Gefahr für Senioren und Singles So krank macht Einsamkeit

Düsseldorf · 16 Millionen Menschen in Deutschland leben allein. Das ist jeder Fünfte. Nicht alle haben diese Art zu leben freiwillig gewählt - besonders zur Weihnachtszeit macht sich das bemerkbar. Wem daneben schleichend die sozialen Kontakte abhanden kommen, der ist in Gefahr. Denn Einsamkeit ist ein echtes Gesundheitsrisiko.

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Tipps gegen die Einsamkeit

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Foto: dpa/Alvaro Barrientos

Ratten sind gesellige Tiere. Agil laufen sie umher, schnüffeln hier und da und fühlen sich offensichtlich pudelwohl, wenn sie einen Partner an ihrer Seite haben. Anders stellt sich das dar, wenn man die Nager isoliert. Sie werden nervös und unausgeglichen. Im Experiment zeigten Forscher der Universitäten Yale und Chicago sogar, dass sich das Krebsrisiko allein gehaltener Ratten verdreifachte. Bei Tieren, die die Krankheit bereits in sich trugen, wuchsen die Tumore wesentlich aggressiver. Als Ursache machten die Wissenschaftler Stresshormone wie Corticosteron aus, das den Körper allein gehaltener Ratten geradezu überschwemmt.

Wer sich einsm fühlt und warum

Nun sind wir glücklicherweise keine Ratten. Dennoch stellt sich die Frage, welche Auswirkungen Einsamkeit auf den menschlichen Organismus hat? Immerhin treibt sie Menschen zu extrem Handlungen. Da fällt mir etwa 82-jährige Frau ein, die eine Krankheit vortäuschte, damit sie Weihnachten im Krankenhaus sein konnte, anstatt alleine zu Hause. 2010 schrieb die in London tätige Ärztin Ishani Kar-Purkayastha in der Fachzeitschrift The Lancet über sie. Sie ist kein Einzelfall. Auch in meiner Nachbarschaft lebte ein alter Mann, bei dem regelmäßig vor Festtagen und Wochenenden der Rettungswagen vor der Tür blinkte. 16 Prozent der über 80-Jährigen sind nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes einsam. Oft ist es die mit dem Alter abnehmende Mobilität, gepaart mit Altersgebrechen, die dazu führt, dass Menschen vereinsamen.

Mit dem Computer, aber ohne Menschen

Doch auch junge Menschen leiden darunter. Zum Beispiel solche, die den Tag über im Job alles geben, engagiert zupacken und nach getaner Arbeit die Haustür hinter sich schließen, um allein zu bleiben. Und auch solche, die endlos Blogs befüllen, unzählige Stunden in sozialen Netzwerken verbringen, am Ende des Tages aber mit niemandem gesprochen haben. Einer Umfrage zufolge sitzen etwa 14 Prozent aller Singles allein unter dem Christbaum. Dennoch dürfen wir uns nicht täuschen lassen: Einsamkeit ist nicht gleichzusetzen mit sozialer Isolation. Es gibt auch die Menschen, die sich in der trubeligsten Gesellschaft einsam fühlen. Einsamkeit zeigt sich als das innere Gefühl, allein zu sein, unabhängig davon, was um uns herum ist.

Deshalb gibt es auch chronisch einsame, die es nicht schaffen neue Beziehungen und Freundschaften aufzubauen. Das sind rund 15 bis 30 Prozent der Menschen unterschiedlichen Alters, sagen Wissenschaftler aus Chicago. Beim bloßen Gefühl, bleibt es bei den meisten nicht. Die Betroffenen werden körperlich oder seelisch krank.

Einsamkeit ist schlimmer, als 15 Zigarreten pro Tag

Wem vertrauensvolle Beziehungen fehlen, der hat ein höheres Risiko depressiv zu werden. Laut einer finnischen Studie ist die Gefahr bei Singles um 80 Prozent erhöht. Alleingelassene fühlen sich zudem häufig antriebslos und müde. Schlaf finden sie dennoch oftmals nicht. Auch Nervosität und Reizbarkeit sind Symptome der Vereinsamung. Auch die Versuchsratten zeigten diese Symptome. Betroffene Menschen ziehen sich zurück und verlernen mit anderen umzugehen. In dieser Phase beginnt sich ein Teufelskreis zu schließen, der nur schwer zu durchbrechen ist. Das Gefühl der inneren Leere wird zum ständigen Begleiter. Viele versuchen dieses Loch mit Alkohol oder Medikamenten zu füllen.

Nicht nur dadurch ist Einsamkeit schädlich für die Gesundheit. Eine Längsschnittuntersuchung britischer Wissenschaftlerinnen zeigte, dass ein bedeutender Risikofaktor vom Zustand des Alleinseins an sich ausgeht. Einsamkeit ist genauso ungesund wie jeden Tag 15 Zigaretten zu rauchen und wiegt stärker als Übergewicht. Der Körper schüttet außerdem durch den psychischen Stress mehr Cortisol aus, das wiederum lässt den Blutdruck steigen und steigert das Risiko für Herzerkrankungen. Selbst das Immunsystem bleibt nicht verschont. Die Entzündungsneigung steigt, einsame Menschen werden außerdem öfter krank.

Sich vom Alleinsein erholen

Das also haben wir mit Versuchstieren wie Ratten gemeinsam: Wie sie sind wir soziale Wesen. Können wir das nicht ausleben, rebelliert unser ganzes Ich — Körper wie Seele. Doch es gibt auch eine gute Botschaft an die Einsamen: Allein zu sein, muss kein unausweichliches Schicksal sein. Dank der Arbeit der britischen Wissenschaftlerinnen ist bewiesen, dass vereinsamte Menschen sich von ihrem Zustand erholen können, wenn es gelingt, soziale Netzwerke wieder auszubauen und auch an den körperlichen und seelischen Symptomen zu arbeiten.

Wie der Weg aus Isolation und Einsamkeit gelingen kann, lesen Sie hier.

(wat)
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