Gute Vorsätze für 2023 Wie wir den inneren Schweinehund künftig besiegen. Bestimmt.

Viele Menschen wollten sich im neuen Jahr mehr bewegen und damit etwas für ihre Gesundheit tun. Leider spielt ihnen oft ihre Trägheit einen Streich. Mit diesen Tipps erfüllen Sie im kommenden Jahr ihre guten Vorsätze – vielleicht sogar mit Leichtigkeit.

Zwei Läuferinnen genießen die Morgensonne auf der Uferpromenade in Düsseldorf in der Nähe des Landtages.

Zwei Läuferinnen genießen die Morgensonne auf der Uferpromenade in Düsseldorf in der Nähe des Landtages.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Viele Menschen wollen sich mehr bewegen und damit etwas für ihre Gesundheit tun. Leider spielt ihnen oft ihre Trägheit einen Streich. Wir verraten, was man tun muss, um alte Pfade zu verlassen.

Spätestens im November beginnt der zuversichtliche Zeitgenosse mit den Planungen fürs kommende Jahr. Dazu zählen an vorderster Stelle seine Bekundungen, er wolle sich mehr um seine Gesundheit kümmern. Das heißt: Er will sich mehr bewegen.

Dazu investiert er in Sportgarderobe, teure Schuhe, Reflektoren, Stirnbänder, Pulsmesser und lädt eine App runter, die Tempo, Wegstrecke und Kalorienverbrauch misst. Spätestens am 17. Januar ist es mit den guten Vorsätzen vorbei. Der Aspirant ist demoralisiert und hat alle Planungen für die nähere Zukunft zu den Akten gelegt.

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Warum kommt es zu diesen Pleiten, die den Ambitionierten nach der Euphorie in einen Zustand der Resignation zurückwerfen? Das hat mit den absurden Plänen für den gesundheitlichen Aufschwung zu tun, aber auch mit dem größten Bremser unseres Lebens.

Fangen wir mit den Plänen an. Den Wunsch, nicht alles, aber doch einiges anders zu machen, kennen wir von uns selbst. Aber wir sollten nicht tollkühn werden. Es ist lebensfremd zu glauben, Vorsätze seien mit etwas gutem Willen leicht in die Tat umzusetzen.

Wer beispielsweise mit einem genau ausgetüftelten und schon früh hohe Frequenzen und weite Strecken umfassenden Laufprogramm startet, wird scheitern. Man kann sich nur an Dinge gewöhnen, an die man sich gewöhnt hat. Wer nicht einige Male kurze Strecken erfolgreich gelaufen ist, wird auch eine größere Distanz nicht schaffen.

Die Gewohnheit sitzt im Gehirn in einer Struktur zwischen Vorder- und Mittelhirn. Sie operiert mit Botenstoffen, Neurotransmittern, sie aktiviert und blockiert Hormone, sie reguliert das Lustzentrum, die Angst, die Süchte. Es ist der Nucleus accumbens, eine Region in unserem sogenannten mesolimbischen System.

Diese Region managt unser Belohnungssystem. Es schaltet auf Turbo, wenn wir mit einem Reiz konfrontiert werden; es löst in uns Wollen und Begehren aus, freudige Erwartungen schöner Umstände in unserer Fantasie, Motivation, Aufmerksamkeit, Interesse, Lust, Freude, Begeisterung und Glücksempfindungen und hält all dies aufrecht.

Wenn wir fünf Kilometer zum ersten Mal unter 30 Minuten gelaufen sind (was nicht schnell, für Anfänger aber ganz beachtlich ist), wird das mesolimbische System aktiv, es schüttet den Botenstoff Dopamin aus. Dadurch wird eine Emotion in unserem Gefühlszentrum verstärkt: die Freude. Man ist platt vom Laufen, aber glücklich - und weil der Mensch all das, was ihn glücklich macht, immer wieder haben möchte, wird er bald wieder laufen. Emotion wird positiv verstärkt.

Dummerweise gibt es eine Codierung, die das Belohnungssystems hemmt: Diese Institution des Gehirns nennen wir unseren inneren Schweinehund. Er wird aktiv, wenn etwas nicht klappt, und hindert uns, einen neuen Anlauf zu unternehmen. Er sorgt dafür, dass nichts ausgeschüttet wird, er ist die Bremse - und deshalb vergesellschaftet mit Übergewicht, Herzkrankheiten, Schlaganfällen, Darmproblemen, sogar Krebs.

