Zu viel Flüssigkeit Wenn Wasser im Körper gefährlich wird

Das Ödem hieß früher Wassersucht, als Schwellung kann es in fast allen Körperteilen auftreten. Häufig hat das Ödem seine Ursache anderswo im Körper. Gefürchtet ist das Lungenödem, bei dem das Herz nicht mehr ordnungsgemäß pumpt.

Wasser in den Beinen deutet auf ein Venen-Problem hin.

Wasser in den Beinen deutet auf ein Venen-Problem hin.

Foto: chatuphot / shutterstock.com

Ohne Wasser ist kein Heil", heißt es in Johann Wolfgang von Goethes "Faust 2", und da der große Olympier bekanntlich ein ausgewiesener Naturkenner war, wird er bei der Erfindung seines geflügelten Wortes an den Menschen gedacht haben. Fürwahr, ohne Wasser sind wir nicht lebensfähig - und das bezieht sich nicht nur auf die Quellen, nach denen wir dürsten, sondern auf die Komplexität unseres Körpers. Jeder Erwachsene trägt etwa 45 Liter Körperflüssigkeit mit sich herum, H2O ist sein Lebenselixier und sein größter Gewichtsfaktor (und nicht die angeblich schweren Knochen) - das Gehirn ist wasserreich, das Blut, die Knochen, die Haut, die Leber, das Fettgewebe. Alles Wasser.

So weit das Allgemeingut der Gesundheitsbildung. Aber wie kommt das Wasser in Zonen des Körpers, in denen es unerwünscht oder sogar gefährlich ist? Wie wird das Wasser, um mit Goethe zu sprechen, zum Unheil?

Der Arzt runzelt bei diesem Thema die Augenbrauen und flüstert ein Kennwort der Medizin: Ödem. Was dieses Wort bedeutet, kann sich jeder, der Sagen der griechischen Mythologie kennt, selbst erklären: Ödipus war der mit dem geschwollenen Fuß; ein Ödem ist also zuerst eine Schwellung. Das andere, unangenehmere Wort dafür ist Wassersucht. Dieses Zuviel an Flüssigkeit ist aber gar keine Krankheit, sondern ein Symptom. Ein Arzt, der ein Ödem sieht, wird die Frage beantworten müssen: Woher kommt es?

Eine Schwellung am Bein entsteht beispielsweise durch die mangelnde Fähigkeit der Venen, das sauerstoffarme Blut zurück zum Herzen zu transportieren; so können etwa die Venenklappen nicht mehr richtig funktionieren - und das führt zwangsläufig zu einer Stauung. Eine tiefe Beinvenenthrombose ruft ebenfalls oft eine venöse Abflussstörung hervor. Diese Schwellung ist deutlich zu sehen, und sie bringt auch eine Überwärmung mit sich. Das nennt man postthrombotisches Syndrom. Die Ursache für eine Schwellung etwa an den Knöcheln kann aber auch weiter oben im Körper liegen: etwa in einer Pumpschwäche des Herzens.

Es versteht sich, dass diese Stauungen und Schwellungen an Ort und Stelle nicht auf längere Zeit toleriert werden; sie greifen aus auf das Unterhautfettgewebe und die Muskulatur. Ist die Beweglichkeit im Sprunggelenk eingeschränkt, kann der Patient beim Gehen den Fuß schlecht abrollen, dann fällt auch die Wadenmuskelpumpe aus. Folge für den Patienten: Der venöse Rücktransport des Bluts zum Herzen verschlechtert sich abermals.

Ernst und medizinisch dramatisch ist eine andere Form eines Ödems: das Lungenödem. Es handelt sich um das zugespitzte Resultat einer Herzschwäche. Wenn die Schlagleistung des Herzens schwächer und schwächer wird, bildet sich eine akute Insuffizienz des linken Herzens. Das heißt: Es pumpt nichts mehr (oder nicht mehr ordnungsgemäß), das Blut staut sich zurück in die Lunge, und dort tritt wegen des gestiegenen Drucks Flüssigkeit ins Lungengewebe aus. Der Patient wird extrem kurzatmig, leidet unter Luftnot, und beim Abhorchen der Lunge hört man feuchtes Rasseln.

