Cybermobbing erklärt "WhatsApp braucht einen SOS-Button"

Düsseldorf · Ein Drittel aller deutschen Jugendlichen unter 18 wird Opfer von Cybermobbing. Psychisch leiden die Betroffenen oft noch Jahre unter den Attacken im Netz. Sozialpsychologin Catarina Katzer erklärt, wie Cybermobbing abläuft und warum es soviel schlimmer ist als Hänseln auf dem Schulhof.

 Ein Drittel aller Jugendlichen unter 18 sind von Cybermobbing betroffen (Symbolbild).

Ein Drittel aller Jugendlichen unter 18 sind von Cybermobbing betroffen (Symbolbild).

Foto: dpa, obe fdt

Frau Katzer viele Kinder und Jugendliche sind von Cybermobbing betroffen. Was versteht man darunter?

Catarina Katzer Beim Cybermobbing werden die sozialen Medien und das Internet benutzt, um jemanden regelmäßig und viel zu hänseln. Vor allem WhatsApp wird benutzt, indem Hass-Gruppen gebildet werden, in denen das Opfer beschimpft und klein gemacht wird. Auf Facebook werden häufig veränderte Fotos verbreitet. Bei Mädchen zum Beispiel, indem der Kopf auf ein Nacktbild gebastelt wird und darunter zu lesen ist, dass sie eine 'Bitch' (Schlampe) sein. Bei Jungs geht es mehr um das Thema Homosexualität. Manchmal wird auch ein falsches Profil im Namen des Opfers erstellt und dann peinliche Dinge veröffentlicht.

YouTube wird nicht benutzt?

Katzer Doch, immer mehr. Allerdings werden hier meist private Handyaufnahmen zusammen geschnitten, um das Opfer schlecht dastehen zu lassen.

 Catarina Katzer ist Sozialpsychologin und hat sich auf den Bereich Cyberpsychologie spezialisiert.

Catarina Katzer ist Sozialpsychologin und hat sich auf den Bereich Cyberpsychologie spezialisiert.

Foto: Catarina Katzer

Ist das Hänseln per Internet denn schlimmer, als das Hänseln auf dem Pausenhof?

Katzer Natürlich ist dieses, ich sage mal traditionelle Mobbing, auch schlimm, aber es zeigt sich immer wieder, dass Cybermobbing die Opfer wesentlich mehr belastet.

Warum?

Katzer Das Problem ist, dass es keinen Schutzraum mehr gibt. Früher wurde man auf dem Schulhof gehänselt, konnte dann aber nach der Schule ins sichere Elternhaus zurückkehren. Dort gab es eine psychische Pause beim Spielen mit echten Freunden und einfach durch die Unerreichbarkeit. Das ist heute anders. Man trägt die Täter im Smartphone immer mit sich herum. Außerdem wird eine ganz andere Öffentlichkeit erreicht.

Wie meinen Sie das?

Katzer Gerade in den sozialen Medien kann ja jeder sehen, was gepostet wird. Das bedeutet, auch die Parallelklasse weiß Bescheid, vielleicht sogar Leute von anderen Schulen und die Betroffenen fragen sich auch dauernd, ob Fremde vielleicht schon davon wissen, obwohl man sie gerade erst kennen lernt. Das verursacht ein extrem starkes Schamgefühl.

Sollten Eltern Kindern folglich lieber kein Smartphone geben?

Katzer Nein, das glaube ich nicht. Es ist sogar wichtig, dass sie ihnen das Smartphone nicht weg nehmen, wenn sie Opfer von Cybermobbing werden. Eines der größten Probleme bei der Aufdeckung ist, dass die Kinder oftmals nicht darüber reden, was ihnen passiert. Das liegt nicht unwesentlich daran, dass sie fürchten, man nimmt ihnen im Anschluss Smartphone oder Tablet weg.

Was sollten Eltern also tun?

Katzer Sie sollten ihren Kindern signalisieren, dass sie sich mit allem an sie wenden können. Es ist wichtig, dass die Kinder das Vertrauen entwickeln darüber zu reden. Gleichzeitig sollten sie ihnen aber vermitteln, dass es keine Kleinigkeit ist, wenn man im Netz drangsaliert wird.

Glauben das denn viele?

Katzer Ja. Viele meinen, dass die Beleidigungen nicht so schlimm sind, weil sie nur virtuell und nicht im realen Leben passieren. Das stimmt aber nicht.

Welche Auswirkungen hat Cybermobbing auf die Opfer?

Katzer Studien zeigen, dass rund 20 Prozent der Opfer dauerhaft Probleme davontragen. Die können psychischer Art sein oder psychosomatisch. Dauerkopfschmerzen, Magenschmerzen, zu viel essen, viel zu wenig essen, Angst vor der Schule und starker Rückzug können die Folge sein.

Wie kann man Cybermobbing entgegenwirken?

Katzer Erfahrungen aus den nordischen Ländern zeigen, dass Präventionsprogramme an Schulen sehr gute Erfolge bringen. Das enthält sowohl Aufklärungsarbeit, als auch das Einsetzen von Schüler-Scouts und Cyber-Piloten, die Schülern beim Nutzen von sozialen Medien helfen, einfach als Ansprechpartner im Notfall dienen und die den Kids erklären, wie man sich am besten verhält, wenn man Zeuge von Cybermobbing wird.

Und zwar wie?

Katzer Das beginnt bei digitaler Empathie. Die Kids müssen also lernen, aufmerksam zu beobachten, was da im Netz oder auf WhatsApp passiert und sich zu fragen, wie es dem anderen dabei wohl geht. Wird man dann Zeuge davon, dass jemand gehänselt wird, sollte man denjenigen auf jeden Fall darauf ansprechen, um ihm zu zeigen, dass er nicht alleine ist. Dass eben auch andere mitbekommen, dass dieses Verhalten nicht in Ordnung ist. Dann kann man selbst aktiv werden und den Betreiber benachrichtigen oder über Screenshots Beweismaterial sammeln. Denn das ist durch die Anonymität im Netz oft schwer zu bekommen.

Können die Betreiber etwas tun?

Katzer Ja. Nötig wäre ein SOS-Button, der gut sichtbar im Screen integriert ist und der zum einen zu einem Hilfsangebot führt, aber zum anderen vielleicht schon direkt verschiedene Daten speichert als Beweise.

(ham)
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