Vier Minuten und 36 Fragen Was Sie tun müssen, wenn Sie sich verlieben wollen

Mal angenommen Sie könnten selbst entscheiden, in wen Sie sich verlieben und wer sich in Sie verliebt - würden Sie es tun? Die 33-jährige Englisch-Lehrerin Mandy Len Catron hat es gewagt: Sie folgte einem Experiment, das besagt: Wer jemand anderem vier Minuten in die Augen sieht, um dessen Herz ist es geschehen. Mit Erfolg.

 Mandy Len Catron`s Essay fand viel Anklang bei den Lesern.

Mandy Len Catron`s Essay fand viel Anklang bei den Lesern.

Foto: Screenshot Twitter Mandy Len Catron

"Vor über 20 Jahren schaffte es der Psychologe Arthur Aron mit einem Experiment, dass sich zwei völlig fremde Menschen ineinander verliebten", schreibt Catron in ihrem Essay über ihr Erlebnis für die "New York Times". Vergangenen Sommer wandte sie diese Technik in ihrem eigenen Leben an, "und so kam es, dass ich mich zu Mitternacht auf einer Brücke wiederfand und für genau vier Minuten in die Augen eines Mannes blickte."

Vier Minuten, die, wie es in Liebesromanen immer heißt, ihr Leben verändern sollten. Denn bis zu diesen 240 Sekunden war Catron Dauer-Single. 2011 war ihre zehnjährige Beziehung in die Brüche gegangen. Ein schmerzhafter Prozess, der sie dazu brachte, die Wissenschaft um Rat zu fragen: Konnte man klüger, besser, anders lieben? Eine Antwort darauf erhielt sie nicht.

Catron tat, was so viele tun: Sie versuchte es mit Online-Dating - mit frustrierendem Ergebnis, "man weiß nie was der andere wirklich denkt," beschreibt sie in einem Interview mit news.com: "Meistens halten sich die Männer andere Optionen offen. Ich fühlte mich sehr verunsichert."

Dann kam Catron zum ersten Mal mit diesem Typen ins Gespräch. Sie kannte ihn entfernt aus dem Universitätsalltag und traf ihn hin und wieder im Fitness-Studio. "Ich denke, unter bestimmten Umständen kann man sich in jeden verlieben", sagte der Typ während ihrer Diskussion, wodurch Catron ein Experiment einfiel, von dem sie gelesen hatte. "Ein heterosexueller Mann und eine Frau betraten das Labor durch getrennte Türen", schreibt sie in der "New York Times", "sie setzten sich einander gegenüber und beantworten eine Reihe von zunehmend persönlichen Fragen. Dann schauten sie sich schweigend für vier Minuten in die Augen." Sechs Monate später waren die beiden Probanden verheiratet.

Es gibt Momente, in denen nach einer solchen Erzählung gar nichts passiert. Aber Catrons Geschichte wäre wohl kaum zu einer Internetsensation geworden, wenn der besagte Typ in diesem besagten Moment nicht gesagt hätte "Lass es uns ausprobieren."

Catron selbst gibt zu, dass die Umstände ihres Versuches natürlich nicht wirklich mit denen des echten Aron-Experiments mithalten konnten. So befanden sich die beiden nicht in einem Versuchsraum, sondern in einer Bar. Außerdem kannten sie sich bereits. "Und damit nicht genug. Heute verstehe ich, dass natürlich keiner einen Vorschlag macht oder annimmt, bei dem es darum geht romantische Gefühle zu wecken, wenn man nicht längst bereit dazu ist, dass diese Gefühle auch passieren", räumt sie in ihrem Essay ein.

Trotzdem. Gesagt, getan. Catron und dieser Typ stellten sich 36 Fragen, die speziell dazu ausgelegt waren, schnell Vertrautheit und Intimität zwischen zwei Menschen zu schaffen. "Was wäre ein perfekter Tag für dich?", war ebenso darunter wie "Wofür in deinem Leben bist du am dankbarsten?". In der nächsten Steigerung dann "Was ist deine liebste und schlimmste Erinnerung?" oder auch "Welche Rolle spielt Liebe und Zuneigung in deinem Leben?". Außerdem sollten sich die beiden absolut ehrlich sagen, was sie am anderen am meisten schätzten, und was ihnen besonders wichtig wäre, wenn sie wirklich Freunde werden würden. "Die Fragen erinnerten mich an das Experiment mit dem Frosch der im Wasser sitzt und nicht merkt, dass es anfängt zu kochen, bis es zu spät ist. Mit uns war es das gleiche. Weil die Verletzlichkeit, die wir preisgaben, ganz langsam mehr wurde, bemerkte ich sie erst, als wir längst intime Details teilten. Ein Prozess, der sonst Wochen oder Monate dauert", erzählt Catron in der "New York Times".

Eigentlich sollten die Fragen in 90 Minuten beantwortet werden. Catron und dieser Typ jedoch brauchten viel länger. Kurz vor Mitternacht kamen sie dann zu der Erkenntnis, dass nun nur noch eines fehlte: der Vier-Minuten-Blick.

Da beiden eine Bar nicht als richtiger Ort für diese Begegnung erschien, gingen sie vor die Tür und suchten die Ruhe auf einer Brücke. Sie setzte den Timer ihres Handys. Er sagte "ok", dann begannen die vier Minuten. Nach der ersten Aufregung, diversen nervösen Lachern und dem Versuch irgendwie normal weiterzuatmen, änderte sich etwas. "Ich weiß, die Augen sind das Fenster zur Seele oder so ähnlich, aber die echte Krux an dem Moment war nicht, dass ich jemanden sah, sondern, dass ich jemanden beobachtete, wie er mich wahrhaftig sah", erzählt sie.

Dann, 240 Sekunden später, war der Zauber vorbei. Das Liebesexperiment beendet und Catron und der Mann gingen ihrer Wege.

Bevor sie wusste, wie es ihm nach den 36 Fragen und vier Minuten ging, erkannte Catron schnell, dass sich zumindest ihre eigene Definition von Liebe verändert hatte. Hatte sie vorher geglaubt, dass Liebe etwas ist, das Menschen einfach passiert - höchstens mitgesteuert von den Hormonen - glaubte sie von nun an, dass Liebe etwas ist, für das man sich entscheidet. "Es geht dabei um den richtigen Zeitpunkt und die Bereitschaft seine eigene Verletzlichkeit zu zeigen", sagt sie news.com in dem Interview. Und das ist, was sie am meisten an dieser Studie mochte, dass sie nämlich davon ausging, dass Liebe eine Handlung ist. Niemand sollte darauf warten, dass er von der Liebe gefunden wird.

Und so endet Catrons Essay "To Fall in Love With Anyone, Do This", so wie jede gute Liebesgeschichte eben enden muss: Sie und dieser Typ verliebten sich ineinander. Wie viel das Liebesexperiment dazu beitrug, kann letztlich nicht eindeutig festgehalten werden aber wie Catron schreibt:

"Liebe ist uns nicht passiert. Wir sind verliebt, weil jeder von uns die Entscheidung getroffen hat, es zu sein."

(ham )
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