Die große Wanderung der Zebras

Menschen wissen seit Urzeiten, dass Tiere wandern. Eine neue Studie zu Zebras im südlichen Afrika findet Erstaunliches.

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Foto: AP Photo/HO-World Wildlife Fund International - Martin Harvey

<p>Menschen wissen seit Urzeiten, dass Tiere wandern. Eine neue Studie zu Zebras im südlichen Afrika findet Erstaunliches.

Zäune, Straßen, Felder - Menschen bauen so viele Barrieren in die Welt, dass auch Tiere kaum noch über lange Strecken ihrer Wege ziehen können. Das gilt selbst in Afrika, wo menschliches Tun der Umwelt und der Artenvielfalt immer mehr zusetzt. Umso ungewöhnlicher ist die Entdeckung, die Wissenschaftler jetzt publik machten: der große Treck der Zebras zwischen Namibia und Botsuana.

Die Länge dieser Wanderung von rund 2000 Tieren übertrifft alles Vergleichbare, was je in Afrika dokumentiert wurde. Auf die Spur der Bewegung kamen die Wissenschaftler, die ihre Ergebnisse jetzt in der Zeitschrift "Oryx" beschrieben, nur mit moderner GPS-Technologie. "Das zeigt uns, dass die Natur immer noch Überraschungen bietet", sagt Robin Naido vom World Widlife Fund in Washington, der die zweijährige Studie geleitet hat.

Die Odyssee der Zebras umfasst insgesamt etwa 500 Kilometer in der Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area, die Nationalparks in Namibia, Botsuana, Simbabwe, Sambia und Angola umfasst. Der Treck der Tiere beginnt im Flachland in der Nähe der Grenze zwischen Namibia und Botsuana zu Beginn der Regenzeit. Dann ziehen die Zebras am Fluss Chobe entlang, bis sie an den saisonal gut gefüllten Wasserlöchern und dem fetten Gras im Nxai Pan National Park in Botsuana ihr Ziel erreicht haben. Dort laben sich die Zebras etwa zehn Wochen lang, bis sie zurückwandern. "Dies ist die längste Landwanderung in Afrika, nimmt man die Distanz zwischen den Endpunkten", sagt Naidoo.

Dass die Zebras die Überflutungsgebiete im Flachland am Chobe verlassen, war den Menschen der Gegend und Umweltschützern schon lange bekannt. Aber sie wussten nicht, wohin die Tiere zogen.
Klarheit bekamen sie erst, als sie acht Zebras mit Satellitenempfängern ausstatteten und ihre Bewegungen Ende 2012 und Anfang 2013 beobachteten.

Die Wissenschaftler sprechen von einer generalstabsmäßig geplanten Operation: Sie beschossen die Zebras von Hubschraubern aus mit Betäubungspfeilen, landeten und streifen den betäubten Tieren die GPS-Halsbänder über - so berichtet es Naidoo, der an der University of British Columbia in Kanada unterrichtet.

Sein Kollege David Wilcove von der Princeton University, der an der Studie nicht beteiligt war, unterstreicht deren Bedeutung: "Obwohl sich Menschen seit ewigen Zeiten für die Wanderungsbewegung von Tieren interessieren, kratzen wir gerade mal an der Oberfläche, um zu verstehen, warum Tiere wandern, wohin sie gehen und wie sie es anstellen."

Bekannt sind die Wanderungen von Karibus in Nordamerika und Asien, Tibetantilopen und Mongolische Gazellen machen sich ebenfalls auf den Weg. Und natürlich legen in der Luft diverse Vogel- und Schmetterlingsarten sowie Buckelwale im Pazifik erhebliche Strecken zurück.

In Ostafrika wandern auch Gnus in der Serengeti, möglicherweise sogar auf einer größeren Fläche und sicher auch in größerer Zahl als die Zebras in Namibia und Botsuana. Aber das Besondere an deren Migration ist nach Naidoos Ergebnissen die längere Distanz, weil die Zebras entlang des Flusses mehr oder weniger geradeaus laufen.

Die Zebra-Studie belege, dass die Tiere auch durch "von Menschen dominierte Landstriche" ziehen müssten, sagt Tony Sinclair, der mit Naidoo an der University of British Columbia forscht und sich auf Migration in der Serengeti spezialisiert hat. Er warnt, die Tierwanderungen könnten künftig ausfallen, wenn sie nicht gesichert würden.

2004 wurde in einem anderen Teil von Botsuana ein Zaun abgebaut, der Zebra-Wanderungen seit den späten 60er Jahren blockiert hatte. Prompt nutzten in den Jahren 2008 und 2009 etwa 15000 Zebras die wieder geöffnete Passage, wie aus anderen Studien hervorgeht. Sinclair schlägt Anreize vor für Leute, deren Land von den Tiertrecks gekreuzt wird. Dazu brauche man "innovatives Denken", zum Beispiel, indem man sich in den Tourismus einklinke.

Trotz der neuen Erkenntnisse über den Zebra-Treck zwischen Namibia und Botsuana sind viele Fragen offen. Unklar ist zum Beispiel, ob die große Wanderung jedes Jahr stattfindet und ob die Anleitung dazu genetisch festgelegt ist oder den Jungen von den Müttern beigebracht wird. Die Zebras hätten durchaus Weidegründe erreichen können, die näher an ihrem Ausgangspunkt lagen. Die Wissenschaftler spekulieren deshalb in "Oryx" darüber, ob hier ein uraltes Verhaltensmuster inzwischen genetisch verankert ist.

Für Wissenschaftler eröffnet sich ein aufregendes Feld. Mike Chase von der Gruppe Elephants Without Borders in Botsuana, die an der Zebra-Studie beteiligt war, nennt die Wanderung der Tiere herzerwärmend. "Wir alle sehnen uns nach der Romantik der wilden, offenen Landschaft", sagt Chase. "Es gibt nur noch sehr wenige Orte auf unserem Planeten, wo sich Tiere ganz natürlich bewegen können, in dem Umfeld, in dem sie sich über Tausende von Jahren entwickelt haben."

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