Den Nachwuchs planen Rheuma haben und Kinder kriegen

Reutlingen · Etwa ein Fünftel aller an Rheuma erkrankten Frauen erhält die Diagnose, bevor sie ein Kind bekommen. Trotzdem ist Nachwuchs möglich. Sie brauchen dann aber einen guten Plan für die Therapie, die Schwangerschaft und die Zeit nach der Geburt.

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Foto: dpa, Patrick Pleul

Maria Krauser kann sich nicht daran erinnern, jemals ohne Gelenkbeschwerden gelebt zu haben. Im Alter von vier Jahren erkrankte sie an einer frühen Form von rheumatoider Arthritis.
Schmerzhafte Entzündungen befielen im Lauf der Jahre alle Gelenke ihres Körpers, einige verformten sich. Um dem etwas entgegen zu setzen, nahm und nimmt sie dauerhaft Medikamente, darunter auch das für Embryos schädliche Methotrexat (MTX). Mit Mitte 20 kam bei der jungen Frau aus Reutlingen der Wunsch nach einem Kind auf. Sie fragte sich: Welche Medikamente kann ich nehmen, damit die Krankheit nicht schlimmer wird und mein ungeborenes Kind keinen Schaden nimmt?

Es gibt etwa 300 verschiedene rheumatische Krankheitsbilder, die sehr unterschiedlich verlaufen können. Weltweit leiden 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung an einer rheumatoiden Arthritis, Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer. Etwa ein Fünftel der Frauen erhält die Diagnose bereits vor dem ersten Kind. "Früher hat man diesen Frauen nicht selten ganz von einem Kind abgeraten. Das ist heute nicht mehr so, aber eine Schwangerschaft und auch die Zeit danach sollte möglichst optimal geplant sein", sagt Rebecca Fischer-Betz von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh).

In einigen Studien wurde festgestellt, dass es bei Frauen mit einer rheumatoiden Arthritis häufiger zu Wachstumsverzögerungen des Babys in der Gebärmutter und zu Frühgeburten kommen kann. Zudem träten häufiger sogenannte Schwangerschaftsvergiftungen auf, mit starkem Anstieg des Blutdrucks zur Geburt hin, sagt Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. "Deswegen werden wir diese Frauen aufmerksam überwachen." Bei etwa der Hälfte der Frauen verbessern sich die Schmerzen und Gelenkschwellungen während der Schwangerschaft, unter anderem aufgrund der veränderten hormonellen Situation. Die Frau müsse sich allerdings darauf einstellen, dass nach der Geburt ein Krankheitsschub kommen könne, mit heftigeren Symptomen und der Notwendigkeit, stärkere Arzneimittel zu nehmen.

US-Fotografin zeigt Frauenkörper nach einer Geburt
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Eine rheumatoide Arthritis verläuft oft in Schüben. "Ich empfehle, eine Schwangerschaft in einer Phase anzugehen, bei der das Rheuma stabil ist", sagt Fischer-Betz. Sichere Medikamente sollten weiter eingenommen werden, um das Schubrisiko und auch das von Schwangerschaftskomplikationen zu reduzieren. Wichtig sei aber das rechtzeitige Absetzen von MTX - mindestens drei Monate vor der Empfängnis - und anderen Medikamenten. Sie können zu einer erhöhte Fehlbildungsrate beim Baby führen.

"Wir gehen davon aus, dass das Risiko von Skelettfehlbildungen bei 6 bis 8 Prozent liegt, wenn MTX in den ersten Wochen einer Schwangerschaft eingenommen wurde, das Risiko einer Fehlgeburt liegt bei etwa 40 Prozent", sagt Fischer-Betz, die am Universitätsklinikum Düsseldorf tätig ist. Zum Vergleich: Das allgemeine Risiko für Fehlbildungen liegt bei etwa 3 Prozent.

Eine sichere Verhütung ist eines der Themen, das für junge Frauen mit Rheuma eine Rolle spielen kann. Weitere Fragen drehen sich um neue Medikamente wie die TNF-alpha-Blocker, die seit 10 bis 20 Jahren auf dem Markt sind. "Wir haben aus Fallserien und Registern einen Überblick über etwa 1000 Schwangerschaften, bei denen in frühen Phasen der Schwangerschaft TNF-alpha-Blocker genommen wurden, es gibt aktuell keinen Anhalt für vermehrte Fehlbildungen", sagt Fischer-Betz. "Doch wir hätten gerne noch mehr Sicherheit, um klare Empfehlungen aussprechen zu können."

Maria Krauser ließ sich gut von ihren Ärzten beraten. Sie setzte MTX ab und nahm andere Medikamente ein, darunter ein niedrig dosiertes Kortisonpräparat. "Glücklicherweise bekam ich keinen Krankheitsschub", sagt die heute 32-Jährige. "Die erste Schwangerschaft verlief gut, ich fühlte mich fit und nahm auch nicht zu viel zu." Im Jahr 2009 kam ihr erster Sohn zur Welt, per Kaiserschnitt. "Ich hatte 2007 eine künstliche Hüfte bekommen und wollte kein Risiko eingehen, dass während der Geburt etwas passiert am Gelenk." Laut Frauenarzt Albring wird nicht jeder Frau mit einem rheumatischen Krankheitsbild zu einem Kaiserschnitt geraten, teils sei aber die Muskulatur sehr schwach oder die Wirbelsäule und die Hüfte stark betroffen. Dann sei ein geplanter Kaiserschnitt besser.

2010 wurde Krausers zweite Hüfte ersetzt, sie kam jedoch weiter ohne MTX aus. Drei Jahre später kam ihr zweiter Sohn per Kaiserschnitt zur Welt, einige Wochen zu früh. "Bei der zweiten Schwangerschaft und auch nach der Geburt war alles stressiger", sagt sie. Das normale Chaos von Familien mit mehreren Kindern hatte eingesetzt: Arbeiten bis zum Mutterschutz und ein kleines Kind, das Aufmerksamkeit will.

Inzwischen berät sie für die Rheuma-Liga ehrenamtlich betroffene Frauen und junge Rheumakranke. Außerdem betreut sie die Gruppe "Familie trotz Rheuma- die etwas andere Gesprächsgruppe". "Es gibt einen regen Austausch oder auch Tipps, wie man die Kinder beispielsweise trotz Gelenkbeschwerden, heben, tragen oder wickeln kann", erzählt sie. Ihr Fazit: "Mit einem guten Netzwerk und guter Beratung ist ein Leben mit Rheuma und Familie prima möglich."

(dpa)
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