Jede zweite Schwangere nimmt Medikamente Pillen, die dem Ungeborenen schaden

Berlin/München · Etwa jede zweite der jährlich rund 900.000 Schwangeren in Deutschland nimmt mindestens ein Medikament ein. Das kann gravierende Folgen für das Ungeborene haben. Hustenmittel, Betablocker oder Schmerzmittel – das geht, und das nicht.

Etwa jede zweite der jährlich rund 900.000 Schwangeren in Deutschland nimmt mindestens ein Medikament ein. Das kann gravierende Folgen für das Ungeborene haben. Hustenmittel, Betablocker oder Schmerzmittel — das geht, und das nicht.

Die Schwangerschaft ist eine sensible Lebensphase für Mutter und Kind. Viele Frauen haben darum ihren Mutterpass und die Termine für die Vorsorgeuntersuchung zwar sicher im Blick, verlieren aber etwas anderes aus den Augen: Arzneimittel, die sie regelmäßig einnehmen. Nach Angaben des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie tut das jede zweite Schwangere hierzulande. Oft sind es Vitaminpräparate, die auf eigene Faust geschluckt werden und noch häufiger Schmerzmittel oder Psychopharmaka. Nicht immer geht das spurlos am Kind vorbei.

Allein die Liste freiverkäuflicher Medikamente, die während der Schwangerschaft bedenklich sind, ist land. Denn der Kreislauf von Mutter und Kind sind eng miteinander verbunden. Was die Mutter einnimmt, kann beim Ungeborenen schwere Schäden verursachen. Schon die Einnahme eines Hustenmittels kann den Blutdruck nach oben schießen lassen, ein abschwellendes Nasenspray wirkt auch an der Plazentaschleimhaut abschwellend und kann vorzeitige Wehen auslösen. Auch Aspirin ist als Schmerzmittel für Schwangere nicht geeignet, denn es wirkt blutverdünnend und kann Fehlgeburten oder eine viel gefürchtete Schwangerschaftsvergiftung auslösen.

Missbildungsrisiko in den frühen Wochen gering

Während unmittelbar nach der Befruchtung das Missbildungsrisiko nach bisherigem Wissensstand recht gering ist, steigt es danach an, sagt die Techniker Krankenkasse. In den ersten vier Wochen der Schwangerschaft übersteht die Frucht unbeschadet diese Zeit oder es kommt zu so folgenschweren Störungen, dass es zu einer frühen Fehlgeburt kommt.

In den dann folgenden Wochen ändern sich viele Abläufe im Körper der Frau. So wird zum Beispiel die Immunabwehr der werdenden Mutter heruntergefahren, um das Heranwachsen der Frucht zu sichern. Aus diesem Grund sind vor allem zwischen der fünften und zwölften Schwangerschaftswoche Medikamente besonders gefährlich. Sie können leicht zu Fehlbildungen führen. Zudem werden in dieser Zeit die wichtigsten Organe angelegt. Störende Einflüsse haben verheerende Folgen.

Vitaminpillen, die Schaden anrichten

Mütter, die jetzt ohne vom Arzt gestellte Indikation einfach ein Vitaminkomplexpräparat nehmen, im Glauben Vitamine könnten ja nicht schaden, tun dem Embryo damit womöglich Schlimmes an. Zu viel Vitamin A kann beim Kind zu Wachstumsstörungen, Hautveränderungen, Leberschäden oder solchen an den Augen führen. Bei Nahrungsergänzungsmitteln können durch Depotspeicherwirkung sogar noch Monate nach der Einnahme Schädigungen auftreten. Obwohl die Mutter selbst längst nichts mehr einnimmt.

Zu den nach Contergan giftigsten Medikamenten für den Embryo zählen Aknemittel wie Retinoide oder Isotretinoin. Zwar werden im Beipackzettel deutliche Hinweise darauf gegeben, während einer Behandlung mit diesen Substanzen sicher zu verhüten, doch wird das nach Aussage des Berufsverbandes der Frauenärzte nicht immer befolgt. Gefährlich für das werdende Kind sind daneben Sartane und ältere ACE-Hemmer, zur Blutdrucksenkung. Wer sie dennoch einnimmt, riskiert Fruchtwasserverluste der schwere Schäden beim Fötus verursachen kann.

Arzneimittel, die auch Schwangere nehmen können

Dennoch muss man bei chronischen Krankheiten oder auch Schwangerschaftsleiden nicht grundsätzlich auf Medikamente verzichten. Zumindest nicht auf die, die der Arzt in Kenntnis einer Schwangerschaft verschreibt. Bestimmte Blutdruck-, Asthma- oder Schmerzmedikamente können eingenommen werden.

Bei akuten bakteriellen Infekten steht zudem eine ausreichende Anzahl an Antibiotika zur Verfügung, die Schwangere einnehmen können. Dazu gehören zum Beispiel die Antibiotika Erythromycin, Cephalosporine und Penecillin. Auch Paracetamol als Schmerzmittel gilt als relativ unbedenklich, sofern es nicht dauerhaft eingenommen wird. Bei langfristiger Einnahme kann es laut Studienlage das Asthmarisiko des Kindes maßgeblich beeinflussen. Daneben können Schwangere bei Schmerzen auch zu Ibuprofen greifen. Allerdings nur bis zur 28. Woche. Danach kann das Medikament den fetalen Kreislauf schädigen, so der Berufsverband der Frauenärzte.

Verschreibt der Arzt ein Medikament, in dessen Beipackzettel Schwangeren von der Einnahme abgeraten wird, sollte man unbedingt noch einmal nachfragen. Im Zweifelsfall helfen auch Beratungsstellen für embryonale Toxikologie weiter. Manche findet man bequem im Internet und kann dort sogar per Datenbankabfrage Arzneimittel gegenchecken, die man wegen chronischer Erkrankungen dauerhaft einnimmt.

(wat)
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