Sexualität "Pille danach" bald ohne Rezept

Düsseldorf · Hormonelle Nachverhütung ist künftig auch ohne Arzt und Rezept möglich. Doch Frauenärzte betonen, dass das zur Freigabe vorgesehene Levonorgestrel ab einem Körpergewicht von 75 Kilogramm nicht mehr zuverlässig funktioniert.

Die "Pille danach" - Fragen und Antworten
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Foto: dpa, Rolf Vennenbernd

Der Europäische Arzneimittelausschuss hat das Präparat "ellaOne" als rezeptfrei eingestuft. Frauen können nun auch in Deutschland künftig die "Pille danach" bekommen, ohne vorher einen Arzt aufsuchen zu müssen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte sich lange gegen diese Entwicklung gewehrt, war aber in den letzten Wochen sogar so weit umgeschwenkt, ein weiteres, wirkungsgleiches Präparat mit dem Wirkstoff Levonorgestrel freizugeben. Die "Pille danach" scheint sich also zu einer Standard-Verhütung zu mausern, für die man kein ärztliches Rezept mehr braucht. Die Diskussionen um ihre medizinische Unbedenklichkeit sind jedoch damit keinesfalls erledigt.

Die Idee von der "Morning-after-Pill" entstand Ende der 1960er Jahre, als einige Frauen im Selbstversuch feststellten, dass man mit einer hohen Dosierung der normalen Anti-Baby-Pille auch dann noch eine Schwangerschaft verhindern kann, wenn man bereits ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte. Mitte der 1970er wurde dies auch wissenschaftlich bestätigt, worauf die "Pille danach" in Deutschland und vielen anderen Staaten legalisiert wurde. Ethische Bedenken wurden mit dem Hinweis beruhigt, dass dieses Präparat - auch wenn es erst nach dem ungeschützten Sex zum Einsatz kommt - ja keinen Schwangerschaftsabbruch einleite, sondern lediglich den Eisprung verhindere.

Es dauerte jedoch noch viele Jahre, bis die hoch dosierte Hormonbehandlung aus ihrer Verschreibungspflicht genommen wurde. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rang sich erst 2010 dazu durch. Dann allerdings bezeichnete man die Morning-after-Pill als "leicht anwendbar", weswegen eine ärztliche Betreuung "unnötig" sei - und der Europäische Arzneimittelausschuss ist nun dieser Einschätzung gefolgt. Unter Medizinern ist das jedoch umstritten.

So betont Christian Albring vom Berufsverband der Frauenärzte, dass gerade das vom Bundesgesundheitsminister zur Freigabe vorgesehene Levonorgestrel ab einem Körpergewicht von 75 Kilogramm nicht mehr zuverlässig funktioniere. In dieser Gewichtsklasse liegen in Deutschland 34 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter. "Würde nun Levonorgestrel aus der Rezeptpflicht entlassen", so der Gynäkologe, "würden sich diese Frauen auf dessen Wirksamkeit verlassen und dabei schwer getäuscht."

Zumindest aber scheint Levonorgestrel hinsichtlich seiner Nebenwirkungen unbedenklich zu sein. Walter Schwerdtfeger vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte betont, dass es in den medizinischen Datenbanken "nur zwei dokumentierte Fälle zu einem Verdacht über unerwünschte Nebenwirkungen" gebe. Vor dem Hintergrund, dass dieses Präparat allein in Frankreich, wo es schon seit 1999 freigegeben ist, von mehr als einer Million Frauen eingenommen wird, ist das in der Tat verschwindend wenig.

Für den "ellaOne"-Wirkstoff Ulipristalacetat sieht dagegen die Datenlage weniger günstig aus. "Hier gibt es starke Hinweise auf unerwünschte Nebenwirkungen", warnt Schwerdtfeger. Wie etwa auf Muskelkrämpfe, Ängste, depressive Verstimmungen, Fieber und Schüttelfrost. Auch der Bundesverband "Pro Familia" sieht für das in Deutschland erst seit 2009 zugelassene "ellaOne" deutliche Nachteile gegenüber Levonorgestrel: "Es existieren für dieses Präparat deutlich weniger Sicherheitsdaten, und es sind noch viele Fragen offen."

Die zentrale Frage bei beiden Präparaten aber ist, ob sie überhaupt notwendig sind. Denn Studien zeigen, dass dies in etwa der Hälfte der Fälle von ungeschütztem Geschlechtsverkehr nicht der Fall ist, weil beispielsweise der Zyklus gerade auf Unfruchtbarkeit eingestellt ist. Nur die wenigsten Frauen können dies freilich korrekt einschätzen - und ihnen könnte dann der allein schon wegen der Rezeptpflicht gebotene Gang zum Frauenarzt mehr Gewissheit geben.

(RP)
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