Chemikalien schädigen Spermien Unfruchtbar durch Zahnpasta?

Bonn · 15 Prozent der Paare in Deutschland sind ungewollt kinderlos. Neben Drogen und dem Essverhalten liegt eine mögliche Ursache dafür in Chemikalien, die in vielen Alltagsgegenständen stecken. Sie machen die Spermien untauglich. Forscher haben nun genau ermittelt, welche das sind und was sie in den Samenzellen anrichten.

 Wie ein chemischer Zaun hindern hormongängige Stoffe die Spermien daran zur Eizelle zu gelangen.

Wie ein chemischer Zaun hindern hormongängige Stoffe die Spermien daran zur Eizelle zu gelangen.

Foto: Stiftung caesar

Vielen Paaren, die verzweifelt in Kinderwunschkliniken Rat suchen, könnte durch diese Erkenntnis geholfen werden: Männliche Unfruchtbarkeit ist nicht Gott gegeben, sondern kann durch hormongängige Chemikalien, zu denen Männer über Alltagsgegenstände wie Plastikflaschen, Lebensmitteln oder Kosmetika Berührung haben, herbei geführt sein. Und auch fettes Essen oder auch Haschisch-Rauchen wirken sich alles andere als vorteilhaft in der Phase der Familienplanung aus.

Es ist ein langer, harter Weg, den eine Samenzelle auf sich nimmt, um nach dem Geschlechtsverkehr erfolgreich eine Eizelle zu erreichen. Sie muss das unbekömmliche und saure Millieu der Scheide erfolgreich passieren, um sich dann erfolgreich auf einem langen Weg durch die Gebärmutter und die Eileiter zu bewähren, bis sie schließlich möglichst als erste die Eizelle erreicht. Das schaffen am besten die Spermien, die ein starkes Rüstzeug bestehend aus einer gewissen Größe und Form vorweisen.

Attacke durch Alltagschemikalien

Doch selbst dort geht die Selektion weiter: Nur optimal ausgestattete Spermien haben die Chance, als erste die schwer durchdringbare Hülle der Eizelle zu erreichen. Krassen Einfluss nehmen nach Forschungsergebnissen des Centers of Advandced Europaen Studies and Research in diesem Überlebenskampf zahlreiche Alltagsstoffe.

In unzähligen Kunststoffen werden hormongängige Chemikalien wie Weichmacher verwendet, in Sonnencreme als UV-Filter eingesetzt oder kommen über die Zahnpasta in den menschlichen Organismus. Schon seit längerer Zeit werden mit diesen und anderen Stoffe Erkrankungen wie Hodenkrebs oder Unfruchtbarkeit in Verbindung gebracht. "Bisher konnte man die schädliche Wirkung der Substanzen auf den Menschen schwer nachweisen, da keine geeigneten Testsysteme existierten", so die deutsch-dänischen Wissenschaftler, das die gefährlichen Substanzen und ihre Wirkung untersuchte.

Spermien ohne Ziel

Diesmal aber anders: Die Forscher brachten die fraglichen Substanzen in kleinen Testgefäßen direkt in Verbindung mit den Spermien und beobachteten, was passiert. Das Ergebnis der Studie: Am Schlag der Geißel ließ sich messen, wie sich das Schwimmverhalten der Spermien veränderte. Die Chemikalien wirkten auf den Kalziumhaushalt der Spermien und sorgten dafür, dass sie Enzyme freisetzten, die ihnen normalerweise bei ihrem Vordringen in die schützende Hülle der Eizelle helfen. Der chemische Cocktail, wirkt ähnlich wie der natürliche von Gelbkörper- und Gewebshormonen.

Rund hundert hormongängige, also endokrine Stoffe standen insgesamt auf der Prüfliste der Forscher. Bei rund 30 von ihnen konnte eine solche verheerende Auswirkung bewiesen werden. Das deutsch-dänische Forscherteam geht davon aus, dass die hormongängigen Substanzen die Spermien nicht nur daran hindern, in die Eizelle vorzudringen, sondern bereits deren Navigation dorthin vollkommen auf den Kopf stellen.

Diese Stoffe und Umstände setzen Samen zu

Der Bestandteil von Sun-Blockern 4-Methylbenzylidencampher (4-MBC) macht das in ähnlicher Weise wie auch das antibakteriell wirkende Triclosan, das in Zahnpasta zum Einsatz kommt oder Kunststoffweichmacher DnBP. Schon relativ niedrige Konzentrationen solcher Stoffe reichten in den Studien dazu aus, um solch negative Wirkung auszulösen. Ähnliche Konzentrationen können auch im menschlichen Blut nachgewiesen werden.

Doch nicht nur unkalkulierbare Umwelteinflüsse können den empfindlichen Spermien zusetzen. Auch fettes Essen senkt die Fruchtbarkeit des Mannes. So konnten Forscher aus Boston nachweisen, dass der Verzehr von gesättigten Fettsäuren die Spermienproduktion stark mindert, der Konsum von gesunden ungesättigten Omega-3-Fettsäuren hingegen die Qualität der Spermien verbessert. Männer, die sich fettreich im schlechten Sinne ernährten, hatten eine bis zu 43 Prozent niedrigere Spermienzahl und eine fast ebenso niedrige Spermiendichte.

Nachteilig wirkt sich auch der Joint-Konsum aus. Der Genuss des Rauschmittels macht die Spermien nämlich nicht nur mikriger, sondern verursacht auch Fehlbildungen. In der weltweit größten Studie zur Wirkung von Lifestyle-Faktoren auf die Größe und Form von männlichen Samenzellen, stellten Forscher der Universität Sheffield fest, dass Männer, die drei Monate vor ihrer Spermienspende Hasch geraucht hatten, oftmals weniger als vier Prozent gesunde Spermien hatten.

Europa wartet auf neue Richtwerte

Nun wartet Europa auf einen Beschluss der EU-Kommission. Denn während der Mann zwar sein Essverhalten und das Thema Drogenkonsum selbst in den Händen hat, ist er gewissermaßen der Aufnahme hormongängiger Substanzen aus Plastikverpackungen und Kosmetikartikeln beinahe hilflos ausgeliefert. Noch vor Ablauf des Jahres sollen darum feststehen, ob seitens der Politik neue Richtwerte für die Verwendung solcher Stoffe festgelegt werden.

(wat)
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