Bei diesen Patienten muss der Körper entwässert werden, dabei helfen Medikamente (Diuretika). Bei der Rechtsherz-Schwäche kann das rechte Herz das Blut nicht mehr in den Lungenkreislauf weiterpumpen, es staut sich im Körper - und das sieht man an den Knöcheln, am Bauch (Aszites, die Bauchwassersucht) oder an hervortretenden Halsvenen. Auch innere Organe wie Leber, Milz und Nieren können bei diesen Stauungen betroffenen sein.

Aber Ödeme sind vielfältig, weil sie überall auftreten können. Beim Quincke-Ödem kommt es binnen kurzer Zeit zu einer Schwellung beispielsweise im Gesicht; meistens handelt es sich um eine allergische Reaktion oder um eine Medikamenten-Unverträglichkeit. Beim Hirnödem ist die sogenannte Blut-Hirn-Schranke oder die Blut-Liquor-Schranke eingeschränkt, und es lagert sich Flüssigkeit im Gehirn ein. Beim Lipödem kommt es zu einer symmetrischen Ansammlung von Fettgewebe, etwa an den Beinen.

Das Lymphödem ist eine krankhafte Veränderung, bei der sich Lymphflüssigkeit im Gewebe und in den Gewebezwischenräumen staut, weil der Lymphabfluss gestört ist. Im Vergleich zum angeborenen Lymphödem, bei dem die Lymphabflusswege nicht richtig angelegt sind, ist das erworbene Lymphödem die häufigere Form. Wichtigste Ursache sind Krebserkrankungen und deren Behandlungen.

Die Beeinträchtigungen, die sich bei einem Lymphödem ergeben, sind nicht nur optisch und psychisch massiv. Ein fortschreitendes Lymphödems kann die Beweglichkeit, Eigenversorgung, berufliche Tätigkeit und Ästhetik gefährden. Erste Anzeichen eines Lymphödems sollten daher vom Arzt untersucht und frühzeitig behandelt werden.

Betroffene benötigen eine sogenannte komplexe physikalische Entstauungstherapie. Dabei handelt es sich um ein umfassendes Therapieprogramm aus mehreren Komponenten. Zum einen ist das eine manuelle Lymphdrainage, zum anderen die Kompressionsbehandlung mit Bandagen und Kompressionsstrümpfen. So sollen die gestaute eiweißreiche Ödemflüssigkeit abgeleitet und Gewebeveränderungen verhindert werden.

In der ersten, sogenannten Entstauungsphase, die etwa vier bis sechs Wochen dauert, muss die Lymphdrainage von einem erfahrenen Physiotherapeuten in hoher Frequenz erfolgen, oft sogar täglich. Das Anlegen von Kompressionsbandagen im Anschluss verhindert, dass sich erneut ein Ödem bilden kann. Wichtig ist die interdizisplinäre Einigkeit von Ärzten und Therapeuten - und vom Sanitätshaus, das die Kompressionsbekleidung anfertigt. Bei einem ungünstigen Verlauf kann das Gewebe dauerhaft geschädigt werden.

Auch das sogenannte Hungerödem gibt es. Wir kennen es von Bildern aus der dritten Welt, die Kinder mit dicken Bäuchen zeigen. Es ist die spezifische Form einer Protein-Energie-Mangelernährung. Das Krankheitsbild zeigt den charakteristischen Hungerbauch, der durch Wassereinlagerungen (vor allem am Bauch) und eine vergrößerte Leber verursacht wird. Kurios und traurig zugleich: die Schwellung, die durch Mangel verursacht wird.

(w.g.)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort