Gesundheitsgefahr Sectio Diese Krankheiten bekommen Kaiserschnitt-Kinder schneller

Düsseldorf · Kaiserschnitt-Geburten sind in Mode, schonen sie doch die Haut und ersparen der Mutter die größten Schmerzen. Doch das hat seinen Preis: Kaiserschnitt-Geborene haben unter anderem ein höheres Risiko für Leukämie, Diabetes und Asthma. Das ergab eine Langzeituntersuchung über 35 Jahre. Was Mütter wissen müssen.

 Asthma, Leukämie, Immundefekte — die Liste der Krankheiten, die Kaiserschnitt-Kinder häufiger haben, ist lang.

Asthma, Leukämie, Immundefekte — die Liste der Krankheiten, die Kaiserschnitt-Kinder häufiger haben, ist lang.

Foto: Shutterstock/Steve Lovegrove

Egal, auf welche Art und Weise ein Baby das Licht der Welt erblickt — ob durch eine vaginale Geburt oder einen Kaiserschnitt — immer steht dabei eines im Vordergrund: Die Gesundheit des Kindes. Eine neue Studie könnte da allerdings ein Umdenken in den Fällen bewirken, in denen ein Kaiserschnitt ohne medizinische Notwendigkeit vorgenommen wird. Denn per Schnitt geborene Kinder stehen bezogen auf ihre Gesundheit offenbar deutlich schlechter da. Fast jede dritte Entbindung in Deutschland erfolgt operativ durch die Bauchdecke der Mutter.

Dabei ist die Liste der Erkrankungen lang, die laut einer dänischen Langzeitstudie nicht die Mutter, sondern ihr Kind abhängig von der Geburtsart erwarten. Darunter sind Volkskrankheiten wie Allergien und Asthma, aber auch weit gefürchtetere Erkrankungen wie Immundefekte oder Leukämie.

Mehr Kaiserschnitte und mehr Immunkrankheiten

Anlass für die Untersuchung der Forscher ist die Zunahme von Immunerkrankungen zu denen Asthma aber auch entzündlichen Darmerkrankungen und Typ-1-Diabetes gehören. Da in den westlichen Ländern in den letzten Jahrzehnten nicht nur die Zahl dieser Erkrankungen angestiegen ist, sondern auch die Kaiserschnittrate, lag für die Wissenschaftler auf der Hand, einen möglichen Zusammenhang zu untersuchen. Die Daten von insgesamt 1,9 Millionen dänischer Kinder von ihrer Geburt bis hin zu ihrem 15 Lebensjahr sollten zeigen, wie oft es zu bestimmten Erkrankungen kam. Dabei unterschieden sie die Kinder, die per Kaiserschnitt geholt wurden und die, die auf natürliche Art und Weise das Licht der Welt erblickten.

Das sind die Krankheiten der Kaiserschnitt-Kinder

Tatsächlich zeigte sich, dass das Risiko von mit dem Skalpell-Geborenen, mit bestimmten Erkrankungen durch ihr Leben gehen zu müssen, vielfach höher ist. Neben den schon genannten Gesundheitsproblemen trat bei ihnen um zehn Prozent häufiger juvenile Arthritis auf, entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa kamen 20 Prozent häufiger vor, Immundefekte rund 46 Prozent öfter und Leukämie elf Prozent mehr.

Nicht alle der aufrüttelnden Fakten sind neu. Verschiedene Studien, wie auch eine Metaanalyse aus dem Jahr 2008, belegen einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Asthma und der Art der Geburt. Die meisten Studien sprechen — wie auch nun die dänische Untersuchung — von einem um rund 20 Prozent erhöhten Risiko, das Kaiserschnitt-Kinder mit ins Leben nehmen. Ebenfalls dänische Wissenschaftler fanden heraus, dass Sectio-Geborene durch eine fehlende Hormonausschüttung, die aber normal Geborene erleben, einen schlechteren Lungenschutz haben. Deshalb neigen sie verstärkt zu Atemwegserkrankungen.