Über pädagogische Maßnahmen lacht er nur, denn er verhindert sie regelmäßig. Wir sollen Obst und Gemüse essen? Der Schweinehund hat darauf keinen Appetit. Wir sollen uns mehr bewegen? Er macht uns faul. Wir sollen mehr schlafen? Er hält uns wach. Wir sollen von den Zigaretten lassen?Er mag den blauen Dunst.

Er profitiert von der Trägheit, auf die er uns konditioniert hat. Auf ihrem Humus gelingt es dem Schweinehund, sämtliche Rezeptoren der Immunaktivität zu blockieren. Der Mensch nimmt zahllose Anläufe, den Schweinehund abzuschütteln, dessen Gegenwart er ja selbst spürt. Aber es bleibt beim Anlauf. Schlimmer noch, der Schweinehund unterbindet sogar die Anläufe, weil der Mensch denkt, dass er es sowieso nicht schaffen wird.

Dabei wäre der gelungene erste Anlauf die ideale Waffe, denn dadurch erwacht das Immunsystem und kann sich mit dem Schweinehund produktiv beschäftigen. Der positive Aha-Effekt kann so grandios ausfallen, dass der Schweinehund sich wie von selbst verflüchtigt. Nach dem gelungenen ersten Anlauf müsste allerdings ein zweiter folgen, der schon wesentlich leichter fällt. Der Schweinehund wird trotzdem rufen: Du schaffst es nicht! Du wirst versagen! Aber er wird immer leiser.

Gegen den Schweinehund hilft nur eins: ein dezentes, realistisches Programm. Ein Vorsatz der vielen kleinen Schritte. Man beginne mit einem Spaziergang. Zwei Kilometer reichen. Ganz bequem. Und das drei Mal pro Woche über vier Wochen. Das sollte man sich in den Kalender eintragen. Das ist gut zu schaffen, und danach sieht die Welt schon ganz anders aus. Weil der Nucleus accumbens ganze Arbeit geleistet hat.

Am besten, man schließt die Hintertürchen vorsorglich zu. Der beste Schlüssel ist die Einladung an andere Menschen, sie mögen mitgehen. Man kann im Supermarkt einen Zettel aufhängen: "Ich möchte zweimal pro Woche eine kleine Wanderung in flottem Tempo machen. Wer kommt mit? Treffpunkt: Montag und Donnerstag um 18 Uhr am Altpapier-Container auf der Mommsenstraße."

Vielleicht wird eine nette Runde daraus. Es ist dann leichter, willensstark zu sein. Wenn andere warten, hat man eine Verpflichtung. Es ist die Eigenschaft des Schweinehunds, dass er am liebsten den menschlichen Willen bekämpft. Wenn der Wille aber durch ein Programm gefestigt ist, hat der Schweinehund keine Chance. Es braucht vielleicht nur vier, fünf gelungene Anläufe, und es ist um den Schweinehund geschehen. Doch in der Zwischenzeit bleibt er eine Geißel.

Der Schweinehund ist eine Plage. Aber jeder ist in der Lage, ihn zu bekämpfen. Er muss nur wissen, dass er den Schweinehund in sich hat, und bestmöglich handeln. In der Medizin heißt das Eradikation: den Keim bei der Wurzel packen und ausreißen. Wenn uns das gelingt, können wir über den Schweinehund nur lachen und uns fragen, wie er uns so lange beherrschen konnte.

Man sollte allerdings darauf achten, dass man das Kind nicht mit dem Bade auskippt. Sportliche Betätigung kann ebenfalls zur Sucht werden, und man wird nervös, wenn man die Laufschuhe nicht unter den Füßen hat. Man sollte nicht in einen Zustand geraten, dass man vom Bewegten zum Getriebenen und von der Sucht nach Glück beherrscht wird. Denn die ist erst recht eine Spaßbremse.

Dieser Artikel wurde erstmals im Dezember 2016 auf RP ONLINE veröffentlicht. Da er weiter aktuell ist, bieten wir ihn noch einmal zum Lesen an.

(w.g.)
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