Hautkrankheit in Kitas und Schulen Krätze-Alarm: Was Eltern jetzt wissen müssen

Düsseldorf · Die Krätze galt für viele bereits als ausgestorben, doch fünf aktuelle Fälle bei Kindern zeigen das Gegenteil. Das Gesundheitsamt ist alarmiert. Wir erklären, was Krätzmilben auf der Haut anrichten, welche Folgen das haben kann, und was für Eltern jetzt zu tun ist.

 Eine achtbeinige Krätzmilbe unter dem Mikroskop.

Eine achtbeinige Krätzmilbe unter dem Mikroskop.

Foto: Prof. Ulrich Hengge

In den ersten ein bis zwei Wochen sind die nur 0,3 bis 0,5 Millimeter kleinen Parasiten quasi unsichtbar. Sie bohren sich durch die oberste Hautschicht und legen dort Exkremente und Eier ab. Erst wenn das Immunsystem auf die Ausscheidungen der Scabies-Milben anschlägt, werden Eltern oder Erzieher aufmerksam auf den Befall. Der kann im Grunde jeden treffen, denn die winzigen Tiere krabbeln von Mensch zu Mensch. Ein Grund dafür, dass sie sich in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten und Altenheimen besonders gut verbreiten.

Stärkerer Befall alle sieben Jahre

 Die Parasiten graben — wie hier zu sehen — Tunnel in die oberste Hautschicht, in denen sie Eier und Exkremente ablegen.

Die Parasiten graben — wie hier zu sehen — Tunnel in die oberste Hautschicht, in denen sie Eier und Exkremente ablegen.

Foto: Prof. Ulrich Hengge

Erst zu Beginn des Jahres war in Lemgo im Kreis Lippe vorsichtshalber wegen eines Krätzmilbenbefalls eine Förderschule geschlossen worden. Mehrere hundert Menschen aus dem Umfeld der vier betroffenen Kinder mussten sich vorsorglich behandeln lassen. Das Gesundheitsamt bestätigte 48 Krätze-Fälle in Angermund. Dort hatten die Parasiten Ende des vergangenen Jahres in mehreren Kindergärten für Unruhe gesorgt. Jetzt traf es erneut mehrere Schulen und Kindertagesstätten - dieses Mal in den Stadtbezirken 5 und 6 - in Düsseldorf.

Für längst ausgerottet hielt man die Krankheit, die häufig mit schlechten hygienischen Umständen in Zusammenhang gebracht wird. Doch sie ist es nicht, wie auch Verschreibungszahlen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) zeigen. Darüber lassen sich Rückschlüsse auf die Erkrankungszahlen zu, die anders nicht zu ermitteln sind. Denn Krätze ist nur meldepflichtig, wenn sie in Gemeinschaftseinrichtungen auftritt. Noch im Jahr 2007 wurde eines der gängigen Creme-Medikamente gegen die Scabies 56.000 Mal verordnet. 2012 hingegen 79.000 Mal. Der Düsseldorfer Dermatologe Prof. Ulrich Hengge weiß, dass sich diese Parasiten in regelmäßigen Zyklen stärker verbreiten: "Alle sechs bis sieben Jahre gibt es mehr Scabies. Wir sind gerade in dieser Phase."

Parasiten sind unter uns

In die Rolle des Wirts schlüpfen ungewollt vor allem Kinder und ältere Menschen. Beim Schmusen, Spielen und Waschen hangeln sich die Plagegeister von Kindern zu Eltern oder Erzieherinnen weiter, bei der Körperpflege von Senioren zu Pflegekräften. "Beide sind auf Pflege angewiesen, da ist der übertragende Hautkontakt unvermeidbar", sagt Prof. Ulrich Hengge vom Hautzentrum der Uniklinik in Düsseldorf. Körpertemperatur und ein menschlicher Geruch wirken auf die Milben geradezu anziehend.

