Renaissance des Korns Von wegen nur Herrengedeck!

Düsseldorf · Das Herrengedeck in der Kneipe, Bier und Schnaps, hat seinem Image sehr geschadet. Doch nun erlebt der Kornbrand eine Renaissance. Traditionsbetrieben und modernen Tüftlern sei Dank.

So kommt er in der Kneipe auf den Tresen: Genießer schätzen einen edlen Korn allerdings heute aus einem Kelchglas. (Symbolbild)

So kommt er in der Kneipe auf den Tresen: Genießer schätzen einen edlen Korn allerdings heute aus einem Kelchglas. (Symbolbild)

Foto: thinkstock

An Karneval steht Korn hoch im Kurs: Wer kein Bier mag, der mixt sich Korn mit Cola oder Fanta oder kippt sich Korn mit Brausepulver in den Mund. Um den Alkohol-Genuss geht es bei solchen Mixturen an den tollen Tagen nicht, vielmehr um ihre Wirkung.

Somit ist der Korn für manchen Kater an Karneval oder beim Schützenfest verantwortlich und gilt eher als Fusel. Ihn umwehte nie ein Hauch von Fernweh, wie es selbst bei schlechtem Grappa, Rum oder Whisky der Fall ist. Er steht für deutsche Spießigkeit: In der Eckkneipe kam das Herrengedeck - ein frisch gezapftes Bier mit einem Kurzen - auf den Tresen oder das "U-Boot", bei dem sich der Schnaps schon im Bierglas befand. Doch nun erlebt der Korn eine Renaissance, ihm wird ein ähnlicher Hype wie um den Gin vorausgesagt. Junge Start-ups wie "Nork" aus Norddeutschland engagieren sich für bessere Qualität und eine andere Wertschätzung, traditionelle Betriebe profitieren von der gestiegenen Nachfrage.

Renaissance des Korns: Von wegen nur Herrengedeck!
Foto: zörner

Schon 2014 hatte sich Gisela van Laack entschieden, zuerst den traditionellen Weizenkorn wieder auf den Markt zu bringen und erst später einen Gin, obwohl er schon längst abgefüllt war. "Der kommt", sagte die Kölnerin, die 2011 das Spirituosen- und Sekt-Geschäft ihrer Familie in dritter Generation übernommen hatte. Denn schon damals war sie sicher: "Der wird seine Fans finden." Und sie hatte recht. Seitdem wächst das Interesse kontinuierlich. Auch in der Düsseldorfer Brennerei Schmittmann, bei der mit Vera und Sonja Schmittmann die sechste Generation seit 1818 am Ruder ist, erfährt der Edel-Korn bei den Kunden wieder mehr Aufmerksamkeit. "Der Trend geht einfach zur Rückbesinnung auf Traditionen, Produkte von hoher Handwerkskunst sind gefragt", betont Sonja Schmittmann.

Ihr Unternehmen ist dem Korn immer treu geblieben und hat sich zudem um seine Veredelung bemüht. "Wir verwenden neben Roggen und Weizen auch Malz für eine malzige Süße", erklärt Brennmeister Thorsten Franke. Im Gegensatz dazu wird Massenware mit industriell hergestellten Enzymen verzuckert. Der Schmittmann-Edelkorn (1 Liter/13,90 Euro) lagert ein Jahr im Eichenfass, ehe er abgefüllt wird. "Ben's Premium Kornbrand" darf sogar zehn Jahre im kleineren Barrique-Fass reifen. Die Nachfrage nach diesen hochwertigen Produkten sei auf jeden Fall gestiegen, sagt Schmittmann.

Ein wenig Überzeugungsarbeit muss Gisela van Laack manchmal aber schon leisten, verantwortlich fürs schlechte Image ist der Tankstellen-Flachmann für wenige Euro. "Viele sagen: ,Mit Korn musst du mir nicht kommen!' Und dann probieren sie und sind begeistert", betont van Laack. Ihr Tröpfchen (0,7 Liter kosten 17,90 Euro) kratze nicht im Hals, und auch Frauen könnten ihm viel abgewinnen. Aber: "Es braucht noch Pionierarbeit", sagt sie. Und ein wenig Zeit, bis der Korn etwas wird, was er streng genommen nie war: en vogue.

