vier Dinge beschreibt, die dafür sorgen. Es sind audiovisuelle Formen wie Musik, Klänge, hektische Schnitte oder bedrohliche Bewegungen.

Daneben spielen die Figuren und Ereignisse des Films eine Rolle, auf die der Zuschauer reagiert. Ebenso die über den Film transportierten Botschaften und zu guter Letzt das Nachdenken über den Bezug zur Wirklichkeit und der ästhetische Blickwinkel. Er kann auch noch lange nach dem Ende des Films Freude über das Werk schüren, "wenn der Zuschauer sich zum Beispiel im Nachhinein an geschliffene Dialoge oder brillante Kameraeinstellungen erinnert und sich darüber freut", sagt Medienwissenschaftler Eder.

"Alle Ebenen spielen zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine Rolle. Der Film lenkt unsere Emotionen zum Beispiel durch die Form der Kameraeinstellung. In einer Nahaufnahme sehen wir die Mundwinkel der Protagonisten zucken. "Im anderen Fall geht die Kamera weit weg und lässt einen Menschen optisch alleine stehen", erklärt der Medienexperte. So sprechen Filme sprechen angeborene oder erlernte Reaktionstendenzen wie zum Beispiel Empathie in uns an.

Das sorgt für Freudentränen

Das befähigt uns bei Liebesdramen mit der abgewiesenen oder vergessenen Geliebten zu fühlen und uns zu freuen, wenn sie am Ende doch in die Arme des Frauenschwarms fallen kann. Was und hier packt, erklärt Medienpsychologe Frank Schneider von der Universität Mannheim: "Menschen beobachten die Charaktere des Films und bewerten sie moralisch. Dadurch bilden sie sich ein Urteil über den Helden und auch über den Bösewicht und fiebern mit. Denn das Gute soll gewinnen und das Böse verlieren."

Im Happy End gibt es die Auflösung. Sie führt entweder zu Euphorie — wenn das Gute siegt — oder zu Trauer — wenn der Protagonist verliert. "Die Anspannung, in der man zuvor war, wird abgebaut. Sie äußert sich zum Beispiel in Form von Freudentränen", sagt Schneider.

Anders kann das bei Serien wie Daily Soaps sein, die man über eine lange Zeit hinweg verfolgt hat. "Der Zuschauer baut eine besondere Beziehung zu den Protagonisten auf, die man parasoziale Beziehung nennt", erläutert Schneider. Endet die Serie, so endet auch die Beziehung. Der Zuschauer empfindet darüber Trauer und Trennungsschmerz. Da hilft auch das Happy End nicht. Die Tränen fließen trotzdem.

(wat)
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