Kindergesundheit Wie Rheuma effektiver behandelt werden kann

Düsseldorf · Kinder mit rheumatoiden Krankheiten sollen langfristig eine sichere Therapie bekommen. Dazu zählt die Devise: Zeigt her eure Füße!

Kindergesundheit: Wie Rheuma effektiver behandelt werden kann
Foto: Radowski

In seiner Fachrichtung gibt es immer noch zu wenige Ärzte, seine Ausbildung war lang und umfangreich. Das hat Folgen: Der gute Rheumatologe ist begehrt, aber rar und chronisch überlaufen. Deshalb machen sich einige Ärzte anheischig, rheumatologische Expertisen abzugeben, obwohl sie dafür nicht qualifiziert sind. Dies erklärt die Schwierigkeit einiger Patienten, bei rheumatoiden Erkrankungen professionell behandelt zu werden. Auch um diese Defizite ging es jetzt beim Kongress der deutschen Rheumatologen in Düsseldorf. Sie wollen erreichen, dass deutlich mehr Patienten schnell und kompetent behandelt werden und dass Behandlungspausen der Vergangenheit angehören.

Vor allem Kindern, die an einer rheumatologischen Erkrankung wie der JIA (Juvenile idiopathische Arthritis) leiden, soll geholfen werden, wenn sie mit ihrer Volljährigkeit den Kinder- und Jugendarzt verlassen und dann - nunmehr alleinverantwortlich und nicht mehr mit den Eltern als schützender Aufsicht - einen neuen Arzt finden müssen. Hier wollen sich die Ärztegruppen interdisziplinär stärker vernetzen.

Für diese Medizin des Übergangs gibt es sogar einen Namen: Transitionsmedizin. "Es ist wichtig, dass junge Menschen bei ihrer neuen Selbstständigkeit ärztlich unterstützt werden", sagt Prof. Matthias Schneider, Direktor der Rheumatologischen Poliklinik am Universitätsklinikum in Düsseldorf und Tagungspräsident des Kongresses. Das ist wichtig, denn wenn bei der Behandlung einer rheumatischen Krankheit zwei, drei Jahre geschludert wird, kann sie in dieser Zeit eine Schubkraft entwickeln, die kaum noch aufzuhalten ist.

Fehlerhafte Erstdiagnosen durch unsichere oder leichtfertige Ärzte sind bei rheumatologischen Erkrankungen ziemlich häufig, Das wundert Schneider kaum: "Wenn man eine Krankheit nur selten sieht, erkennt man sie auch nicht". Kompetenz durch Expertise ist aber dringend gefragt. Etwa bei der Schwellung eines Fingergelenks mit Überwärmung und Schmerzen: Da muss ein guter Arzt in alle Richtungen denken - und eben auch an die Arthritis. Ärzte müssen aber zugleich lernen, nicht vorschnell einzig ihrem Labor zu vertrauen. Um Gicht kann es sich auch handeln, wenn der Harnsäurewert normal ist (was er beim akuten Gichtanfall übrigens sehr häufig ist).

Der Düsseldorfer Kongress lehrte abermals die leider gern vergessene Weisheit, dass sich rheumatoide Prozesse meist früher in den Füßen als in den Händen zeigen. "Aber bei den Füßen bemerkt man Probleme gar nicht so leicht", weiß Schneider, "man läuft ja den ganzen Tag darauf herum." Dass es da hier und da mal zwickt und zwackt, kennt jeder von uns - deshalb bleiben Frühformen etwa einer Polyarthritis nicht selten unerkannt.

"Gerade bei rheumatologischen Erkrankungen ist die frühe und effektive Behandlung aber lebenswichtig", sagt Schneider. Der Düsseldorfer Rheumatologe freut sich deshalb um so mehr, dass die deutschen Orthopäden, die des kranken Fußes meist zuerst ansichtig werden, verstärkt an rheumatologische Aspekte denken wollen; das haben sie in einem Grundsatzpapier erklärt. Von allen Seiten aus nähert man sich den Rheuma-Erkrankungen; jetzt müssen die Schnittstellen auch besser funktionieren. "Daran arbeiten wir jedenfalls von unserer Seite aus mit hohem Druck", gelobt Schneider - damit nicht nur Otto Normalverbraucher endlich den Unterschied zwischen Arthrose und Arthritis kennt.