Van Laacks Weizenkorn, inzwischen von einem Freund der Familie aus 100 Prozent Bio-Weizen in NRW gebrannt, sei einfach ein "ehrliches Produkt". Ihr Vater und Großvater belieferten schon Karnevalsgesellschaften und Schützenzelte mit ihrem eigenen van-Laack-Sekt, Korn und dem "Köbes"-Kräuterbitter. Die Flaschen spielen noch heute auf diese lange Tradition an und sind im Retro-Design gehalten. "Die Qualität dieser Produkte war immer das Besondere." Ihre bereits erwachsenen Söhne unterstützen Gisela van Laack, sind in der Gastro-Szene unterwegs und tüfteln mit ihr daran, die traditionellen Familien-Produkte wieder auf den Markt zu bringen. Vor fünf Jahren haben sie zum ersten Mal wieder einen Sauerkirsch-Likör auf Kornbasis nach Originalrezept aus den 50er Jahren abgefüllt und ihm den jecken Namen "Nubbel" gegeben.

Die Macher von "Nork", einem Anagramm von Korn, haben mit einer typischen Dorfkindheit in Norddeutschland ihre eigenen leidlichen Erfahrungen mit der billigen Spirituose gemacht. "Aber als wir in einer Kneipe einen guten Korn probierten, war das ein Aha-Erlebnis", sagt Johann Dallmeyer, der daraufhin mit seiner Schwester Ann-Katrin und Kumpel Lars Mehlhop-Lange per Crowdfunding Geld für ihr Experiment einsammelte. Schnell stand fest: Der Brand hat kein Geschmacks-, sondern ein Imageproblem. "Viele trinken Wodka, mögen aber keinen Korn", sagt Dallmeyer. Dabei könne jeder Korn auch als Wodka verkauft werden, aber nicht jeder Wodka sei ein Korn. Der darf nur aus Weizen und Roggen hergestellt werden, Wodka auch aus anderen Getreidesorten. "Wir wollten aber nicht nur einen Korn von besserer Qualität machen, sondern uns auch beim Design absetzen von Dorfzelt und gewundenen Eichenkränzen auf dem Etikett."

Die ersten knapp 700 Flaschen waren schnell ausverkauft, die drei lassen ihren "Nork" (0,7 Liter kosten 25 Euro) im niedersächsischen Scheeßel brennen und verdünnen das fertige Destillat mit Bremer und Hamburger Wasser. Seinen Lebensunterhalt verdient das Team in anderen Berufen, ihre "Mission" steht deshalb im Mittelpunkt.

Hochprozentiges pur zu trinken, scheint jedoch aus der Mode zu sein. Deshalb wird auch der Korn gemixt. Brennmeister Thorsten Franke tut das natürlich weh, denn man sollte seinen Korn am besten pur und bei Zimmertemperatur genießen. Den milden Getreide-Charakter entfaltet sein Produkt am besten in einem Kelchglas, das auch für Cognac und Grappa genommen wird. "Und dann Schluck für Schluck trinken", erklärt Franke - nichts mit wenig schnacken, Kopf in den Nacken und anderen Trinksprüchen. Gisela van Laack trinkt Edel-Korn am liebsten pur oder gemischt mit einem guten Tonic. Sonja Schmittmann, deren Unternehmen für Mix-Experimente zum Beispiel mit der "Bar Alexandra" in Düsseldorf-Bilk kooperiert, schätzt auch exotische Cocktails wie einen Caipirinha auf Korn-Basis.

Der Edel-Korn ist also zurück. "Seine Uncoolheit ist eigentlich die beste Voraussetzung, um ein cooles Ding zu werden", stellt Johann Dallmeyer fest. Gisela van Laack kann sich sogar vorstellen, dass das Herrengedeck aus Bier und erstklassigem Korn in den Kneipen ein Comeback erlebt. "Alles kommt wieder - aber dann heißt es vielleicht Hipster-Gedeck."

(mso)
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