Kinderallergologen schlagen Alarm

Ein anderer Erklärungsansatz, wie ihn die Kinderallergologen der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) sehen, macht eine andere Darmbesiedelung dieser Kinder dafür mitverantwortlich. Obwohl die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht aufgeklärt seien, scheine die Besiedelung des Darms mit Bakterien nach der Geburt eine große Rolle für die Immunantwort und die Barrierefunktion des Darmes zu spielen. Bei der Geburt sei der Darm zunächst "steril", werde dann schnell mit verschiedenen Bakterienstämmen besiedelt. Bei vaginal entbundenen Kindern überwiege die vaginale Bakterien-Flora der Mutter. Da Kaiserschnitt-Babys mit dieser keinen Kontakt haben, sei die Vielfalt der Darmflora ist nach Kaiserschnitt deutlich geringer im Vergleich zur natürlichen Geburt.

Darum sehen auch Kinderallergologen die Zahl der Kaiserschnittgeburten mit Sorge. Sie verweisen dabei nicht nur auf akute Risiken für die Mutter, Narkoseprobleme oder Infektionsgefahren in Folge des operativen Eingriffs. Auch die langfristigen Folgen für die so entbundenen Kinder seien hoch. "Ärzte sollten bei der Beratung von Schwangeren die Vor- und Nachteile einer Schnittentbindung immer gründlich abwägen. Sie sollten gerade darauf hinweisen, dass ein Kaiserschnitt ungewollte Langzeitfolgen haben kann und zum Beispiel das Risiko für ein späteres Asthma erhöht", sagt Prof. Matthias Kopp, Sprecher der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe "Prävention" der GPA.

Diese Gefahren sehen deutsche Experten

Kurzfristige Veränderungen seien an den Atemwegen, im Stoffwechsel, beim Blutdruck, in der Temperaturregulation und im Fütterverhalten zu beobachten. Kaiserschnittgeborene haben häufiger Probleme, wenn sie gestillt werden. Langzeiteffekte betreffen nach Informationen des Kieler Experten zum Beispiel das Immunsystem.

Viele Kaiserschnitte medizinisch nicht norwendig

Der Kaiserschnitt wird oft auch gesunden Frauen empfohlen, für die eine natürliche Geburt an sich gar kein Problem wäre. Erst im Jahr 2014 bestätigten Wissenschaftler, dass zwischen 10-15 Prozent der Kaiserschnittgeburten aus medizinischer Sicht nicht notwendig wären.

Kritiker sehen den Grund für die hohe Zahl solcher Geburten darin, dass Kaiserschnitte finanziell lukrativer für die Kliniken sind als eine natürliche Geburt. Zudem ist der Schnitt durch die Bauchdecke der Mutter planbar, schneller vollzogen als eine vaginale Entbindung und so eine Erleichterung in einem eng getakteten und ohnehin schon sehr von Schicksalsschlägen und Zufällen gesteuerten Klinikalltag darstellen. Steigende Kaiserschnittraten deuten jedoch auch auf eine Art Modeerscheinung hin.

Nicht zuletzt prominente Mütter tragen zum Kaiserschnitthype bei, indem sie ihre Kinder zu früh zur Welt holen lassen, damit ihre Figur nicht zu sehr unter der Schwangerschaft leidet. Denn vor allem in den letzten Wochen der Schwangerschaft legen die Frauen nochmals deutlich an Bauchumfang zu.

Manche Eltern mag zudem die Vorstellung beflügeln, der Natur ein bisschen ins Handwerk pfuschen zu können und sich den Geburtstermin ihres Kindes aussuchen zu können.

Außer Frage steht jedoch andererseits, dass eine vaginale Geburt nicht unter allen Umständen der bestmögliche Weg für das Kind ans Licht der Welt ist. Denn medizinische Indikationen für eine Sectio aus Notfallgründen gibt es zahlreiche. Sie betreffen nicht immer ausschließlich die Gesundheit des Babys, sondern manchmal auch die der Mutter oder aber beide sind in Gefahr. Dann ist schnelles Handeln unerlässlich und der Kaiserschnitt ein Segen — dänische Studie Hin oder Her.

(wat)
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