Neue Richtlinie gilt Baby-Ultraschall — fieberhafte Suche nach Fehlbildungen

Bonn · Schwangere haben künftig Anspruch auf einen speziellen Ultraschall, der das Ungeborene schon sehr frühzeitig auf Fehlbildungen – wie einen offenen Bauch oder verformte Hirnkammern hin untersucht. Seit Montag gilt die neue Mutterschaftsrichtlinie, die das Screening im Verglich zu anderen europäischen Ländern in Deutschland verbessern soll.

Neue Richtlinie gilt: Baby-Ultraschall — fieberhafte Suche nach Fehlbildungen
Foto: TK

Schwangere haben künftig Anspruch auf einen speziellen Ultraschall, der das Ungeborene schon sehr frühzeitig auf Fehlbildungen — wie einen offenen Bauch oder verformte Hirnkammern hin untersucht. Seit Montag gilt die neue Mutterschaftsrichtlinie, die das Screening im Verglich zu anderen europäischen Ländern in Deutschland verbessern soll.

Manche Fehlbildungen am Körper der Feten sind in der frühen Schwangerschaft schon gut zu sehen. Dem will die neue Mutterschaftsrichtlinie Rechnung tragen, die seit Montag Gültigkeit hat und auf Wunsch eine erweiterte Ultraschalluntersuchung für alle Schwangeren zwischen der 19. Und 22. Schwangerschaftswoche vorsieht.

Mit dem Schallkopf untersuchen Pränataldiagnostiker oder besonders qualifizierte Gynäkologen, ob das Ungeborene einen verformten Kopf hat, die Hirnkammern Fehlbildungen aufweisen und ob das Kleinhirn sichtbar ist. Außerdem scannen sie den Körper des winzigen Kindes auf Anomalien an Hals und Rücken sowie des Herzens. Sie fahnden nach Auffälligkeiten am Magen oder der Harnblase, die in dieser Zeit ihre Tätigkeit aufnimmt und beginnt den ersten Urin zu bilden. Zudem schauen sie nach, ob die vordere Bauchwand des Ungeborenen geschlossen ist und das Herz rhythmisch schlägt.

Basis-Untersuchung — alles wie bisher

Neben dieser ausführlicheren Untersuchung haben die Schwangeren weiterhin die Möglichkeit, sich für die bisher ausschließlich durchgeführte Basis-Ultraschall-Untersuchung. Sie sind Teil der drei Ultraschall-Screenings während der Schwangerschaft. Nach einem ersten Ultraschall zwischen der neunten und zwölften Schwangerschaftswoche wird bei der Basischeck zwischen der 19 und 22. Woche die Größe von Kopf und Bauch des Kindes gemessen, ebenso die Länge des Oberschenkelknochens, informiert der Berufsverband der Frauenärzte. Diese Maße geben Rückschluss darauf, ob eine Fehlentwicklung oder Entwicklungsverzögerung vorliegt. Außerdem schauen die Gynäkologen nach der Position des Mutterkuchens. Sitzt die Plazenta tief, kann sie den Muttermund verdecken. Das schließt eine vaginale Geburt aus.

So klein wie eine Tomate

Zu Zeitpunkt dieser Untersuchung ist das Kind nicht größer als eine Tomate und wiegt gerade einmal 140 Gramm. Würde es jetzt geboren, wäre es nicht lebensfähig. Dennoch sieht es im Schutz der Gebärmutter schon aus wie ein richtiger kleiner Mensch: Die ersten Haare wachsen auf dem Kopf, im Zahnfleisch bilden sich die Zähne. Die werdende Mutter spürt seine ersten Bewegungen. Im Hirn des Feten beginnen rasante Entwicklungen: die Sinneswahrnehmungen bilden sich aus. Das Kind kann hören und beginnt Geräusche außerhalb der Gebärmutter wahrzunehmen. In dieser kritischen Entwicklungszeit will man nun in Deutschland Mutter und Kind noch umfassender betreuen.

Deutschland hinkt hinter europäischen Maßstäben her

Denn Experten, wie die der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM), sahen Verbesserungsbedarf. Deutschland bleibe im Vergleich mit anderen europäischen Ländern beim Schwangerschafts-Screening zurück, so die Kritik. "Wir erreichen bei Weitem nicht die Anforderungen, die in anderen europäischen Ländern für eine Untersuchung auf fetale Fehlbildungen in der 20. Woche gelten", sagt Prof. Dr. Annegret Geipel, Leiterin der Pränatalen Medizin am Universitätsklinikum Bonn und DEGUM-Sprecherin.

Denn eine genaue Organdiagnostik ist in Deutschland nur vorgesehen, wenn beim üblichen Basisultraschall Auffälligkeiten sichtbar werden. Gibt es Anzeichen für Fehlentwicklungen, wird beim Pränataldiagnostiker zusätzlich das Gesicht des Föten, die Extremitäten und die Hauptschlagader am Herzen untersucht. "Das Spektrum der angeborenen Fehlbildungen ist groß, aber die Häufigkeit bestimmter Anomalien gering. Deshalb sind die meisten Frauenärzte mit den verschiedenen fetalen Erkrankungen kaum vertraut und können sie folglich schwer identifizieren", sagt Prof. Geipel.

Eine vorgeburtliche Diagnostik kann für das Ungeborene lebensrettend sein, denn so Geipel weiter: "Patienten mit schweren angeborenen Herzfehlern etwa müssten direkt nach der Geburt in einer kinderkardiologischen Klinik betreut und oftmals direkt operiert werden."

(wat)
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