Sonsbeck Wolf-Auffangstation muss immer mehr Hybride aufnehmen

Sonsbeck · Viele Menschen wollen sich mit einem Wolfshybriden ein Stück Wildnis nach Hause holen. Doch die Mischlinge mit hohem Wolfsanteil überfordern ihre Halter schnell. Dann ist Jos de Bruins Wolf-Auffangstation in Sonsbeck gefragt.

 Jos de Bruin spielt mit seinen Wölfen.

Jos de Bruin spielt mit seinen Wölfen.

Foto: Jörg Isringhaus

Die Angst vor dem Wolf sitzt bei vielen Menschen tief. Doch vor Shy muss sich niemand fürchten, genausowenig wie vor Kiba. Letztere ist ein Polarwolf, erstere ein amerikanischer Wolfhund, und beide sind gleichermaßen verspielt wie zutraulich. Shy will erstmal gestreichelt werden, Kiba schmeißt sich zur Begrüßung gleich komplett an den Besucher ran.

Die Tiere leben bei Jos de Bruin, der ihnen in Sonsbeck am Niederrhein in seiner Wolf-Auffangstation ein neues Zuhause gegeben hat. Denn ein Wolf ist kein Hund, und selbst in einem sogenannten Hybriden wie Shy steckt immer noch ein großer Anteil Wildnis. Zu viel für unerfahrene Halter, die mit dem Verhalten der Tiere nicht klarkommen und sie wieder abgeben. Zum Beispiel in die Hände von Jos de Bruin.

"Hunde werden nie richtig erwachsen und hören auf den Menschen. Wölfe hören auf ihre Instinkte", sagt der Niederländer. Das heißt, sie akzeptieren den Menschen auch nicht unbedingt als Chef, sondern versuchen, unerfahrene Besitzer zu dominieren. Der Umgang mit ihnen verlangt genaue Kenntnisse und das richtige Händchen. Und genau daran hapert es bei den meisten Haltern, die sich einen Wolfshybriden zulegen.

Hybride fallen unter Washingtoner Artenschutzabkommen

Anerkannte Wolfhundrassen wie der Tschechoslowakische oder der Saarlooswolfhund, gehören dazu nicht. Genaue Zahlen für Hybriden gibt es weder für NRW noch für Deutschland, nur Schätzungen. Von rund 1000 Tieren bundesweit geht Michael Eichhorn aus, Wolfsexperte aus Bad Dürkheim. Das Problem: Die meisten Hybriden würden illegal eingeführt und gehalten. Und dank Internet wachse die Szene.

Hierzulande fallen Hybride bis zur vierten Generation unter das Washingtoner Artenschutzabkommen und dürfen nur unter strengen Auflagen gehalten werden. Ab der fünften Generation darf sich allerdings jeder ein solches Tier anschaffen, weil man davon ausgeht, dass der Wolfsanteil dann sehr gering ist. Laut de Bruin gebe es jedoch Züchter, die 90-prozentige Wolfshybriden miteinander kreuzen, so dass auch in der fünften Generation ein Hybride mit 90 Prozent Wolfsanteil entsteht — und das ganz legal. "Der Gesetzgeber wird so ausgehebelt. Das darf nicht sein", kritisiert Eichhorn. Aber mit Hybriden lässt sich eben viel Geld verdienen: Bis zu 5000 Euro bringe ein Tier mit 95-prozentigem Wolfsanteil. So floriert der Handel, und Menschen wie Jos de Bruin müssen am Ende retten, was zu retten ist.

Hybride sind Ausbruchskönige

Denn Wolfshybriden zu halten, ist anspruchsvoll. Sie brauchen große Gehege, sind scheu, geraten schnell in Panik, sind aggressiv gegenüber gleichgeschlechtlichen Artgenossen. Ihre Komfortzone sei sehr groß, erklärt de Bruin, während man sie bei Hunden weggezüchtet habe. Zudem sind Hybride Ausbruchskönige, untergraben etwa Zäune, können nicht alleine zu Hause bleiben und besitzen einen stark ausgeprägten Jagdtrieb. In den USA, wo bis zu 500.000 solcher Tiere in Haushalten leben sollen, gibt es immer wieder Berichte von Unfällen mit Kindern — weil sie als Beute angesehen werden. "Wolfshybriden müssten unter die Hundeverordnung fallen und als gefährliche Rasse eingestuft werden", sagt Jos de Bruin. Das würde etwa ein Zuchtverbot bedeuten, und Kontrolle. Eichhorn plädiert sogar für ein generelles Haltungsverbot von Wolfshybriden.

Die Auffangstation von de Bruin ist mit elf Tieren mittlerweile voll. Neue Wölfe kann er nicht aufnehmen, nur noch helfen bei der Suche nach einem neuen Zuhause. Und er kann aufklären über das Raubtier, das den Menschen seit jeher umtreibt. Denn der Wolf kann ja nichts dafür, dass er ist, wie er ist.

Doch seit er in Deutschland wieder Fuß gefasst hat, kommt es immer wieder zu Konflikten mit dem Mensch, weil die Raubtiere Schafe reißen oder in Siedlungsraum vordringen. De Bruin gibt Seminare, geht — mit der sehr zutraulichen Kiba an seiner Seite — in Schulen, will Ängste abbauen, mit Vorurteilen aufräumen. Der Niederländer verklärt den Wolf nicht, er erklärt ihn, sowohl die Gefahr, die von ihm ausgeht als auch die Rolle, die er in der Natur spielt. Etwa, dass freilebende Wölfe vor allem kranke und alte Tiere reißen, deren Populationen also gesund halten. Aber auch, dass aus einem Gehege entlaufene Wölfe wie gerade in Bayern durchaus ein Risiko bedeuten können und der Abschuss manchmal unumgänglich ist. Andererseits: "Wenn diese Tiere erst einmal vier Wochen in Freiheit leben, verhalten sie sich wie ein wilder Wolf und sind damit ungefährlich für den Menschen."

Trotz der speziellen Fürsorge, die diese Raubtiere vom Menschen verlangen — auf den Hund kommt Jos de Bruin in diesem Leben wohl nicht mehr. Er habe nie domestizierte Tiere gehabt, schätzt an den Wölfen deren unverfälschtes, gut einschätzbares Verhalten. "Menschen", sagt er, "sind dagegen sehr kompliziert."

(isr)
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