Cocktail-Zeit Die Suche nach dem Gin des Lebens

Düsseldorf · Zu ihrem 100. Geburtstag bekam Queen Mum, Mutter der britischen Königin Elizabeth II., eine Geburtstagstorte, die es in sich hatte: Für den Zuckerguss wurde Gin verwendet, denn dem Wacholderschnaps war sie stets sehr zugetan. Ihr Lieblingsdrink wirkte damals etwas verstaubt und spleenig, heute ist Gin der Getränketrend in der Bar-Szene. Und die Experten sind sich einig, dass der Boom noch lange nicht vorbei ist.

Etwa 400 Sorten gibt es in Deutschland zu kaufen. Warum Gin so erfolgreich ist, erklärt Oliver Steffens. "Gin verfügt geschmacklich über einen ungeheuren Facetten-Reichtum", sagt der Verwaltungsangestellte aus Hamburg, der sich als "Ginthusiast" bezeichnet und im Blog "Die Trinklaune" über den Wacholderschnaps schreibt. Die Vielfalt kommt durch die Aromaten, sogenannte Botanicals. Gin schmeckt dann - neben seiner typischen Wacholdernote - auch nach Rosmarin, Zitrone, süßen Schlehen oder wie beim Hoxton-Gin sogar nach Kokosnuss. Diese Kombination geht dem Gin-Fan dann allerdings etwas zu weit. "Da bin ich dann doch Traditionalist", sagt Steffens, der zurzeit 333 Ginsorten zu Hause hat.

Die Vielfalt scheint keine Grenzen zu kennen. Orlando Fernetti, Inhaber der "Bar Alexandra" in Düsseldorf-Bilk, hat 70 Gins und sieben Tonics für seine Gäste im Angebot. Darunter einen anderen Kult-Gin, den Mare aus Spanien, mit Aromen von Rosmarin, Thymian, grünen Oliven und Basilikum. Natürlich gibt es dazu ein besonderes Tonic: Das chilenische "1724" sei der perfekte Begleiter, sagt der Experte.

Willkommen in der Bar Alexandra
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Fernetti bietet einen besonderen Gin Tonic an. Als Basis dafür verwendet er fassgereiften Gin, der drei bis vier Monate in einem Oloroso-Sherry-Fass gelegen hat und dort eine goldige Farbe bekommt. Oder er infusioniert Gin mit Hibiskus und Lavendel. Überhaupt sind Kräuter das Thema in Kombination mit Gin. So serviert Fernetti, der mit seinen gereiften Cocktail-Kreationen schon Preise gewonnen hat, zum Beispiel den Gin Basil Smash, der in der Hamburger Bar "Le Lion" kreiert und mittlerweile zum Drink von Weltruhm wurde: Dabei aromatisieren Basilikumblätter und Zitronensaft den Klaren. Fernetti selbst trinkt am liebsten einen Gin Tonic, bestehend aus Tanqueray, einem Spritzer und einer Zeste von der Grapefruit, aufgegossen mit Thomas Henry.

Den Überblick behalten

Diese Gin-Sorten sind etwas für Feinschmecker
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Diese Gin-Sorten sind etwas für Feinschmecker

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Foto: Hersteller

Wie soll man bei dem Angebot den Überblick behalten, welche sind für den Einsteiger gut geeignet? "Für klassische Drinks mag ich gerne Tanqueray-Gin, kräftig, trocken und mit viel Wacholder", empfiehlt Barmanager Stephan Hinz, Cocktailmeister, Trendscout und Inhaber der Bar "Little Link" im Belgischen Viertel in Köln. Soll es verspielter sein, greift er zum G'Vine Nouaison mit floralen Noten und viel Kardamom; am Martin Miller's Westbourne Strength gefällt ihm die "tolle grasige Frische".

Der Name Gin stammt vom lateinischen Namen des Wacholders (juniperus) oder vom Genever, den im 17. Jahrhundert ein Arzt in Holland erfunden hat. Englische Soldaten brachten den Schnaps auf die Insel, wo er zum Gin wurde. Mit chininhaltigem Tonic galt er in aller Welt als erfolgreiche Malaria-Prophylaxe. In den 1960er Jahren war er die meistgetrunkene weiße Spirituose. Dann begann der Niedergang - angeblich, weil James Bond im Film immer Wodka-Martini bestellt hat. Im Roman trank der Agent stets Gin.

Die meistverkauften Sorten sind britische Produkte wie Beefeater (Queen Mum's Lieblingsmarke), Bombay Sapphire (der mit seiner Markteinführung Ende der 80er Jahre das Gin-Comeback einläutete), Plymouth oder Gordons's Dry Gin. Die Flaschen liegen zwischen 25 bis 45 Euro. Längst werden auch in Deutschland aromatische Tropfen abgefüllt: Einer der erfolgreichsten ist Monkey 47. Gut ein Drittel der Zutaten stammen aus dem Schwarzwald, etwa Fichtensprossen, Holunderblüten, Schlehen, Brombeerblätter und - als besonderer Clou - frische Preiselbeeren. 2011 wurde er zum weltbesten Gin gekürt und ist mittlerweile sogar in den USA erhältlich.

Wer einen neuen Gin kosten möchte, sollte ihn zunächst einmal pur trinken, empfiehlt Steffens. Nur so kommen die verschiedenen Aromen zum Vorschein. Nach der Geschmacksprobe bevorzugt er den Klassiker Gin Tonic - "auf ganz kaltem Eis, im Verhältnis eins zu drei von Gin und Tonic", sagt Steffens. Und mittlerweile gibt es auch in Deutschland mehrere Tonics - quasi zu jedem Brand das passende Wässerchen. Seit Jahrzehnten hat Schweppes den Klassiker "Indian Tonic" im Programm. Doch der Gin-Boom hat auch beim Brause-Hersteller für eine Neuheit gesorgt. Für die neuen Spirituosen wie etwa aus Deutschland wurde mit "Dry" ein noch bittereres Tonic auf den Markt gebracht. Zudem gibt es im Internet oder im gut sortierten Getränkehandel (zum Beispiel Getränke Gato in Düsseldorf-Reisholz oder Die Weinkarte im Medienhafen) das leicht süßliche Thomas Henry, das florale Fever-Tree oder das fermentierte Fentimans.

Der Hype um Queen Mum's Lieblingsgetränk geht weiter - der Vielfalt sei Dank. "Gin holt die Leute ab, die bisher nicht unbedingt etwas mit charakterstarken Spirituosen anfangen konnten und lieber einen milden Wodka-Drink bestellt haben", sagt Stephan Hinz. Und er ist auch komplex genug, um Gäste mit einem erfahreneren Geschmack zu begeistern.

(RP)
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