Charakterzüge von Managern Haben Sie das Zeug für die Chefetage?

Heilbronn/Pinneberg · Zielorientiert, hart, emotionslos – was Führungskräften nachgesagt wird, macht sie nicht gerade zu Sympathieträgern. Doch wie sind Chefs wirklich? Und sind diese Fähigkeiten angeboren oder erlernbar? Die Führungskräfte der Dax-30-Unternehmen im Charakter-Check.

 Emotionale Kälte und herausforderndes Verhalten zählen zu den dunkeln Eigenschaften von DAX30-Managern.

Emotionale Kälte und herausforderndes Verhalten zählen zu den dunkeln Eigenschaften von DAX30-Managern.

Foto: Shutterstock/lassedesignen

Zielorientiert, hart, emotionslos — was Führungskräften nachgesagt wird, macht sie nicht gerade zu Sympathieträgern. Doch wie sind Chefs wirklich? Und sind diese Fähigkeiten angeboren oder erlernbar? Die Führungskräfte der Dax-30-Unternehmen im Charakter-Check.

Sie sind prominent, sie haben Macht, und sie sind für Wohl und Wehe ihrer Unternehmen verantwortlich: Vorstandsvorsitzende bilden die Spitze der Konzernführung. Sie setzen die Strategie fest, entwickeln Visionen für die Zukunft - doch sie sind es auch, die unpopuläre Entscheidungen durchsetzen müssen, die entscheiden, ob und wie viele Mitarbeiter gehen müssen, um das Unternehmen profitabel zu halten.

Wer nicht gleich selbst ein Unternehmen gründet, dessen Weg führt meist nur durch Assessment-Center weiter nach oben. Dort werfen Karriereexperten einen schonungslosen Blick auf die Persönlichkeitsstruktur der Bewerber, scannen über Testverfahren und im Gespräch, wie die Kandidaten ticken. Wer zögerlich oder unsicher rüberkommt, fliegt raus aus der Auswahl der Besten. Aber woher kommen sie eigentlich, die Eigenschaften, die manche zum Chef machen - und andere eben nicht?

Christian Mai von der German Graduate School of Management and Law (GGS) hat in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Unternehmensführung der Universität Hohenheim unter die Lupe genommen, was die Managerpersönlichkeiten der DAX-30-Unternehmen ausmacht. In insgesamt 280 Fremdeinschätzungen kristallisierte sich ein dominanter Charaktertyp heraus.

Ehrgeizig, zielstrebig, gewissenhaft, widerstandsfähig und besonders leistungsstark - das sind die von Karriereplanern als "Big Five" bezeichneten Persönlichkeitsmerkmale, die zu den Grundeigenschaften jeder Führungskraft zählen. Sie werden ergänzt durch andere Charakterzüge, die von der Bevölkerungsmehrheit als unsympathisch wahrgenommen und auch als "dunkle Eigenschaften" bezeichnet werden: emotionale Härte zum Beispiel. "Die ist in einer gewissen Ausprägung erforderlich, weil der Manager klar den Lead übernehmen muss", sagt Christian Mai.

Ähnlich erklärt sich, weshalb Dax-30-Manager eine geringe Anpassungsfähigkeit und herausforderndes Verhalten bescheinigt werden. Ohne diese Eigenschaften wäre es kaum möglich, ein klares Profil zu entwickeln und eine Marschroute für ein ganzes Unternehmen zu kommunizieren.

Teamplayer zu sein, das ist für die Mehrzahl der Mitarbeiter im Unternehmen ein Muss - für Führungskräfte der größten Börsenunternehmen hingegen wäre es hinderlich. Stattdessen verhalten sie sich rivalisierend und herausfordernd. Wer im Strom schwimmt, kommt nicht bis zur Spitze.

Kreative Visionäre wie Apple-Gründer Steve Jobs sucht man unter den Leitwölfen deutscher Unternehmen übrigens vergebens. Auch das fand Christian Mai heraus. Eher nutzen sie die kreativen Potentiale anderer und bringen diese groß heraus.

Was zudem auffällt: An der Spitze der DAX-30-Unternehmen stehen ausschließlich Männer. Eine neue Untersuchung, in der Mai die Frauen in Führungspositionen in den Fokus nimmt, zeigt: Sie sind genauso emotional stabil, ähnlich extrovertiert und noch weniger Teamplayer als ihre männlichen Kollegen. Das ergebe sich daraus, dass Frauen in Spitzenpositionen das männliche Verhalten adaptieren und überkompensieren, sagt Mai. "Sie werden noch härter."

Solche Eigenschaften entwickeln sich nach Einschätzung der Psychologen zwischen dem 17. und 22. Geburtstag. Also lange, bevor junge Menschen eine mögliche Führungsposition überhaupt ins Visier nehmen. Sie sind als angeborene Fähigkeiten mit auf den Weg gegeben - da ist sich auch Karriereexpertin und Buchautorin Svenja Hofert sicher. Chef kann also nicht jeder.

In manchen Fällen sind einzelne Merkmale übersteigert bis ins Krankhafte: Die Fähigkeit, besonders leistungsfähig zu sein, lange durchzuhalten, in hohem Tempo zu arbeiten und schnell zwischen Aufgaben wechseln zu können, bringen beispielsweise Erwachsene mit, die unter ADHS leiden. Solche Leute als Chef zu erleben, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Forscher der Erasmus-Universität Rotterdam haben beobachtet, dass Studenten mit ADHS später mit überdurchschnittlich hoher Wahrscheinlichkeit Unternehmen gründen. Mut, Begeisterungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen sind Menschen mit dem Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndrom in die Wiege gelegt, das fanden Forscher der Christoph-Dornier-Klinik für Psychotherapie in Münster heraus. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch unaufmerksames, impulsives und sprunghaftes Verhalten, das zu Problemen in der Partnerschaft und auch im Beruf führen kann.

