Psychologie Warum ein Business-Outfit Sie schlauer macht

Düsseldorf · Wer viel Zeit vor dem Kleiderschrank verbringt, gilt als eitel. Dabei kann es von großem Vorteil sein, sich mit der Kleiderwahl Zeit zu lassen: Sie hat maßgeblichen Einfluss darauf, wie gut wir denken können.

 Mann im Anzug (Symbolbild): Wer formelle Kleidung trägt, denkt strategischer und abstrakter.

Mann im Anzug (Symbolbild): Wer formelle Kleidung trägt, denkt strategischer und abstrakter.

Foto: Shutterstock/Chaoss

Jeden Morgen die gleiche Frage: Was ziehe ich heute an? Während manche in den Fundus greifen und einfach irgendwas überziehen, können sich andere vor dem Kleiderschrank kaum entscheiden. Jeans und Pulli, oder doch lieber was Seriöseres? Trivial ist diese Frage keineswegs: Psychologen und Soziologen haben in den letzten Jahren viele Belege dafür gefunden, dass die richtige Kleiderwahl ungeahnte Auswirkungen auf unsere Emotionen, unser Selbstbild und sogar auf unser Denken hat. Menschen, die Bedacht auf ihre Äußeres legen, zeigen demnach möglicherweise ein besseres psychologisches Gespür als andere.

Wie Kleidung unser Denken manipuliert

Dass Kleider Leute machen, ist spätestens seit der gleichnamigen Novelle Gottfried Kellers kein Geheimnis mehr. Zahlreiche Studien belegen es in unterschiedlichster Art: Gut angezogene Lehrer gelten als kompetenter, die Jobchancen steigen, wenn man gut gekleidet zum Vorstellunsggespräch erscheint und Kunden kaufen lieber bei Verkäufern, die bei der Kleiderwahl Geschmack zeigen.

Noch erstaunlicher aber sind die Effekte, die unser Outfit auf uns selbst hat. Denken Sie einmal an den letzten Anlass, zu dem Sie sich so richtig in Schale geschmissen haben. Egal, ob es für ein Date war, eine besondere Veranstaltung oder ein Vorstellungsgespräch — können Sie sich an das Gefühl erinnern? Ihre Art, sich zu bewegen?

"Es gibt viele Studien, die zeigen, dass wir uns in Abhängigkeit von unserer Kleidung sogar anders verhalten", sagt der Bremer Sozialpsychologe Ulrich Kühnen. Er hat erforscht, welche Auswirkungen die Kleiderwahl auf das Selbstbild hat. Das Ergebnis einer ersten Untersuchung: "Männer und Frauen in formeller Kleidung ordneten sich in einem Computertest eher Begriffe wie gepflegt, strategisch, akkurat oder pünktlich zu. Sie beschrieben sich also rationaler", sagt er. Die, die im Freizeitlook gekommen waren, versahen sich hingegen mit Attributen wie tolerant, emotional oder unbekümmert.

Arztkittel macht schlauer

Wie verblüffend die Effekte auf das Verhalten sind, fanden die Psychologen Adam Galinsky und Hajo Adam heraus. Sie steckten ihre Versuchsteilnehmer in weiße Laborkittel und ließen sie Aufgaben lösen. Die Probanden im Kittel waren dabei deutlich aufmerksamer als die Teilnehmer, die ihre eigene Kleidung trugen. Sie machten nur halb so viele Fehler. Das brachte die Forscher dazu, die Versuchssituation zuzuspitzen: Nun teilten sie zwei Gruppen ein. Die erste zog die Kittel an und bekam suggeriert, es handele sich um einen Arztkittel, die zweite Gruppe trug ihn in der Annahme, es sei ein Malerkittel.

Nachfolgend wartete eine Aufgabe auf alle, bei der auf beinahe identischen Bildern kleine Fehler gefunden werden mussten. Das deutliche Ergebnis: Die Arztkittelgruppe fand nicht nur auffallend mehr Fehler auf als die Malergruppe, sondern auch deutlich schneller. Wie kann das sein? "Erstere assoziierten den weißen Kittel mit wissenschaftlichem Denken, bei dem es darauf ankommt, sehr genau auf Details zu achten", erklärt Sozialpsychologe Kühnen. Sie schlüpften nicht nur in die besondere Kleidung, sondern unbewusst auch in die damit verbundene Identität.

Weniger leistungsfähig in Relax-Kleidung

Das ist den meisten gar nicht fremd: Schon als Kinder schlüpften viele in Kostüme und fühlten sich stark wie ein Ritter oder unbesiegbar wie Superman. Dieser Effekt ist laut Kühnen selbst bei Erwachsenen zu beobachten: "Menschen, die ein Superman-T-Shirt tragen, fühlen sich fitter als andere." Der Fit- und Schlau-Effekt von Arztkittel und Superheldenkostüm funktioniert allerdings auch andersherum: Schluffige Klamotten versetzen uns in einen Relax-Modus, in dem das Denken auch gehemmter ist. Daraus folgt: Wer sich auf wichtige Dinge vorbereitet, sollte den Bequemlook ablegen.

Wie anders Menschen denken, wenn Sie einen Anzug oder ein Kostüm tragen, zeigte Abarahm Rutchick von der der California State University. Er kam zu dem Schluss, dass Personen im Business-Outfit abstrakter und in größeren Zusammenhängen denken als solche, die sich lässig kleiden. Je formeller der Look, desto besser gelang es ihnen, abstrakte Prozesse zu verstehen. Sie verzettelten sich deutlich weniger in Detailfragen.

Während ein Anzug oder Kostüm eher das Gefühl von Macht und Bedeutsamkeit vermitteln, zeigte Psychologin Barbara Fredrickson den gegenteiligen Effekt. Sie ließ Frauen in einer Umkleide einen Badeanzug anziehen. Dort sollten sie dann vor einem Spiegel Rechenaufgaben lösen. Eine andere Gruppe löste unter gleichen Bedingungen die Aufgaben — allerdings bekleidet mit einem Rollkragenpullover. Wen wundert es: Die Frauen in Badebekleidung schnitten auffallend schlechter ab. Die Erklärung der Forscherin: Frauen lernen meist im Verlauf der Sozialisierung, sich als Objekt der Begierde zu sehen. Müssen sie wie in dieser experimentellen Situation nackte Haut zeigen, sind sie auf den eigenen Körper fokussiert und sind kognitiv eingeschränkt.

Auch die Körperhaltung hat einen großen Einfluss auf unser Denken. Wenn Sie mehr darüber wissen möchten, lesen Sie hier weiter.

(wat)
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