Psychologie Werden wir unseren Eltern mit der Zeit immer ähnlicher?

Düsseldorf · Der Kommentar "Du bist wie deine Mutter" sorgt nicht unbedingt für Begeisterung. Werden wir unseren Eltern mit der Zeit wirklich immer ähnlicher? Und wenn ja, kann man was dagegen tun?

Von außen betrachtet ist die Ähnlichkeit da. Ich habe blonde Haare und mandelförmige Augen wie mein Vater, schmale Lippen wie meine Mutter. Ich habe ihre Gesichtsform und selbst ihren kleinen Zeh. Ähnlichkeiten zu den Eltern lassen sich nicht leugnen. Logisch. Schließlich stecken sie in den Genen. Aber wie ist es beim Verhalten? Steckt das auch in den Genen?

Kann Verhalten in den Genen stecken?

"Ein bisschen schon", sagt Peter Zimmermann, Entwicklungspsychologe von der Bergischen Universität Wuppertal. Noch allerdings kennt man nur einige Zusammenhänge. Zwei Gene, die Einfluss auf unser Verhalten nehmen können, haben beispielsweise US-Wissenschaftler entschlüsselt. Sie nennen sich Serotonin-Transporter-Gene. Diese bestimmen, wie schnell man emotional reagiert. Sind beispielsweise die beiden ererbten Gen-Varianten kürzer, zeigt die entsprechende Person eher starke Gefühle. Im positiven wie negativen Sinne. Im Gegensatz dazu sind die Reaktionen von Menschen gemäßigt, die zwei lange Serotonin-Transporter-Gene in sich tragen.

Auch mit den entsprechenden von meinen Eltern geerbten Genen, erklärt Zimmermann, ist mein Verhalten aber dennoch nicht vorbestimmt. "Eine solch genetische Vorprägung gibt lediglich eine Reaktionstendenz vor", sagt Zimmermann. Wie man sich also tatsächlich entwickelt, hängt von diversen Faktoren ab. "Wir werden durch Erfahrung beeinflusst, durch Eltern, Erzieher, Freunde und viele weitere Umwelteinflüsse."

Politische Anschauung und Fahrstil kommt oft von den Eltern

Dennoch lässt sich der elterliche Einfluss nicht wegdiskutieren. So zeigen zahlreiche Studien, dass es Ähnlichkeiten zwischen Kindern und ihren Eltern gibt, die auf Erlerntes zurückgehen. "Man sieht sie in der politischen Einstellungen, der Fürsorge und Erziehung der eigenen Kinder und selbst im Fahrstil", sagt Zimmermann. Und wie ist es mit all den Marotten unserer Eltern, die wir in Jugendjahren als peinlich empfinden, manchmal sogar noch als Erwachsene?

Nach etwas Einwirkzeit müssen die meisten in der Mitte ihres Lebens feststellen, dass wir ausgerechnet solche Dinge gerne einmal übernehmen: Konservatives Denken zum Beispiel, oder die Eigenschaft, lieber auf Nummer sicher zu gehen. Oder trotz aller Partylust und Weltenbummelei auch der Gedanke an ein Häuschen auf dem Lande und eine Familie.

Wann Ähnlichkeiten zu Tage treten

"Am stärksten nimmt man solche Übereinstimmungen zu den Eltern wahr, wenn man die Planung für das Leben in die eigenen Hände nimmt", sagt Zimmermann. Der Start in die Berufstätigkeit oder die Erziehung der eigenen Kinder sind Zeitpunkte, zu denen man gerne inne hält und der Partner feststellt: "Du bist wie…". Der Grund: "Man steckt in ähnlichen Entwicklungsaufgaben und nimmt die Ähnlichkeiten darum besonders wahr", sagt Zimmermann.

Plötzlich muss man selbst arbeiten oder Kinder erziehen. "Das, was einen mit 20 selbst noch furchtbar an den Eltern genervt hat, kann mit 40 eine positive Wertigkeit haben", sagt Alexandra Miethner vom Berufsverband Deutscher Psychologen. Veränderungen im eigenen Leben führen dazu.

Besonders in Situationen, in denen man emotional ist oder schnell handeln muss, greift man auf von Eltern erlernte Reaktionsmuster zurück. Genau dann nämlich ist es vorteilhaft, auf neuronale Verbindungen zurückzugreifen, die breit ausgefahren wie eine Autobahn im Hirn vorhanden sind. Die Psychologie nennt diese Reaktionsmuster "automatisierte Handlungen". Sie sind hoch effektiv, weil sie unsere Ressourcen schonen und uns in die Lage versetzen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun.

Gemeine Falle: das automatisierte Handeln

Nachteil: Automatisiertes Handeln passiert auch da, wo wir uns eher nicht wünschen würden. Ein Beispiel dafür: Im eigenen Elternhaus gab es keine Streitkultur. Probleme wurden nicht ausgesprochen, sondern unter den Teppich gekehrt. Kommt es nun in der eigenen Partnerschaft zu Streit, ergibt sich eine emotionale Stresssituation. In dieser greift man automatisiert auf das im Elternhaus erlernte Muster zurück.

Solches "Selbstläuferverhalten" abzulegen, ist schwer, sagt Miethner. Aber es sei nicht unmöglich. Ihr Rat: Sich mit alternativem Verhalten immer wieder bewusst für den neuen "Trampelpfad" entscheiden, bis dieser irgendwann breiter ist als die Autobahn der automatisierten Handlungen. Ähnlich schwierig ist das Ablegen von tief verinnerlichten Glaubenssätzen wie "Du bist doch die Ältere, also sei vernünftig" oder "Sei härter im Nehmen". Wer solche Sätze in der Familie oft hört, verinnerlich sie und handelt danach. "Sie wirken dann wie ein innerer Antreiber und prägen das Verhalten mitunter sehr, sagt Miethner. Doch lassen sie sich mit Geduld und Ausdauer durch andere Werte überschreiben.

Was man tun muss, um anders zu werden

Um allerdings Veränderungen in die Tat umzusetzen, ist es nötig zu verstehen, warum man selbst so gereizt auf Aussagen wie "Du bist so stur wie dein Vater" reagiert. "Was genau ist so schlimm daran, stur zu sein?", fragt Miethner. Mit vielen Eigenschaften, die auf den ersten Blick nachteilig seien, seien oft auch positive Verhaltensweisen verbunden. Darum empfiehlt die Psychologin zu überprüfen, ob das entsprechende Verhalten wirklich so negativ sei. "Stur zu sein bedeute nämlich zugleich hartnäckig zu sein und sich nicht leicht von seinem Weg abbringen zu lassen", sagt sie. Wenn man sich selbst mit einem solchen Verhalten nicht identifiziere, sei es nötig, alternative Handlungsideen zu entwickeln. Von heute auf morgen gehen solche Veränderungen nicht vonstatten. Der positive Ausblick jedoch: Erstens sind wir viel stärker in der Lage, uns zu verändern, als wir denken. Und zweitens: Auch wenn im Alter die Neigung abnimmt, sich zu verändern, ist es möglich, wenn es einem das Wert ist. Denn Langzeitstudien zeigen: Persönlichkeitsmerkmale verändern sich nicht nur in jungen Jahren.

(wat)
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