Ruckzuck kann so ein Kindergarten zur Quaranthänestation werden oder eine Familie muss in die vorübergehende Isolation geschickt werden. Denn wer noch nichts merkt, ist nicht automatisch ohne Befall. Selbst Hautärzten fällt es oft schwer, die Milben frühzeitig zu erkennen. Nur in 60 Prozent der Fälle werden die Tiere, ihre Eier oder Larven entdeckt, sagt der Düsseldorfer Dermatologe. Meist sind es Ausschläge oder stecknadelkopfgroße Papeln zwischen den Fingern, an den Handgelenken, in Armbeugen am Po oder rund um den Bauchnabel, die auf die Krätze aufmerksam machen. Eine Frage von Hygiene ist das kaum. Selbst Menschen, die täglich duschen und eine ausgeprägte Körperhygiene betreiben, sind vor den Krätzmilben nicht geschützt. Bei ihnen verläuft der Befall allerdings weniger ausgeprägt. Die Mediziner sprechen dann von einer "gepflegten Scabies".

Extremfall Blutvergiftung und Nierenversagen

Wenn Kinder vor allem nachts über quälenden Juckreiz klagen, sollten die Eltern den Besuch beim Haut- oder Kinderarzt dringend in Angriff nehmen. Denn werden sie nicht umgehend behandelt, können sich die Beschwerden mit der Zeit verschlimmern. "Der Juckreiz ist oft so stark, dass durch das Kratzen offene Wunden entstehen, die sich wiederum entzünden und schließlich zu eitern beginnen", warnt Dr. Monika Niehaus, Sprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Im schlimmsten Fall kann sich daraus eine Blutvergiftung entwickeln, sagt Prof. Ulrich Hengge. Überwinden Bakterien wie Streptokokken oder Staphylokokken die Hautbarriere, ist sogar ein Nierenversagen nicht ausgeschlossen.

In den Slums Afrikas und Indiens zählen solche Probleme zu den häufigsten Folgeerkrankungen. Szenen wie aus einem Horrorfilm sind dort raue Realität: "Unbehandelt entsteht eine verkrustete Scabies, bei der die Milben ganz dicht nebeneinander sitzen und den Menschen wie ein Schuppenpanzer umgeben", erläutert der Dermatologe. Solche extremen Formen sind hier eher unbekannt. Üble Hautausschläge, die kleine Patienten auch Wochen nach dem Befall zum Arzt zwingen hingegen nicht. Zunächst reagiert die Haut auf die Ausscheidungen der Spinnentiere in der obersten Hautschicht. Wer genau hinsieht, kann manchmal feine rötliche Linien, die sogenannten Milbengänge erkennen. Wenige Wochen später kann der daraus resultierende Ausschlag dem allergischer oder neurodermitischer Hautbilder ähneln, so der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte.

So wird man die Krätze wieder los

Damit es so weit erst gar nicht kommt, sollte bei Verdacht auf einen Befall radikal behandelt werden. Dabei empfiehlt der Düsseldorfer Dermatologe auch Eltern oder Pflegende in die Therapie miteinzubeziehen. Am leichtesten ist das nach seiner Aussage über die Einmaleinnahme des Medikaments "Ivermectin" möglich, das über EU-Import-Apotheken besorgt werden kann. "Rund zehn Tage nach der Einnahme sind die Betroffenen dann wieder gesellschaftsfähig", sagt Hengge. Deutlich mühsamer und eigentlich auch nur im individuellen Fall anwendbar ist das Eincremen des Ganzen Körpers mit einer speziellen Creme. Wichtig ist dabei, keine Hautfalte zu vergessen.

Vom Menschen getrennt können die Milben nur wenige Stunden überleben. Um eine Ausbreitung über Handtücher, Stofftiere oder Bettzeugt und Bekleidung zu vermeiden, empfiehlt das Robert-Koch-Institut in Gemeinschaftseinrichtungen umfassende Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen. Im häuslichen Umfeld reicht es hingegen nach Auffassung von Experten aus, Bettwäsche und Kleidung des betroffenen Kindes täglich zu wechseln, Handtücher zweimal täglich und sie bei mindestens 60 Grad Celsius zu waschen. Stofftiere und andere nichtwaschbare Materialien können — ähnlich wie bei einem Kopflausbefall — in zugebundenen Müllbeuteln durch eine zweiwöchige Aufbewahrung von den Parasiten befreit werden.

(wat)
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