Vom Grundsatz ist der Rheumatologe laut seiner Ausbildung ein Internist mit Zusatzqualifikation. Beides ist wichtig, denn er muss interdisziplinär in alle Richtungen denken. Organbefall stellt er leider häufig fest bei den Erkrankungen, die in sein Therapiegebiet fallen. Bei Gicht leiden die Nieren langfristig gefährlich; und dass die chronischen Entzündungsprozesse, die eine Rheuma-Erkrankung mit sich bringt, sogar das Herzinfarkt-Risiko erhöhen, weiß die medizinische Forschung ebenfalls nicht erst seit gestern. Nun, das Herzinfarkt-Risiko von Rheumapatienten ist genauso hoch wie dasjenige von Diabetikern. Doch auch die Haut ist ja ein Organ, weswegen Hautärzte regelmäßig mit Erkrankungen der rheumatischen Formenkreis konfrontiert werden, so der Psoriasis-Arthritis.

Meist handelt es sich um sogenannte Autoimmunprozesse, mit denen Rheumatologen zu kämpfen haben. Die körpereigene Immunabwehr operiert sozusagen gegen sich selbst und bekämpft nicht nur fremde Erreger, sondern auch eigenes Gewebe. Das läuft fast immer mit komplexen entzündlichen Prozessen ab und ist bei vielen Formen von Arthritis der Fall, auch beim Morbus Bechterew, der Menschen in die Krümmung zwingt.

Eine durch die Fernsehserie "Dr. House" berüchtigt gewordene Erkrankung ist der Systemische Lupus erythematodes, der sich unter anderem durch eine Schmetterlingsrötung im Gesicht zeigt. Er zählt zur Gruppe der Kollagenosen, die sich bei systemischer Ausweitung meist an Bindegewebe und Blutgefäßen abspielen. Fast jedes Organ kann bei einer Kollagenose befallen werden, und ihre Ursache ist ungeklärt. Oft besteht ein Zusammenhang mit erblichen Faktoren, etwa HLA-Antigenen, Hormonen (Frauen sind häufiger betroffen), psychischem Stress, Viren und Sonnenbestrahlung.

Naturgemäß ist die Rheumatologie mit Nachbardisziplinen eng verbandelt - mit der Orthopädie (etwa bei Gelenkerkrankungen oder bei Formen der Osteoporose), der Dermatologie (etwa bei der Dermatomyositis, der "Lila-Krankheit", an der die berühmte Sopranistin Maria Callas litt), der Augenheilkunde (etwa beim Sjögren-Syndrom), natürlich auch mit anderen Subdisziplinen der Inneren Medizin, wie etwa bei Gicht. Auch eine psychologische Behandlung ist hilfreich (bei Fibromyalgie). Und ausgedient hat die Annahme, dass der rheumatische Formenkreis nur ältere Menschen betrifft. "Das Gegenteil ist der Fall, die Patienten sind nicht selten relativ jung. Umso unerwarteter trifft sie eine Erkrankung, und desto wichtiger ist es, dass wir sie schnell therapieren", sagt Schneider.

Heilung von einer rheumatologischen Erkrankung ist zwar trotz vieler Forschungsfortschritte meist noch nicht möglich. Dafür können die Ärzte die Schmerzen ihrer Patienten lindern und die fortschreitende Zerstörung ihrer Gelenke und Organe aufhalten, in manchen Fällen sogar auch ein vollständiges Verschwinden der Krankheitszeichen erreichen. Solche Erfolge werden umso häufiger erzielt, je früher die Krankheit behandelt wird.

Und der Fachärztemangel? In dieser Hinsicht gibt es Grund zur Hoffnung. Die Ausbildung zum Rheumatologen verläuft neuerdings ähnlich derjenigen anderer internistischer Fachärzte: Drei Jahre lang ist ihr Curriculum identisch (statt bisher für komplette fünf Jahre), danach spaltet sie sich für zwei Jahre in die jeweiligen Spezialdisziplinen auf. Wenn diese Reform den Rheumatologen-Mangel beenden hilft, wäre das eine wirklich gute Reform. Bedingung muss sein, dass die Verkürzung des Lernprogramms nicht auf eine Minderung der Kompetenz hinausläuft.

(RP)
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