Narzissten, die sich selbst und ihre Fähigkeiten über alles lieben, können einem Unternehmen nicht gut tun, sagt Svenja Hofert. Ihnen fehlt die Fähigkeit, das Ganze zu betrachten, weil sie selbstgefällig auf sich selbst starren und sie ihr Geltungsbedürfnis daran hindert, gute Entscheidungen für andere zu treffen. "Auch Psychopathie korreliert mit einer niedrigen Verträglichkeit, weil so jemand nur Rücksicht nimmt, wenn es ihm selbst Vorteile bringt", sagt Hofert. Eine neue Studie aus Kanada kommt zu dem Ergebnis, dass in Chefetagen mehr Psychopathen anzutreffen sind als in der Normalbevölkerung. Im Chefsessel sitzen demnach zehn Prozent, im Bevölkerungsschnitt sei es nur ein Prozent.

Andere sehen in solchen Szenarien Einzelfälle, etwa dem cholerischen Chef, der regelmäßig aus nichtigem Anlass unter die Decke geht. Dennoch gibt es sie. "Cholerische Persönlichkeiten findet man meiner Erfahrung nach heute kaum mehr in großen Unternehmen", sagt Hofert. Sie seien typisch für kleine Firmen. Das hat nach Ansicht der Karriere-Beraterin seinen Grund: "Große Betriebe schleifen Mitarbeiter und bringen sie in gewisser Weise ein wenig in die Mitte." Um erste Stufen auf dem Weg nach oben nehmen zu können, sei es in der Regel erforderlich, angepasster zu sein. Dann erst prägen Manager-Typen ihr eigenes Profil aus und schwimmen sich frei.

Auf dem Weg dorthin lässt sich an dem ein oder anderen Merkmal noch feilen. Verhalten lässt sich zwar antrainieren und bestimmte Fähigkeiten erlernen —, doch hält sie es für fast ausgeschlossen, sie durchzuhalten, wenn sie einem nicht liegen. Authentizität, heißt also bei allem Führen-Wollen das Zauberwort. Alles andere hält man nach Auffassung der Karriereexperten nicht ein Leben lang durch. "Nach rund acht Wochen im Unternehmen bröckelt die Fassade und die meisten zeigen ihre wahre Persönlichkeit", sagt Mai.

40 Prozent ihrer Arbeitszeit verbringen Manager damit, ihre Position abzusichern und auszubauen. Daran ein Interesse zu haben, liegt im Wesen dieser Persönlichkeiten. Wer das nicht will und Machtspielchen ablehnt oder das Gros seiner Zeit nicht in der Firma verbringen will, der entscheidet damit klar, dass er für den Job "Chef sein" nicht geeignet ist. Tatsächlich kommt es häufiger vor, dass Menschen Stellen mit mehr Führungsverantwortung ablehnen - das belegt eine Umfrage des Führungskräfte Instituts aus Berlin aus dem Jahr 2012. Von 1000 Befragten entschied sich ein Viertel bewusst dagegen. Nur 26 Prozent sehen einen Aufstieg in eine Führungsposition als ihr oberstes Karriereziel an. 83 Prozent finden es spannender, sich auf ihre fachliche Verantwortung zu konzentrieren. Nur 26 Prozent räumen ihrem Job gegenüber der Familie die Pole-Position im Leben ein.

Dabei schlummert in Deutschland nach Einschätzung der Karriereexperten Mai und Hofert ein großes Potential: Viele hätten den Schneid für eine Führungsposition, lassen diese Fähigkeit aber unentdeckt in sich schlummern. Woran liegt das? "Sie wissen nicht, was sie können", sagt Mai. Entweder hätten sie sich noch nie intensiv mit ihrer eigenen Persönlichkeit auseinandergesetzt und ein Bewusstsein für Ihre Stärken entwickelt. Oder ihre Qualitäten würden — so denkt Svenja Hofert — im Unternehmen übersehen. Ihnen fehle oft das Netzwerk, das sie nach vorne bringe. Das stellt sich vor allem als weibliches Problem dar.

Obwohl die Zahl der Jobs im Spitzenmanagement begrenzt ist, arbeiten in Deutschland über vier Millionen Menschen in Führungspositionen. Auch wenn viele Angestellte über hinter vorgehaltener Hand über ihre Führungskräfte lästern: So schlecht, wie ihnen oft pauschal nachgesagt wird, sind deutsche Chefs nicht.

Denn wer an seinen Mitarbeitern vorbei entscheidet und über Leichen geht, der schafft vielleicht kurzfristig den Aufstieg in die Führungsriege, ist aber schnell wieder weg vom Fenster. "Sie kommen hoch im Unternehmen, bleiben aber nicht lange", sagt Mai. Leisten können sich das auf längere Sicht nur Interims-Manager, die zeitlich befristet eingestellt werden. Sie wickeln Insolvenzen ab, schließen Know-How-Lücken in hart konkurrierenden Firmen oder springen ein, wenn andere sich ein Sabbatical gönnen. Wenn das fokussierte Problem gelöst ist, verlassen sie das Unternehmen ohnehin wieder.

(wat)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort