An Weihnachten das Gespräch meiden Alkoholproblem in der Familie

Hamm · Schnell ein Schnäpschen am geöffneten Kühlschrank kippen, sich selbst doppelt so oft nachschenken wie dem anderen - die Symptome einer Alkoholabhängigkeit bei einem Verwandten zu beobachten, ist selten so leicht wie an Weihnachten. Dann gilt aber erst mal: Mund halten.

Fünf Fragen zu Alkoholproblemen
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Foto: Endermann, Andreas

Weihnachten ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür, ein Familienmitglied auf sein Alkoholproblem anzusprechen. Wer bereits seit längerer Zeit vermutet, dass zum Beispiel der Vater süchtig ist, sollte das Trinkverhalten an den Feiertagen zurückhaltend beobachten, sagt Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), dem dpa-Themendienst. Denn die Weihnachtszeit im Kreis der Familie sei für viele Abhängige eine besondere Herausforderung. "Die Situation ist denkbar ungeeignet. Da ist oft die ganze Familie drumherum - das führt ja nur zu den klassischen Streitgesprächen."

Besser sei es, an den Weihnachtstagen zunächst nur eine Art Erste Hilfe zu leisten. Dazu zähle zum Beispiel, einem Betrunkenen niemals nachzuschenken. Man müsse ja nicht mit dem erhobenen Zeigefinger tadeln, sagt Gaßmann. "Aber man sollte ihn auch nicht von sich aus weiter versorgen." In geselliger Runde leicht dahergesagte Sprüche wie "Ach, trink doch noch Einen" sollten in Gegenwart eines Süchtigen nicht fallen. Außerdem sollten auch die Verwandten selbst nicht zu viel oder noch besser gar keinen Alkohol trinken, rät Gaßmann. Sonst biete man dem Abhängigen in der späteren Diskussion die Gelegenheit, die eigenen Argumente zu entkräften: "Du warst ja Weihnachten auch nicht mehr nüchtern."

Zur Diskussion über das Problem biete sich zum Beispiel das nächste Wiedersehen an, sagte Gaßmann. Am sinnvollsten sei es, den Betroffenen unter vier Augen anzusprechen. Dabei gilt: Das Ich kommt besser an als das Du. Das bedeutet: Der Satz "Du hast ein Problem" versetzt den Süchtigen schnell in eine Abwehrhaltung. "Ich mache mir Sorgen" klingt dagegen weniger nach Vorwurf oder Unterstellung. Einen Verwandten selbst von der Abhängigkeit zu lösen, schätzt der Experte als aussichtslos ein. Der Betroffene sollte sich an den Hausarzt oder eine Beratungsstelle wenden.

(dpa/anch)
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